Das Weg-Wort Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 5. Dezember 2019
ichten
Gedanken zu unserer Krippe
Die Weihnachtskrippe in unserem Raum der Stille kommt dieses Jahr aus
Auschwitz. Der Künstler Jan Staszak hat die Figuren aus Holzresten
geschnitzt, die er am Ende des Krieges im zerstörten Konzentrationslager
gesammelt hat.
Darunter sind auch angesengte Stücke.
Versengtes Holz: Zeuge der Vernichtung, des Todes.
Die Krippenfiguren: Sprachlos gewordene Zeugen des Grauens?
«Kann man nach Auschwitz noch beten?» So hat der am Montag verstorbene
grosse Theologe Johann Baptist Metz gefragt.
Solche Fragen stellen sich auch angesichts dieser Krippenfiguren:
Die Geburt Jesu, die Menschwerdung Gottes dargestellt im Holz von
Auschwitz? Verhöhnt das nicht die Opfer?
Metz Antwort lautete, Beten sei möglich, weil Juden in Auschwitz gebetet
hätten.
Der jüdische Dichter Paul Celan, der seine Eltern im Konzentrationslager
verloren hat, hat das folgende Gedicht geschrieben so etwas wie ein Gebet
nach Auschwitz:
Einmal
da hörte ich ihn,
da wusch er die Welt,
ungesehn, nachtlang,
wirklich.
Eins und Unendlich,
vernichtet,
ichten.
Licht war. Rettung.
(aus: Paul Celan, Atemwende, 1967)
Celan kann nur noch in Gegensätzen und Widersprüchen von Gott reden: Man
hört ihn, sieht ihn nicht. Ist er wirklich? Oder vernichtet? Die
herkömmliche Sprache greift nicht mehr: «ichten».
Dann war Licht und Rettung: Durch Gott? Oder wen? Und: War es nur? Kann es
je wieder werden?
Mit freundlichen Grüssen
Auschwitz-Krippe, Jan Staszak
Ihre Bahnhofkirche
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