Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 15. Mai 2020
Naturgewalt
Am 2. September 1806 geriet nach heftigen Regenfällen der Hang am Rossberg
in Bewegung, ein Bergsturz gewaltigen Ausmasses rutschte ins Tal und, begrub
die Siedlungen Röthen und Goldau unter sich. Eine Welle von Schutt und
Felsen brandete an den Fuss der Rigi auf der gegenüberliegenden Talseite,
löste im Lauerzersee eine Springflut aus und hinterliess in weniger als fünf
Minuten eine riesige Spur der Verwüstung. Während meiner Wanderung auf den
Gnipen und Wildspitz konnte ich am vergangenen Wochenende die Abbruchstelle
selbst in Augenschein nehmen und geriet in Erstaunen über die noch heute
sichtbaren Auswirkungen der Naturgewalt.
Vorhandene Vorzeichen nahmen damals viele nicht ernst und blieben passiv.
Allein in Goldau kamen über 450 Menschen ums Leben. Viele der Überlebenden
in der Region verloren ihre Existenzgrundlage. Die Tragödie löste eine
andere Welle aus, eine der Solidarität. Bereits am folgenden Tag trafen
Helfer ein. Kurz darauf wurde die erste grosse landesweite Spendensammlung
organisiert. Mit dem Bergsturz machte die Schweiz die Erfahrung eines kaum
je dagewesenen nationalen Zusammenhalts.
Schnell stellte sich eine dritte Welle ein, der Versuch, von der Katastrophe
zu profitieren. Fremde Bettler kamen in die Gegend und gaben sich als
Geschädigte aus. Eine Gangsterbande soll sogar in New York Spenden gesammelt
haben unter dem Vorwand, sie seien zugunsten der Bergsturz-Opfer.
Naturereignisse werden wohl nie ganz kontrollierbar sein. Entscheidend ist,
wie wir Menschen darauf reagieren. Und ich frage mich: Was fördert
solidarisches Verhalten? Was vermindert, dass einige die Notlagen ausnutzen?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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