Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 3. Juli 2017
Süsse Kirschen
Im April hatte ich in den Nachrichten gehört, dass der plötzliche Kälteeinbruch die
Obstblüten bedrohte. Die Bauern bangten um ihre Ernte und damit um ihr Einkommen. Es wurde
gezeigt, wie sie nachts auf den Beinen waren und mit Feuern oder Heizungen verzweifelt
versuchten, die Temperaturen in den Plantagen zu heben. Die Berichte waren dramatisch,
trotzdem hatte ich sie schnell vergessen.
Im Juni wollte ich – wie jedes Jahr – bei der Bäuerin in der Nähe Kirschen kaufen. Wir
wechseln dann immer auch ein paar Worte. Doch diesmal war alles anders: «Der Frost zur
Blütezeit hat alles erfrieren lassen.» sagte sie: «Es gibt dieses Jahr keine einzige
Kirsche an meinen Bäumen!»
Ich bin über mich selbst erschrocken. Im April habe ich keinen Gedanken an die Frau
verschwendet, bei der ich seit Jahren meine Kirschen kaufe. Ich habe nicht damit
gerechnet, dass die Folgen des Frostes mich selber betreffen könnten. Erst jetzt, wo ich
Lust auf Kirschen hatte und es keine gab, ist mir das klar geworden.
Es tut mir leid, dass ich nicht an die Kirschbäuerin gedacht habe. Ich werde in den
nächsten Tagen mal bei ihr vorbeischauen. Ich kann bei ihr keine Kirschen kaufen. Aber ich
kann mich mit ihr ein wenig unterhalten. Es ist nämlich eine sehr nette Frau.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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