Weg-Wort vom 13. Dezember 2011
Das kleine Licht
Es war einmal eine kleine Lampe. Sie verbreitete ein freundliches, kleines
Licht. Immer, wenn die Menschen sich nach Wärme, Geborgenheit, Gemütlichkeit
sehnten, zündeten sie dieses kleine Licht an. Die Menschen fühlten sich wohl
in ihrem Schein. Und auch die Lampe war mit sich und der Welt zufrieden -
bis zu dem Augenblick, als sie entdeckte, dass es hellere Lichter gab als
ihres.
Da wurde sie traurig. "Ich bin ja nur eine kleine Funzel!" sagte sie - und
schämte sich vor den dicken Glühbirnen, grellen Scheinwerfern und hellen
Neonröhren. Sie träumte davon, auch einmal so hell zu leuchten wie die
Glühbirne, so weit zu scheinen wie der Scheinwerfer, so weißes Licht zu
verströmen wie die Neonröhre. "Könnte ich doch auch so eine große Lampe
sein", seufzte sie. Gott hörte ihr Seufzen - und erhörte sie. Er verwandelte
das kleine Licht in eine helle Lampe.
War das eine Freude: In alle Ecken, die ihr bisher verborgen waren, kam sie
mit ihrem Licht, jeden Winkel konnte sie ausleuchten, nichts blieb ihr mehr
verborgen. "Endlich ein großes, ein helles Licht!", jubelte sie eitel - und
sie wartete darauf, dass auch die Menschen sie bewunderten ob ihres hellen
Lichtes.
Aber das war gar nicht der Fall. Sie leuchtete in einem Zimmer, in dem ein
kleines Kind war. Als man das Licht anschaltete und sie zu leuchten anfing,
fing das Kind an zu schreien, so geblendet war es. Man wechselte die helle
Lampe gegen ein kleines Licht aus, und das Kind wurde ruhig.
Dann kam sie in ein Krankenzimmer als helle Deckenleuchte. Ganz enttäuscht
war sie, als die Patienten baten: "Schwester, machen Sie bitte das helle
Licht aus, das tut ja weh!"
Und das kleine Licht, das nun eine grelle Lampe war, sehnte sich nach seiner
früheren Gestalt: Wäre ich doch wieder eine kleine Leuchte, dann könnte man
sich in meiner Umgebung wohl fühlen.
Eine Kurzgeschichte nach Hoffsümmer
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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