Weg-Wort vom 17. August 2010
Kreative Langeweile
Vielleicht haben Sie es auch in der Zeitung gelesen. Besorgte
Erziehungswissenschaftler meinen, dass unsere Kinder und Jugendlichen zu
verplant seien und kaum mehr Langeweile erlebten. Das gilt vor allem für
diejenigen Kinder und Jugendlichen, die ein enges Betreuungsnetz haben.
Was geschieht eigentlich, wenn es uns langweilig ist? Nun, ich weiss es noch
aus meiner Kindheit. Da waren die ersten zehn bis fünfzehn Minuten, in denen
ich wohl für andere nicht sehr geniessbar war. Aber dann entwickelte ich aus
mir heraus die tollsten Ideen und begann sie umzusetzen. Die Langeweile war
überwunden und ich wandte mich Eigenem, Selbsterdachtem, meist äusserst
Kreativem zu. Ich lernte mit mir selber umzugehen. Eine tolle Sache!
Von Maurice Chevalier ist uns ein tolles Wort überliefert. Er hat einmal
gesagt:
Es gibt Millionen Menschen, die sich nach Unsterblichkeit sehnen, die aber
nicht wissen, was sie an einem verregneten Sonntagnachmittag anfangen
sollen.
Das beobachte ich tatsächlich: Wenn Menschen kein Programm mehr haben, wenn
sie mit sich allein sind, sind sie wie verloren. Sie haben nicht gelernt,
mit sich umzugehen, aus sich heraus etwas zu entwickeln und anzufangen. Sie
sind wie verloren, stürzen sich auf andere und erdrücken diese fast. Meist
haben solche Menschen unheimlich Mühe mit Nähe und Distanz. Wenn sie Distanz
erleben, finden sie sich selber nicht und lehnen sich sofort wieder bei
anderen an. Sie haben nicht gelernt, dass das Erleben von Langeweile der
Schlüssel zum Entdecken von sich selbst und der eigenen Kreativität ist.
Schade! Was geht uns da alles verloren, was diese Menschen sich selber und
uns noch schenken könnten!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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