Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 24. April 2017
Zum Glück zwingen
Die Ferienwoche auf einer ostfriesischen Insel in der Nordsee geht langsam aber
unweigerlich zu Ende. Wir überlegen uns, was wir als Mitbringsel unseren Liebsten
mitbringen wollen. Sanddornbonbons für unsere zu Hause gebliebenen Töchter, einen
ortstypischen Likör für eine gute Freundin. In solcher Einkaufsstimmung gehen wir an einem
Kleiderladen vorbei. Unser Sohn zeigt zum Spaß auf die ausgelegten, typisch norddeutschen
Schiffermützen. Meine Frau nimmt die Anregung auf und setzt mir einen dunkelblauen
«Elbsegler» auf den Kopf.
Nach einem kurzen Blick in den Spiegel denke ich: «Nein, sowas würde ich niemals
freiwillig anziehen!» Aber meine Frau ist begeistert. Sie fängt an, auf mich einzureden,
unterstützt von der Ladenbesitzerin.
Ich riskiere einen zweiten und einen dritten Blick in den Spiegel. Zum Spaß entstehen noch
ein paar Handyfotos. Und je länger je mehr merke ich: «Diese Mütze passt zu mir, auch wenn
ich das nie gedacht hätte.»
Wir zahlen und die Verkäuferin sagt mit einem verschmitzten Lächeln: «Man muss Männer
manchmal zu ihrem Glück zwingen.»
Jemanden zum Glück zwingen. Für einen Moment schrecke ich vor dieser Formulierung zurück.
Ich muss daran denken, wie in totalitären Systemen – auch in religiösen – Menschen zu
ihrem vermeintlichen Glück gezwungen wurden. Aber in der konkret beschriebenen Situation
überwiegt tatsächlich das Gefühl von Zufriedenheit und Glück: Es gibt etwas, das zu mir
passt, das mir guttut, worauf ich selber nie gekommen wäre.
Wenn das nicht Glück ist!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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