Weg-Wort vom 20. Mai 2008
Gott glaubt an uns
Er hatte Angst wieder zu versagen, wie schon so oft in seinem Leben. Sein
Vertrauen in seine Fähigkeiten war an einem Tiefpunkt angelangt. Er spürte
auch, dass sie in der Firma nicht mehr an ihn glaubten und auf andere
setzten. Das schmerzte! Obwohl er es auch verstehen konnte. Denn eigentlich
hatten sie ja recht. Er hatte einfach zu viele Fehler gemacht. Dabei hatte
er sich immer so viel Mühe gegeben. Und alles getan, was er konnte.
Auch sein inständiges Beten habe nicht geholfen. Nicht einmal auf Gott sei
Verlass. Er habe den Glauben an ihn verloren.
Als ich im weiteren Verlauf des Gesprächs bemerkte, dass, auch wenn er nicht
mehr an sich und an Gott glaube, Gott doch an ihn glaube, weinte er. Die
Vorstellung, dass da jemand an ihn glaubt, war für ihn überwältigend. Er
hatte das nie erfahren in seinem Leben, obwohl eine grosse Sehnsucht danach
in ihm war.
Die Liebe gibt nie jemand auf, in jeder Lage vertraut und hofft sie für
andere verkündet Paulus (1Kor 13,7). Gott, der reine Liebe ist, liebt uns
mit all unseren Schwächen, mit unserem Versagen und unserer Mutlosigkeit. Er
glaubt trotz allem an uns! Immer! Auch wenn wir noch so kleingläubig sind
und immer wieder versagen. Er gibt uns nie auf. Im Gegenteil er traut uns
sogar uns selbst zu. Er traut uns das Leben zu mit all seinen Sonnen- und
Schattenseiten.
Die Gewissheit, dass Gott jederzeit an mich glaubt wie immer ich im Moment
gerade bin und mich fühle gibt mir Kraft und Mut, stets wieder neu an mich
zu glauben, auch wenn dieses Vertrauen zwischendurch verschwindend klein
ist.
Alfred Delp, der 1945 von den Nationalsozialisten hingerichtete
Jesuitenpater, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: Lasst uns dem Leben
trauen, weil Gott es mit uns lebt.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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