Weg-Wort vom 9. Mai 2007
Gelassenheit
Manchmal wünsche ich mir mehr Gelassenheit, wenn ich mich wieder einmal zu
sehr aufrege. Handkehrum aber auch mehr Lebendigkeit und Engagement, wenn
ich mir etwas nicht so recht zutraue.
Wir sind bestrebt, unser Leben so weit wie möglich selbst zu bestimmen und
nach unseren Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Je mehr wir aber alles
im Griff haben wollen, desto mehr laufen wir Gefahr, einem anstrengenden
Aktivismus zu verfallen und uns zu überfordern. Es ist eine grosse Kunst,
das richtige Mass an Gelassenheit für unser Leben zu finden.
Gelassenheit hat mit lassen zu tun, mit: loslassen zulassen etwas
offen lassen geschehen lassen jemandem etwas überlassen wachsen lassen
sich auf jemanden verlassen.
Gelassenheit braucht Übung. In unserem Alltag können wir sie ausprobieren,
wenn wir uns dem Fluss des Lebens überlassen. Wenn wir versuchsweise die
Dinge für einmal auf uns zukommen lassen: die steten Wellen der Gedanken und
Gefühle, die Freuden und Ängste, den Alltagstrott und die überraschenden
Ereignisse, die Begegnungen und Erfahrungen wie auch die
Widersprüchlichkeiten des Lebens.
Wir machen dann vielleicht die Erfahrung, dass wir nicht alles im Griff zu
haben brauchen, dass uns das Leben mehr Geschenke bereit hält, als wir
meinen, dass das Leben es manchmal besser mit uns meint als wir. Wir spüren
unser wachsendes Vertrauen ins Leben und in uns selbst.
Wir entdecken, dass nicht derjenige souverän ist, der über alles bestimmen
kann, sondern wer zunehmend unterscheiden lernt, wo Gelassenheit angebracht
und wo Selbstbestimmung gefordert ist. Wie das im folgenden Gebet auf
einmalige Weise zum Ausdruck kommt:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern
kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das
eine vom andern zu unterscheiden.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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