Weg-Wort vom 20. Mai 2010
Sicher kennen Sie das Sprichwort. Immer wieder machen wir diese Erfahrung.
Da entscheiden und handeln wir nach bestem Wissen und Gewissen, und am Ende
kommt nichts ausser Kritik. Das passiert am Arbeitsplatz, aber auch mit der
besten Freundin und mit dem guten Kollegen oder sogar mit dem Partner, der
Partnerin. Ich kann es einfach nicht immer allen recht machen, auch wenn ich
mich noch so sehr bemühe. Es gibt eben nicht nur immer richtig oder falsch,
gut oder schlecht. Hören wir auf jeden Kritiker und befolgen jeden
Ratschlag, haftet uns bald das Image an, keine eigene Meinung zu haben oder
uns einzuschmeicheln, indem wir jedem nach dem Mund reden. Wohin das führen
kann, zeigt eine Geschichte des Lehrers, Theologen und Dichters Johann Peter
Hebel, dessen 250. Geburtstag ihn wieder in unsere Erinnerung bringt:
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Hause und lässt seinen Buben zu Fuss
nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: Das ist nicht recht, dass Ihr
reitet und lasst Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder. Da stieg der
Vater vom Esel und liess den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wanderer und
sagt: Das ist nicht recht, Junge, dass du reitest und lässt deinen Vater zu
Fuss gehen; du hast jüngere Beine. Da sassen beide auf und ritten eine
Strecke. Kommt ein Dritter und sagt: Was ist das für ein Unverstand: zwei
Kerle auf einem schwachen Tier; sollte man nicht einen Stock nehmen und euch
beide herunter jagen? Da stiegen beide ab und gingen alle drei zu Fuss.
Rechts und links Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. Kommt ein
vierter Wanderer und sagt: Ihr seid drei komische Gestalten. Ists nicht
genug, wenn zwei von euch zu Fuss gehen? Gehts nicht leichter, wenn einer
von euch reitet? Da banden Vater und Sohn dem Esel die Vorder- und
Hinterbeine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch und trugen den
Esel auf den Schultern heim.
So weit kann es kommen, wenn man es allen immer recht machen will.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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