Weg-Wort vom 20. Februar 2009
Das Darüber hinaus des Glaubens
Sie fühlte sich von anderen ignoriert und abgelehnt. So zog sie sich zurück,
um dieser schmerzlichen Erfahrung aus dem Weg zu gehen. Die Einsamkeit aber
war für sie noch unerträglicher. Also kehrte sie lieber wieder zurück in die
frühere Ablehnungssituation. Sie gab sich dabei alle Mühe und zeigte sich
von ihrer besten Seite, nur um ein bisschen Aufmerksamkeit und Anerkennung
zu erhalten.
So lebte sie in der ständigen Anspannung, nicht ungezwungen sie selber sein
zu können, sondern immer irgendwelche Erwartungen erfüllen zu müssen. Sie
habe zudem oft gebetet, dass Gott ihr diesen inneren Drang nach Zuwendung
und Angenommensein nehmen möge. Aber genützt habe es nichts.
Der Glaube steht nicht im Widerspruch zu dieser Welt, zu unserem Wissen und
unseren Erfahrungen. Es geht zum Beispiel nicht darum, unser ständiges
Streben nach Anerkennung zu verteufeln, zu verdrängen oder gar wegzubeten
und uns in eine heile Welt zu flüchten.
Im Gegenteil der Glaube unterstützt mich, wahrzunehmen was ist: Dass ich
mich nach Anerkennung und Zuwendung sehne. Dass ich mir zugestehe, wie
empfindlich und verletzlich ich bin. Dass ich zugebe, wie sehr es mich
schmerzt, ignoriert oder gar abgelehnt zu werden.
Glaube bedeutet stets, hinzusehen und wahrzunehmen was ist! Er geht aber
gleich-zeitig über diese Welt hinaus in eine andere Dimension, indem er das
Leben anders deutet: Denn mein Glaube definiert meinen Wert nicht von den
anderen, von der Welt, sondern von Gott her. Von ihm weiss ich mich
angenommen und bejaht in allem, was und wie ich bin.
So kann ich mein Streben nach Zuwendung anerkennen und bejahen. Aber ich
fixiere mich nicht darauf. Mein Befinden ist nicht mehr beherrscht vom
steten Streben nach mehr davon. Ich martere mich nicht damit. Denn mein Wert
hängt nicht davon ab. Und darauf kann ich zudem vertrauen: Gott ist stets
mit mir und gibt mir die Kraft, die ich brauche.
Diese Deutung meines Lebens von Gott her schenkt mir eine grosse Freiheit.
Ich erfahre mich neu. Ich sehe meine Bedürfnisse aus einer anderen Warte,
mit mehr Abstand. Ich bin ihnen nicht ausgeliefert, sondern kann lernen, mit
ihnen in Freiheit umzugehen, da nicht sie meinen Wert bestimmen. So zeigt
meine Erfahrung:
Mit meinem Glauben lebe ich mehr mit dem, was ist intensiver,
unbeschwerter und freier. Ich bin mehr mich selbst. Denn ich habe die
Freiheit, mich zu ändern ohne es zu müssen. Das stärkt die Freude am Leben
und die Lust es zu geniessen.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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Hauptbahnhof Zürich
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