Weg-Wort vom 24. September 2009
Wo die Liebe fehlt
Bestimmte Wörter sind so abgenutzt und abgedroschen, dass ich sie am
liebsten für eine Weile aus dem Sprachgebrauch verbannen möchte. Dazu gehört
für mich auch das Wort Liebe. Was wird doch nicht alles als Liebe
bezeichnet und mit der Liebe begründet!
So können wir nur versuchen, das mit dem Wort Gemeinte konkret und griffig
zu umschreiben. Einen anderen lieben heisst: sich um ihn kümmern; für ihn
sorgen; für ihn da sein; wünschen, dass es ihm gut geht; ihn nicht
verletzen; ihm geben, was er braucht. All das sind Äusserungen der Liebe.
Dem Geheimnis der Liebe kommen wir vielleicht noch besser auf die Spur, wenn
wir schildern, wie es ist, wenn die Liebe fehlt, wie es der chinesische
Weisheitslehrer Laotse tut:
Pflichtbewusstsein ohne Liebe macht verdriesslich
Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos
Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart
Wahrhaftigkeit ohne Liebe macht kritiksüchtig
Klugheit ohne Liebe macht betrügerisch
Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch
Ordnung ohne Liebe macht kleinlich
Sachkenntnis ohne Liebe macht rechthaberisch
Macht ohne Liebe macht grausam
Ehre ohne Liebe macht hochmütig
Besitz ohne Liebe macht geizig
Glaube ohne Liebe macht fanatisch.
Liebe ist mehr als Pflichterfüllung. Die beste Absicht kann sich ins
Gegenteil verkehren, wenn dabei die Liebe fehlt, die Freude an der Sache,
der Funke der Begeisterung, das Wohlwollen für den Mitmenschen. Ist in
meinem Verhalten etwas davon spürbar? Können Menschen darin die Grundhaltung
der Liebe erkennen?
Die Liebe bleibt das Kriterium unseres Lebens. Indem wir diese Liebe leben,
nehmen wir vorweg, was bleibt und am Ende zählt. Albert Schweitzer hat das
so auf den Punkt gebracht: Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der
Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir weggehen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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