Weg-Wort vom 8. April 2009
Hat Gott denn kein Herz?
Von der unheilbaren Krankheit gezeichnet kann er nicht an einen lieben Gott
glauben. Ein Gott, der soviel Leid und Elend auf der Welt zulässt, der kann
für ihn kein gütiger Gott sein! Er habe die Welt zwar erschaffen und ihm das
Leben geschenkt. Das glaubt er schon. Und er werde es ihm bald wieder
zurückgeben. Aber mehr als ein ferner Schöpfer ist dieser Gott nicht für
ihn.
Wir wissen zwar, dass das Leiden zum Menschsein gehört. Nur durch die
Geburtswehen werden wir Mensch. Und die Geschichte der Menschheit ist immer
auch eine Leidensgeschichte. Aber letztlich ist und bleibt das Leiden für
uns ein abgrundtiefes Geheimnis. Es erscheint uns wie die dunkle Farbe im
prächtigen Gemälde der Schöpfung Gottes.
Hilfreich für mich ist der Gedanke, dass Gott uns die Freiheit geschenkt
hat, damit wir lieben können. Denn ohne Freiheit gibt es keine Liebe. Lieben
können wir nur in Freiheit. Der Preis der Freiheit aber ist das Leiden.
Gott will mit uns Menschen eine Geschichte der Liebe. Denn er ist Liebe
und sonst nichts! Aber er nimmt uns auch radikal ernst und respektiert
unsere Freiheit zu lieben oder nicht zu lieben. Das zeigt das Gleichnis
vom Unkraut im Weizen: Der Gutsherr will nicht, dass man das Unkraut im
Weizen ausreisst, da man dabei den Weizen mit ausreissen könnte. Beides soll
wachsen bis zur Ernte. (Mt 13,24-30)
Das Nicht-Lieben, der Missbrauch der Freiheit aber ist das Leiden, der
Schmerz Gottes. Jesus hat sich am Kreuz dem menschlichen Freiheitsmissbrauch
ausgesetzt. Er liess das Böse an sich auslaufen und führte es nicht weiter,
wie zum Beispiel mit Gegengewalt, sondern er trug es und hielt ihm stand:
Am Kreuz schreit die verratene Liebe!
Als Christ in der Nachfolge Jesu leben heisst darum:
Sich mit keinem abschaffbaren Leid abzufinden, sondern dagegen anzugehen
tatkräftig und im Gebet.
Gegen das unabwendbare Leid nicht zu kämpfen, sondern es auf sich zu nehmen.
Wer das eigene, nicht abschaffbare Leiden anzunehmen vermag, darf weinen und
wehklagen und am Ende der Klage bitten:
Gott, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern
dein Wille geschehe, auch wenn ich ihn nicht verstehe. Und schenk mir trotz
allem die Kraft zu lieben, jeden Tag neu zu lieben.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
info(a)bahnhofkirche.ch