Weg-Wort vom 10. Oktober 2008
Unterbrechung
Die kürzeste Definition von Religion: Unterbrechung das schreibt der
Theologe Johann Baptist Metz. Wenn unsere Alltagsroutinen, der
24-Stunden-Rhythmus von Arbeit, Freizeit und Schlaf uns innerlich und
äusserlich narkotisieren, fehlen uns notwendige Zwischenräume.
Rationalität, Versachlichung, das Kalkül des Nutzens und die fortschreitende
Beschleunigung lassen uns effizient und erfolgreich sein, aber genügt das?
Braucht es nicht Freiräume, die für eine heilsame Unterbrechung sorgen, die
Raum frei werden lassen, um zu uns zu kommen? Gibt es überhaupt noch Räume,
die uns nicht funktionalistisch bestimmen und besetzen? Und wo sind sie?
Die Schönheit eines Kunstwerkes, einer Symphonie, eines Jazz-, Klassik- oder
Pop-Stückes, eines Kinofilmes, eines Romans, eines Gedichtes lassen uns
spüren, dass es ein Mehr gibt. Das Einlassen auf die Schönheit bedeutet die
Erfahrung des Ausseralltäglichen, des Besonderen, des Anbetungswürdigen
und damit wird sie zur Erfahrung der Unterbrechung unserer alltäglichen
Selbstverständlichkeiten.
Die Schönheit lässt uns staunen, aufmerken und lässt Sehnsucht und
Leidenschaft aufscheinen. Die Schönheit lässt uns innehalten, unterbricht
unseren schnellen Schritt, will Tiefenerfahrung im Stehenbleiben. Die
Religion, so Metz, braucht Unterbrechung, um bei den Menschen anzukommen.
Und vielfach zielt kirchliches Handeln darauf hin: der Gottesdienst ist
Unterbrechung, das gesungene Lied, das Gebet. Aber genauso gilt auch: das
Anschauen eines Bildes, der Klang der Musik, die Worte der Literatur, die
Sprache eines Filmes oder der Kunst, das Geniessen der Natur eröffnen ebenso
Möglichkeiten von religiöser Erfahrung und Gottesbegegnung.
Am Sabbat, schreibt Erich Fromm, lebt der Mensch, als hätte er nichts,
als verfolgte er kein Ziel ausser zu sein, das heisst seine wesentlichen
Kräfte auszuüben beten, studieren, essen, trinken, singen, lieben.
Kein schlechtes Konzept.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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