Weg-Wort vom 16. September 2010
Ein Gebet
Nimm mich dahin mit, wohin ich gehen soll, lass mich die treffen, die ich
treffen soll, sage mir, was ich sagen soll und lass mich Dir nicht im Wege
stehen.
Auf einem kleinen Zettel steht dieses Gebet. Ich trage ihn schon Jahre im
Portemonnaie und er ist deshalb zerrissen, auch schweissgetränkt. Bevor es
nicht mehr lesbar ist, wollte ich das Gebet aufschreiben. So, wie es auf dem
Zettelchen steht, ist es von Pater Mychal Judge, Feuerwehrseelsorger in New
York, gestorben am 11. September vor zehn Jahren.
Der Führung Gottes vertrauen, das ist ein Unternehmen, das herausfordert. Es
ist gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Du kannst Ihm auch im Wege
stehen, wenn du meinst, Er führe dich.
Das ist so mit der Berufung. Du fühlst dich berufen auf eine Stelle und
meinst damit sei das, was du tust, schon von vornherein gut und richtig. Du
bist aber nicht der einzige, der sich berufen weiss. Aber diese Person ist
so ganz anders, sie glaubt anders, sie betet anders, überhaupt, sie passt so
gar nicht in deine Vorstellung von Glauben und Gott und Frömmigkeit hinein.
Was machst du dann? Wer ist im Recht, wer ist wahrhaft berufen? Nur du, nur
sie, beide sogar?
Warum bist du dieser Person begegnet? Wäre es nicht einfacher, du hättest
einfach mit deinen Glaubensbrüdern und Schwestern dein Leben gestalten
können.
Ja, das wäre es: Eintauchen in die wohlige Vertrautheit gleichen Glaubens
und gleicher Frömmigkeit. Du kannst dich darin wohlfühlen und brauchst
eigentlich keine fremden Formen , die stören nur.
Und dann wirst du trotz allem in ein Leben hineingestellt, das dich und
deine Glaubensart herausfordert, irritiert, befremdet, zum Gespräch und zur
Auseinandersetzung antreibt und dir mindestens sagt: Du bist mit deiner Art
zu glauben nicht alleinseligwerdend.
Es gibt noch andere auf der Welt. Lass dich auf sie ein. Lass sie zu, lass
dich in Frage stellen, denn die andern beten vielleicht das gleiche Gebet
wie du und hoffen dabei auch, Gott nicht im Wege zu stehen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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