Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 15. Mai 2019
Angstfrei
Während unseres Urlaubs in Berlin nahmen wir an einer Führung durch das ehemalige
Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen teil. Uns führte ein Herr, der selbst unter
dem DDR Regime gelitten hatte. Er war als junger Mann zweimal von der Staatssicherheit in
U-Haft genommen worden.
Die persönlichen Schilderungen eines Zeitzeugen, der psychische Folter selbst erlebt
hatte, beeindruckten uns mehr als die ganze Anlage mit ihren Gegenständen und
Einrichtungen. Dieser Mann hatte während seiner Haft nicht gewusst, wo er war. Er hatte
monatelang systematischen Schlafentzug erlebt. Der Kontakt zu seiner Familie war ihm
verweigert worden. Nach der Wende fand er heraus, dass seine vermeintliche Jugendliebe
eine von mehreren Stasispitzeln war, die auf ihn angesetzt worden waren. Trotzdem wirkte
er auf mich nicht verbittert, sondern strahlte Lebensfreude aus.
Zum Schluss führte er uns in die sogenannte Freigangzelle. Das ist ein kleiner ummauerter
Hof, der oben mit einem Maschendrahtnetz verschlossen ist. Auf dem erhöhten Umgang
patrouillierten früher bewaffnete Aufseher.
In dieser bedrückenden Atmosphäre hielt er ein Plädoyer für die Freiheit:
«Die Freiheit ist in Gefahr, wenn Menschen anderen Menschen Angst machen. An diesem Punkt
gleichen sich alle totalitären Systeme: sie schalten mit Angst und Einschüchterung Kritik
aus um Menschen gefügig zu machen. Das war so bei den Nazis und es war so bei den
Kommunisten. Und es ist heute noch so.
Seien Sie wachsam und trauen Sie Sich zu widersprechen!»
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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