Weg-Wort vom 23. März 2007
Oasen im Alltag
Gerade wenn ich es am nötigsten hätte, lasse ich mich selbst im Stich. Wenn
ich unter Druck bin, wenn ich zehn Dinge auf einmal erledigt haben sollte
und nicht mehr weiss, wo mir der Kopf steht, gerade dann nehme ich mir keine
Zeit mehr für mich selbst, um in Ruhe nachzudenken und zu mir selber zu
kommen. Es ist wie ein Teufelskreis.
Für den viel beschäftigten Geschäftsmann war es zwar schon klar: Je mehr er
gefordert war, desto mehr brauchte er eine gute, gesunde Distanz zu den
Geschehnissen, um sich nicht von ihnen überrollen zu lassen. Aber gerade das
passierte ihm immer wieder.
Unsere Kultur ist geprägt von immer mehr, immer schneller. Zunehmende
Sachzwänge und Belastungen verleiten uns dazu, uns im Alltag immer weniger
Zeit zu nehmen, um kurz innezuhalten, aufzuatmen und neue Kräfte zu tanken.
Wir sind dadurch in Gefahr, uns vermehrt in den Ereignissen zu verlieren und
von ihnen gelebt zu werden.
Mystikerinnen und Mystiker aller Religionen zeigen uns einen anderen Weg.
Sie ermutigen, sich gerade auch für Zeiten grosser Belastung Oasen des
Rückzugs und der Stille mitten im Alltag zu schaffen: tief durchzuatmen, in
sich hinein zu spüren, ganz bei sich zu sein, über das eigene Ich hinaus zu
hören.
Es braucht diese täglichen Momente der Stille und der Einsamkeit, um uns auf
das Wesentliche zu konzentrieren, um zum Kern unseres Daseins zu gelangen.
Um die innere Stimme zu vernehmen, die unser Leben leitet. Um Zugang zu
erhalten zu den Quellen unserer Kreativität, unserer Entschiedenheit und
Kraft und sie für unser Leben fruchtbar werden zu lassen.
Wenn du einmal weißt, was inneres Leben ist, wirst du auch mit dem
schwersten äusseren Leben fertig.
(Karl Pfleger, Pfarrer und Schriftsteller)
Sorge nicht um das, was kommen mag,
weine nicht um das, was vergeht;
aber sorge, dich nicht selbst zu verlieren,
und weine, wenn du dahintreibst im Strom der Zeit,
ohne den Himmel in dir zu tragen.
(Friedrich Schleiermacher, Philosoph)
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Hauptbahnhof Zürich
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