Weg-Wort vom 12. August 2010
Zur Ruhe kommen
Seine Frau wollte für einmal allein wegfahren, um eine Woche in Ruhe über
sich, ihre Ehe, ja ihr ganzes Leben nachzudenken. Auch von ihm wünschte sie
sich während dieser Zeit eine Art Standortbestimmung über sein Leben.
Morgen nun sollte sie zurückkommen, und er wusste nicht, was er ihr sagen
wollte. Es war immer so viel los, dass er keine Zeit hatte, sich auf ihren
Wunsch einzulassen. Zudem wusste er gar nicht, wie er das machen sollte.
Immer wenn er es versuchte, musste er seine innere Unruhe sofort mit etwas
anderem übertönen.
Viele Menschen gestalten ihre Tage so, dass keine Zeit übrig bleibt für Ruhe
und Stille. Selbst am freien Wochenende und sogar im Urlaub ist jeder Tag
mit betriebsamem Tun ausgefüllt. Und wenn mal gerade nichts los ist, sind
Fernsehen, Internet und Handy jederzeit griffbereit.
Wir aber brauchen die Stille, um zu uns selbst zu kommen. Für den
Philoso-phen Ludwig Wittgenstein sind die Probleme des Lebens an der
Oberfläche unlösbar und nur in der Tiefe zu lösen. Wir finden uns selbst
erst, wenn wir uns unserer inneren Welt öffnen. Sie hat vielfältige Stimmen,
die gehört und ernst genommen werden wollen.
Um aber zur Ruhe zu kommen, muss ich zuerst die innere Unruhe aushalten. Und
nicht dagegen ankämpfen, sonst werde ich sie nie los! Bewusst wahr-nehmen
und ansehen, was da alles in mir auftaucht auch das Unangeneh-me,
Bedrohliche und Angstauslösende und es dann wieder loslassen. So wie die
Gedanken, die kommen und gehen. Alles darf sein. Ich schaue meine ganze
innere Unruhe an, wie sie aufsteigt, stärker wird und wieder verebbt.
Mit der Zeit kann ich mit ihr sein. Sie bestimmt mich nicht mehr. Sie ist
nur noch ein Teil von mir. Ich komme zur Ruhe im Aushalten der Unruhe in
mir.
Erst aus dieser Ruhe heraus kann ich mich dem ganzen Reichtum meiner inneren
Welt öffnen. Und in der Stille wachsen lassen, was da in mir reifen und mit
der Zeit neu Gestalt annehmen möchte.
Die Ferienzeit ist eine gute Gelegenheit, das Ruhigwerden einzuüben!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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