Weg-Wort vom 23. Februar 2010
Weniger ist mehr!
Sie würde ja noch so gerne abnehmen. Aber auf das Stück Torte nach dem Essen
konnte sie nicht verzichten! Auch nicht, als ihr Überredungsversuch, mich
als solidarischen Mitesser zu gewinnen, fehlschlug. Er wollte schon lange
mit dem Rauchen aufhören. Aber wenigstens die Zigarette nach dem Essen, das
musste einfach sein! Auch wenn er sie draussen vor der Türe rauchen musste.
Wir alle haben solche Art Verzicht auf unsere je eigene Weise schon geübt.
Mit grossen oder kleineren Mühen. Mit mehr oder weniger Erfolg! Verzichten
ist ja nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht in unserer konsum- und
vergnügungsorientierten Gesellschaft
Wobei allerdings gerade die von Werbung und Wirtschaft beabsichtigte, fast
zwanghafte Fixierung der Menschen auf Konsum und Leistung ihrerseits einen
Verzicht provoziert den Verzicht nämlich auf das, was das Leben auch noch
und vielleicht eigentlich ausmacht: Die Freiheit der Entscheidung. Das
Bewusstsein eines selbstverantworteten Lebens. Die Entfaltung des kreativen
Potentials. Das Gefühl, in einer sozial gerechten Welt zu leben
Die vierzigtägige Fastenzeit lädt uns ein, für einmal auf manches zu
verzichten, was uns sonst selbstverständlich ist. Nicht um Disziplin und
Härte sich selbst gegenüber geht es dabei. Vielmehr um die Erfahrung der
Freiheit.
Wenn ich für eine bestimmte Zeit auf etwas verzichten kann wie zum
Beispiel auf Süssigkeiten, Alkohol usw. weiss ich, dass ich meinen
Bedürfnissen nicht hoffnungslos ausgeliefert bin. Ich bin frei zu
entscheiden, was ich will und was nicht. Wer nicht mehr frei ist, läuft
Gefahr, sich immer mehr treiben und von aussen bestimmen zu lassen.
Die Fastenzeit ist darum eine gute Gelegenheit, uns zu beweisen, dass wir
noch freie Menschen sind als starkes Zeichen unserer Würde.
Eine Existenzkrise habe seinem Leben eine Wende gegeben, meinte mein
Gegen-über im Gespräch: Durch sie wurde er innerlich frei, auf den weiteren
Ausbau der Karriere zu verzichten, auf sein ehrgeiziges Überengagement in
vielen Bereichen seines Lebens und auf die stete Vermehrung der materiellen
Güter.
Was er dabei gewann: Eine so nie gekannte Freiheit, sein Leben ihm
entsprechend zu gestalten. Zeit für die Liebe, für die Kinder und die
Freunde, für seine künstlerischen Begabungen. Dazu ein unglaublicher
Reichtum an innerer Ruhe, Gelassenheit sowie eine tiefe Dankbarkeit dem
Leben, den Mitmenschen und Gott gegenüber.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorgenden der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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