Das Weg-Wort Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 17. September 2020
Gottesreinigung
Jetzt ist er wieder im Spital. Der Tumor frisst sein Hirn auf. Er ist fast
völlig erblindet, und sein Denken wird zunehmend zerzaust. Er hat Angst.
«Ich lebte ruhig, da hat Gott mich erschüttert und hat mich beim Nacken
gepackt und zerschmettert, und als seine Zielscheibe hat er mich
hingestellt.»
Er war überzeugter Christ. Mitglied einer Freikirche. Gott hat ihn getragen
und geführt glaubte er. Aber jetzt diese quälende Unruhe, diese
Panikanfälle. Diese Gottesferne.
«Gott hat mich in den Dreck geworfen, ich bin wie Staub und Asche geworden.
Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht»
Ein Pfarrer kommt zu Besuch. Er packt seine Hände. Er ist pure Angst. Der
Pfarrer beugt sich zu ihm. Da schlingt er die Arme um seinen Hals und drückt
ich an seine Brust. Und heult, heult, heult.
«Ich weiss, Gott: Du treibst mich in den Tod, in das Haus, wo alles, was
lebt, sich versammelt. Doch streckt man nicht die Hand aus, wenn man unter
Trümmern liegt, und schreit man nicht um Hilfe, wenn man ins Unglück gerät?»
Er liegt absolut ruhig da, ein Kopfhörer über den Ohren. Der Pfarrer hört:
Händel, Messias. Er öffnet die Augen. Von ganz fern blicken sie. «So schön»
flüstert er.
«Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört - Gott - jetzt aber hat mein Auge
dich gesehen.»
(Zitierte Bibelstellen: Buch Hiob, Kapitel 16,12; 30,19+20; 30,23+24; 42,5)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Abbildung: Gerhard Marcks, Hiob, 1957, vor der St.-Klara-Kirche, Nürnberg.
Foto: DALIBRI, 2013, wikimedia commons
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