Weg-Wort vom 3. Februar 2011
Die Kraft der Erinnerung
Manchmal passiert es, dass eine Beziehung aufhört. Bricht sie ab, dann sind
Bruchstellen zu sehen. Wird sie abgeschnitten, dann kann man auf hoffentlich
saubere Schnittstellen schauen. Zerreisst sie, so sieht man da und dort noch
Fäden am Riss, Fäden, die auf die Wunde verweisen. Weh tun sie allemal, aber
glücklicherweise heilen die meisten solcher Beziehungswunden mehr oder
weniger schnell. Sie hinterlassen Narben und Narben erzählen ganz viel. Sie
erzählen von Beziehungen, die der Vergangenheit angehören, die vorbei sind.
Das kann wehmütig machen. Aber sie erzählen auch von der intensiven und
guten Zeit der Beziehung.
Wie sehr hat der Mann geleuchtet und sich aufgerichtet, als er von der
langen und guten Ehe mit seiner Frau erzählte und er erzählte so lebendig,
dass ich die Beiden als junges Liebespaar dem Ufer des Lago Maggiore entlang
flanieren sah. Fahrig und zitternd war er hereingekommen, kraftvoll und
voller Lebensmut ging er wieder hinaus. Seine Fragen blieben bestehen,
Einiges konnte geklärt werden, aber längst nicht alles. Doch ihm war viel
wichtiger die Energie, die er aus der Erzählung von seiner Frau schöpfen
konnte. Ein wunderschönes Erlebnis war es mitzuerleben, wie sich sein
gebeugter Körper aufrichtete, seine stumpfen Augen zu strahlen begannen, zu
leuchten, als wäre von einem Moment zum andern ein Licht angezündet worden,
ja viel mehr ihm ein Licht aufgegangen.
Es geht nicht nur darum, Vergangenem nachzutrauern das gehört zum Leben,
aber es ist nicht das Einzige. Wer dem Verlust einer Beziehung nachtrauert,
der weiss auch um ihre Schönheit und nicht nur das Eine gehört in unsere
Gegenwart, auch das andere.
Es geht nicht um die Frage, wie wäre es, wenn, sondern darum aus der
Schönheit der Vergangenheit Kraft und Freude zu schöpfen. Kraft und Freude
für ein Leben im Jetzt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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