Weg-Wort vom 23. Januar 2009
Wie die Wellen des Meeres
Das Leben hat ihn hart angepackt, den etwa vierzigjährigen Mann. Als junger
Erwachsener hatte er sich voller Überzeugung und Kraft in der kirchlichen
Jugendarbeit engagiert. Doch dann verliess ihn seine grosse Liebe. Eine
Krankheit kam dazu, die ihn während längerer Zeit ziemlich plagte. Zu allem
Elend verlor er schliesslich noch seine Arbeit.
Aus jedem Wellental aber hatte er sich immer wieder irgendwie
emporgearbeitet. Doch den Glauben, den hatte er dabei verloren. Er konnte
nichts mehr mit einem Gott anfangen, der das alles in seinem Leben zuliess.
Und der ausserdem zu allem Elend, der Not und Ungerechtigkeit in der Welt
einfach schwieg.
Und nun die Diagnose des Arztes, dass er im besten Fall noch zehn Jahre zu
leben habe! Jetzt musste er reden über seine Ängste und die Verzweiflung,
über seine Not und die Wut. Aber auch über die Zweifel an seinem Unglauben.
Was, wenn es ihn doch gibt, diesen für ihn schweigsamen, abwesenden Gott?
Das Leben ist ein ununterbrochenes Wechselspiel von Glück und Unglück,
Hoffnung und Verzweiflung, Freude und Leid, von Tun und Lassen, von Annehmen
und Verweigern, innerem Gestärktsein und Resignation, von Ablehnung und
Angenommensein
Es ist wie die Wellen des Meeres: zumeist gleitend über die ruhige See, dann
sich in heftigen Stürmen erhebend, mit geballter Kraft sich eine Schneise
bahnend, um alsbald wieder erschöpft und kraftlos in sich zusammenzufallen.
Wir sind in allem gefährdet in unserem Glauben und Hoffen wie auch in der
Liebe, ja in unserem Leben selbst. Nichts ist uns sicher! Wer also zu
stehen meint, der gebe acht, dass er nicht fällt. Noch ist keine Versuchung
über euch gekommen, die den Menschen überfordert. Gott ist treu; er wird
nicht zulassen, dass ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet. Er wird
euch in der Versuchung einen Ausweg schaffen, so dass ihr sie bestehen
könnt. (1Kor 10,12f)
Das ist für uns, die glauben, das einzig Gewisse in unserem Leben: Gott ist
treu! Auf ihn können wir uns verlassen! Weil er uns nicht verlässt. Er ist
immer bei uns. Er freut sich mit uns, wenn es uns gut geht. Bei jedem
Wellental und in jedem Sturm des Lebens aber leidet er mit uns mit, stärkt
uns und gibt uns soviel Mut und Kraft, dass wir bestehen und aufs Ganze
gesehen nicht scheitern.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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