Weg-Wort vom 9. Juni 2008
Die Kraft der Ohnmächtigen
Es ist unerträglich! Da hungert fast eine Milliarde Menschen. Nun steigen
zusätzlich die Preise der Lebensmittel dramatisch. Und wir stellen
Treibstoff her aus Lebensmitteln! Damit wir ja nichts von unserer
Bequemlichkeit preisgeben müssen.
Viele Menschen sind empört. Sie fühlen sich aber auch ohnmächtig und hilflos
angesichts der Übermacht derjenigen, die das Sagen und das Geld haben auf
dieser Welt. Sie leiden darunter, ohne Chance zu sein gegen die Mächte des
Unrechts und der Willkür.
Was aber können wir tun, wenn wir nichts ändern können?
Der Psalm 129 gibt uns einige Hinweise.
Das von einer fremden Macht unterdrückte Volk der Israeliten schliesst sich
zusammen, pilgert nach Jerusalem ins Zentrum der Macht, um lauthals gegen
Unterdrückung und Unrecht zu protestieren.
Beim Tempel des Herrn erinnern sie sich aber auch gemeinsam der bisher
erfahrenen Treue Gottes: Hart haben sie uns zugesetzt von Anfang an, doch
niemals konnten sie uns vernichten ... Der Herr ist treu. Er hat uns aus der
Gewalt der Bösen befreit ... Zurückweichen müssen sie und sich schämen.
Keine Macht des Unrechts konnte sie bisher bezwingen. Jede Gewaltmacht
zerbrach schliesslich!
Zugleich hoffen, bitten und beten sie gemeinsam, dass die Saat des Unrechts
nicht aufgeht, dass es für die Gewaltherrscher keine Ernte gibt: Es ergehe
ihnen wie dem Gras auf den Dächern: Die Halme verdorren, bevor sie
aufgeschossen sind. So können alle sehen, dass auf dem Unrecht kein Segen
ruht.
Wo immer Unrecht und Gewalt herrschen in Familien, Schulen und Betrieben, in
der Wirtschaft wie in der Politik wir sollen alles tun, was in unserer
Macht liegt:
Wir können und sollen zusammenstehen, das Unrecht benennen und lautstark
dagegen protestieren.
Wir können uns gemeinsam erinnern an den Zerfall von Gewaltherrschaft und
Unrecht in unserem Leben wie in der Geschichte unserer Welt und uns
gemeinsam freuen an gegenseitiger Achtung, erfahrenem Recht und gelebter
Gerechtigkeit.
Und wir können Gott gemeinsam und mit unserer ganzen Kraft bitten, er möge
das Unrecht austrocknen lassen und das Recht segnen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
www.bahnhofkirche.ch