Weg-Wort vom 12. September 2007
Spurensuche nach Gott
Seitdem es Menschen gibt, sind sie auf Spurensuche. Es begann mit den Spuren
von Tieren, um sie zu jagen; mit den Spuren von Feinden, um sich von ihnen
zu befreien. Spurensuche in unserer Zeit kennen wir vor allem von Krimis
her: Spuren in Fingerabdrücken, Fussspuren, Blutstropfen. Eine für uns
wichtige Spurensuche ist die Suche nach uns selbst. Woher kommen wir? Wer
bin ich? Wir finden Antworten auf diese Fragen, und zugleich bleiben wir uns
selber stets ein Geheimnis.
Es geht nicht nur darum, Spuren zu suchen, sondern auch zu deuten. Seit
Jahrtausenden deuten Menschen die Spuren in der Natur als Hinweis auf
überirdische Kräfte, auf eine Gottheit, die sich in diesen Spuren offenbart.
Sie glauben, dass hinter der Vielfalt des Lebens ein Schöpfergott steht, der
die Gestirne an den Himmel gesetzt, die Berge getürmt, die Meere
ausgegossen, die Bäume gepflanzt, die Tiere und schliesslich die Menschen
geschaffen hat. Sie glauben, dass so komplizierte Organismen wie die Blume,
ein Vogel, der Mensch nicht durch blinden Zufall entstanden sind.
Wichtig für den Menschen ist aber die Frage, wie diese Gottheit zu uns
Menschen steht. Was ist das für einer, dessen Spuren wir gefunden haben? Ist
er weit weg, interessiert er sich für seine Geschöpfe? Bestimmt er alles,
auch mein Leben? Weiss er um mich? Steht er in einer Beziehung zu mir?
Für uns Christen und Christinnen haben diese Fragen ihre Antwort in Jesus
Christus, der sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Von ihm
wissen wir, dass dieser Gott uns ganz nah, ganz persönlich, ganz wirklich
ist, dass er gleichsam jeden Moment um die Ecke kommen kann.
Trotzdem bleibt auch der Christ ein Spurensucher. Er sucht in alltäglichen
Ereignissen und aktuellen Erfahrungen, ob er darin den Gott des Lebens
entdecken kann. Er fragt besonders in schwierigen Situationen, ob und wie
darin die Fussspuren Gottes zu finden sind. Und er fragt angesichts von
Krieg und Flucht, angesichts der Not von Millionen Menschen, wo denn Gott
geblieben ist.
Die Spurensuche begleitet uns Menschen bis zum Tod, denn immer schauen wir
nur im Spiegel auf die vielen Geheimnisse unseres Lebens. Erst der Tod wird
unsere Spurensuche beenden, wenn an die Stelle unserer Deutungen einmal so
hoffen wir die Schau tritt.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche