Weg-Wort vom 13. Januar 2009
Selbstverständliches Glück
Dass alles gut läuft, empfinden wir eher als normal. Es ist für uns wie
selbstverständlich, ein Auskommen zu haben, gesund zu sein, auf ein
funktionierendes Umfeld zählen zu können und uns wohlgesinnte Menschen um
uns zu haben.
Das selbstverständliche Glück stellen wir zumeist erst dann in Frage, wenn
wir vom Unglück anderer, vor allem uns nahestehender Menschen erfahren.
Dieser Frage radikal gestellt hat sich der Theologe, Arzt und
Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer:
Schon auf der Schule hatte es mich bewegt, wenn ich Einblick in traurige
Familienverhältnisse von Klassenkameraden gewann und die geradezu idealen,
in denen wir Kinder des Pfarrhauses zu Günsbach lebten, damit verglich. Auf
der Universität musste ich in meinem Glücke, studieren zu dürfen und in
Wissenschaft und Kunst etwas leisten zu können, immer an die denken, denen
materielle Umstände oder die Gesundheit solches nicht erlaubten.
An einem strahlenden Sommermorgen, als ich - es war im Jahre 1896 - in
Pfingstferien zu Günsbach erwachte, überfiel mich der Gedanke, dass ich
dieses Glück nicht als etwas Selbstverständliches hinnehmen dürfe, sondern
etwas dafür geben müsse.
Indem ich mich mit ihm auseinandersetzte, wurde ich, bevor ich aufstand, in
ruhigem Überlegen
mit mir selber dahin eins, dass ich mich bis zu meinem
dreissigsten Lebensjahre für berechtigt halten wollte, der Wissenschaft und
der Kunst zu leben, um mich von da an einem unmittelbaren menschlichen
Dienen zu weihen.
Gar viel hatte mich beschäftigt, welche Bedeutung dem Worte Jesu: Wer sein
Leben will behalten, der wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um
meinet- und des Evangeliums willen, der wird es behalten, für mich zukomme.
Jetzt war sie gefunden. Zu dem äusseren Glücke besass ich nun das
innerliche.
Welcher Art das für später geplante Wirken sein würde, war mir damals noch
nicht klar. Ich überliess es den Umständen, mich zu führen. Fest stand mir
nur, dass es ein unmittelbar menschliches, wenn auch noch so unscheinbares
Dienen sein müsse.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsogerinnen der Bahnhofkirche
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
www.bahnhofkirche.ch