Weg-Wort vom 2. Mai 2008
Brauchbare Leere
Er habe immer wieder Tage, wo er sich leer und unausgefüllt fühle. Er könne
nichts dagegen machen. Nichts helfe ihm dann, nicht einmal das Beten. Der
Mann war darüber sehr beunruhigt. Es machte ihm Angst, der inneren Leere
hilflos und ohnmächtig ausgeliefert zu sein.
Ich kenne solche Tage auch. Ich sitze dann einfach da, ohne jede Lust und
Kraft und leicht verärgert dazu denn es wäre ja so vieles noch dringend zu
erledigen. Am liebsten möchte ich die Leere sofort ausfüllen, ganz gleich
mit was. Hauptsache, das Leere-Gefühl ist weg.
Manchmal aber lassen mich die Gedanken von Laotse über den leeren Raum meine
empfundene Leere nicht nur aushalten, sondern sogar geniessen:
Dreissig Speichen treffen sich in der Nabe eines Rades: auf dem Nichts
daran (dem leeren Raum) beruht des Wagens Brauchbarkeit. Man bildet Ton und
macht daraus Gefässe: auf dem Nichts daran (seiner Leere) beruht des
Gefässes Brauchbarkeit. Man durchbricht die Wand mit Türen und Fenstern,
damit ein Haus entstehe: auf dem Nichts daran (dem leeren Raum) beruht des
Hauses Brauchbarkeit.
Wenn ich innerlich leer bin, wenn mein Geist und meine Seele nicht besetzt
sind von alltäglichem Krimskrams und allerlei Gedanken und Sorgen, bin ich
frei und offen für mich selbst, für mein eigentliches Wesen. Ich vermag,
ganz bei mir zu sein. Ich spüre die Weite meines Wesens, die unverstellten
Räume meiner Seele. Ich erfahre für eine Weile tiefe Ruhe und inneren
Frieden.
Wenn ich innerlich leer und nicht mit meinem Zeugs besetzt bin, habe ich
viel freien Raum für andere. Ich kann ihnen besser zuhören und wahrnehmen,
wie sie sich selber verstehen. Ich bin brauchbarer als Mitmensch.
Wenn ich innerlich leer bin, bin ich frei und offen, die Spuren des
Göttlichen in meinem Leben, in meiner Umwelt wahrzunehmen. Ich bin
brauchbarer für das, wozu mich Gott geschaffen hat.
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Hauptbahnhof Zürich
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