Weg-Wort vom 16. August 2006
Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen
Seit dem frühen Morgen sassen wir wegen eines Sturmes im Transitraum des
Flughafens fest, ohne die Möglichkeit etwas zu essen. Gegen Mitternacht
luden uns Angestellte der Flugabfertigung wie selbstverständlich zum Essen
ein bei ihnen daheim. Anschliessend brachten sie uns zurück zum ersten Flug
des neuen Tages. Wir waren tief berührt von der spontanen und herzlichen
Gastfreundschaft. Sie teilten mit uns das Wenige, das sie hatten. Dieses
unverhoffte Geschenk werden wir nie vergessen.
Und das ausgerechnet in einem Land, dessen korrupte Machthaber das der
Bevölkerung vorenthaltene Geld im reichen Westen, auch auf Schweizer Konten,
versteckt haben. In einem Land, dessen Rohstoffe und Produkte seit
Jahrzehnten von den wohlhabenden Ländern, auch von uns Schweizern,
ausgebeutet werden durch unfairen Handel, einseitig von der Macht diktiert.
Und wir? Sind wir wirklich nicht mehr in der Lage und bereit, den wenigen
Menschen, die ihr Land aus Not, Elend und Angst verlassen haben und zu uns
gekommen sind, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, solange sie hier
sind?
Unser Staat hat sich der Wahrung der Menschenwürde als Grundrecht unserer
Gesellschaft verpflichtet. Nach unserer humanitären Tradition ist darum die
Würde des Menschen nicht verhandelbar. Wir können sie nicht abhängig machen
von der Herkunft oder dem Wohlverhalten. Denn sie gilt zu allen Zeiten und
an allen Orten.
Für Christen gründet dieser bedingungslose Schutz der Würde eines jeden
Menschen auch im Glauben, wonach jeder Mensch, ausnahmslos jeder Mensch,
nach dem Bild Gottes geschaffen ist.
Wir brauchen darum Gesetze, welche die grundlegenden Rechte und die Würde
jedes Menschen bedingungslos respektieren und gleichzeitig die Einwanderung
in unser Land angemessen und sinnvoll regeln.
Wir brauchen aber auch eine attraktive Rückkehrhilfe, eine wirkungsvolle
Entwicklungshilfe sowie einen fairen, gerechten Handel, die den Menschen in
ihrem eigenen Land ein Auskommen und ein menschenwürdiges Leben ermöglichen
helfen.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche