Das Weg-Wort Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 27. Mai 2020
Bestürzend
Manchmal ist es zum Verzweifeln mit ihm! Man möchte seine Ruhe, aber er
lässt einen nicht allein. Man begibt sich hierhin oder dorthin, immer ist er
auch da.
Es ist, als ob er sich festgekrallt hätte; oder riechen würde, wo man
hinwill. Es scheint kein Entrinnen zu geben vor ihm.
Ihm - diesem Gott. Dem allgegenwärtigen. Dem Gott der Bibel, der immer schon
da war. Dieser persönliche Gott, der einen Beziehungshunger nach seinen
Menschen hat.
Von dem es heisst, er kenne mich und er lasse nicht ab von mir.
Wenn man den Psalm 139 in der Bibel liest, dann erhält man den Eindruck,
dass der Mensch, oder die Menschen, die dieses Lied geschrieben haben, die
Erfahrung der Nähe Gottes manchmal kaum aushalten.
Zum Beispiel die Verse 7-10:
«Wohin soll ich gehen vor deinem Geist und wohin fliehen vor deinem
Angesicht? Stiege ich hinauf zum Himmel, du bist dort, und schlüge ich mein
Lager auf im Totenreich, sieh, du bist da.
Nähme ich die Flügel der Morgenröte und liesse mich nieder am äussersten
Ende des Meeres, auch dort würde deine Hand mich leiten und deine Rechte
mich fassen.»
Von einer veritablen Gottesflucht ist hier die Rede. Eine Flucht, die bis in
die Unterwelt führt. Aber überall greift einen die Hand Gottes.
Dass die biblische Vorstellung des allgegenwärtigen Gottes, der uns
persönlich zugewandt ist, auch etwas Überwältigendes hat, erlebt man
vielleicht noch als Kind.
Das Schaudern, dass Gott alles sieht und sogar weiss, was man denkt! Sonst
aber reden wir kaum davon. Zum Glauben gehören aber auch bestürzende
Erfahrungen und fremde Bilder.
Das geht nicht einfach immer schön auf. Diese Seiten des Glaubens ernst zu
nehmen, heisst nicht, nicht auch die andere zu kennen: Diese ungeheuer
tröstende und poetische Seite:
Mit dem 4. Vers des Psalms: «Hinten und vorne hältst du mich umschlossen,
und deine Hand hast du auf
mich gelegt.»
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Abbildung: Sigmar Polke, Achat-Steinschnitt Fenster, Grossmünster Zürich,
2009. Foto: Erwin Meier, 2017. Wikimedia commons
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
info(a)bahnhofkirche.ch <mailto:info@bahnhofkirche.ch>
www.bahnhofkirche.ch <http://www.bahnhofkirche.ch/>
www.offene-tuer.net <http://www.offene-tuer.net/>
https://www.bahnhofkirche.ch/weg-wort-abonnieren-abbestellen/