Schweizerisches Katholisches Bibelwerk
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Newsletter 17 / August 2007
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir melden uns zurück aus den Ferien, sind ab sofort wieder für Sie
erreichbar und fassen uns ansonsten kurz, denn es gibt auch von Anderen
Interessantes zu vermelden: vom Buch des Monats und vom Zitat der Woche.
Ihr BPA-Team
Dieter Bauer, Bettina Schulze, Peter Zürn
Buch des Monats
Ursula Sigg-Suter, Esther Straub, Angela Wäffler-Boveland,
und ihr werdet
mir Söhne und Töchter sein. Die neue Zürcher Bibel feministisch gelesen,
Theologischer Verlag Zürich 2007, 160 Seiten, 15 x 22,5 cm, Paperback, ISBN
978-3-290-17399-9 CHF 19,80 EUR 12,80
Zwei starke Gefühle löste die erste Lektüre dieses Buches bei mir aus: Eine
riesige Hochachtung vor der Leistung der Autorinnen und eine tiefe
Enttäuschung über die offenbar geringe Auswirkung dieser Arbeit auf die neue
Zürcher Bibelübersetzung, die gerade erschienen ist. Acht Jahre lang
arbeiteten die drei Autorinnen, als vierte war Katharina Schmocker in den
ersten drei Jahren beteiligt, als offiziell eingesetzte Lesegruppe im
Auftrag des Kirchenrats der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons
Zürich. Das Ziel ihres Auftrags bestand in der Vermeidung
übersetzungsbedingter Diskriminierungen in der neuen Zürcher
Bibelübersetzung. In ihrem Buch legen sie Rechenschaft ab über acht Jahre
intensiver Arbeit. Diese Intensität wird auf jeder der 160 Seiten sichtbar.
Das Buch ist ein wahres Kompendium, wo und wie geschlechtergerechte Sprache
in der Übersetzung der Bibel möglich und geboten ist. Die Bandbreite geht
von der Auseinandersetzung mit inklusiver Sprache in Personenbezeichnungen
und in Pronomina über das Sichtbarmachen von Frauenwelten und das
Nicht-Überbewerten von Männerwelten, über hierarchische Beziehungen und die
Sprache der Gewalt, über die Darstellung von Sexualmoral bis hin zu
theologischen Fachbegriffen wie Gnade, Fleisch, Geist, Sünde und Versuchung.
Nicht nur die reine Übersetzung von Bibeltexten kommt in den Blick, sondern
auch die mindestens genauso prägende Formulierung von Überschriften und
Zwischentiteln. Die Auseinandersetzung mit Hunderten einzelner Bibelstellen
wird in übersichtlicher Weise dargestellt: Tabellen mit jeweils drei Spalten
führen links die Bibelstelle an, in der Mitte die Übersetzung der Neuen
Zürcher Bibel (NZB) und in der rechten Spalte den Alternativvorschlag der
feministischen Lesegruppe. Die Tabelle hat nur zwei Spalten, wenn der Text
der NZB mit dem Vorschlag der Lesegruppe übereinstimmt. Ein erstes Blättern
zeigt den enttäuschenden Befund, wie selten sich zweispaltige Tabellen
finden. Die Autorinnen selbst fassen zusammen: Leider fanden nur sehr
wenige unserer Vorschläge Eingang in die neue Zürcher Bibelübersetzung
(Vorwort S. 5). Selbst da, wo durchaus Übereinstimmung besteht, ist die
geschlechtergerechte Übersetzung nicht an allen Stellen durchgeführt. So
wird der Vorschlag der Lesegruppe den Ausdruck Herr sein oder herrschen
mit Macht haben zu übersetzen, an drei Stellen im Römerbrief (6,9; 6,14;
7,1) aufgenommen der Tod, die Sünde, das Gesetz herrschen nicht mehr,
sondern haben keine Macht mehr Christus bleibt aber der Herr über Lebende
und Tote (Röm 14,9). Sicher lässt sich über jeden Übersetzungsvorschlag der
Lesegruppe diskutieren und streiten. Die Autorinnen selbst rechnen nicht
damit, Seite für Seite die Zustimmung der Leserinnen und Leser zu gewinnen
(Vorwort S. 5). Sie verstehen ihr Buch als Anregung zur Diskussion über die
feministischen Anliegen an eine Bibelübersetzung. Ihre herausragende
Leistung besteht darin, dass sie es möglich machen, diese Diskussion in der
grösstmöglichen Konkretion zu führen, direkt am genauen Wortlaut der
Übersetzung und mit Blick auf eine Fülle von Möglichkeiten und Varianten:
alle statt jeder, niemand statt keiner, Glanz statt Herrlichkeit, regieren
statt herrschen, Lehrer statt Meister, Unzucht treiben statt zur Dirne
gehen, in die Irre führen statt verführen, Lohn statt Sold und viele mehr.
Die Vorschläge der Lesegruppe sollen Raum öffnen für weitere Lösungen und
sprachschöpferische Ideen. So ist das Buch denn neben dem
Rechenschaftsbericht der Lesegruppe auch ein Nachschlagewerk und eine
Arbeitshilfe zur Auseinandersetzung mit der Bibel und ihrer Übersetzung im
Blick auf Gottesdienste, Bibelgruppen oder das persönliche Studium. Dem
dienen das Bibelstellen- und das Stichwortregister aufs Beste.
Leider umfasst die Darstellung nur das Neue Testament. Etwas unklar bleibt
das Warum: Aus verschiedenen Gründen ergab sich keine Zusammenarbeit mit
der Übersetzungskommission AT trotz klarem Auftrag des Kirchenrates (S.
13). Da sich die Autorinnen aber vor allem am deutschen Sprachgebrauch
orientieren, halten sie die Übertragung ihrer Beobachtungen und Resultate
auf das Alte Testament für möglich.
Die Lesegruppe war nicht direkt am Übersetzungsprozess beteiligt. Ihre
Arbeit ist also nicht direkt mit der Übersetzung der Bibel in gerechter
Sprache vergleichbar. Die Vielfalt von Übersetzungsvorschlägen und Varianten
wird aber auch die Auseinandersetzung mit der Bibel in gerechter Sprache
bereichern. Überaus spannend liest sich der Streit um das, was Texttreue
bei der Übersetzung bedeutet (S. 13f). Die Übersetzungskommissionen der
Neuen Zürcher Bibel waren der Ansicht, eine feministische Übersetzung sei
mit Texttreue nicht vereinbar. Die Autorinnen erkennen die Differenz eher im
unterschiedlichen Verständnis, was textgetreu genau bedeutet. In der
Einleitung verorten sie sich in der innerbiblischen Textauslegung, wie sie
Paulus vornimmt, wenn er sich auf einen Satz aus 2 Sam 7,14 bezieht, den
Gott an David richtet: Ich werde ihm Vater sein und er wird mir Sohn sein.
Bei Paulus wird daraus im Blick auf die Gemeinde in Korinth:
und ihr
werdet mir Söhne und Töchter sein (2Kor 6,18). Auf dem Hintergrund von
Paulus Verständnis von Texttreue arbeitet die feministische Lesegruppe zur
neuen Zürcher Bibelübersetzung daran, dass die Frauen in der biblischen
Überlieferung nicht vergessen gehen. Peter Zürn
Zitat der Woche
"Seit die Individuation Zwangsarbeit eines jeden geworden ist, hat sie ihr
Individuelles verloren. Sie gleicht der Aufgabe, bei der Warenauswahl
jeweils unter einer Vielzahl von Marken wählen zu müssen. Dabei ist die Wahl
nicht frei von Rahmenbedingungen. Im postmodernen Supermarkt stehen die
teuren Waren noch immer ganz oben im Regal. Nach ihnen muss man sich recken
und strecken und nicht jeder kommt an sie heran. Die meisten wählen, was auf
Augenhöhe gestellt ist - und Bückware, wenn niemand hinschaut. Neu ist, dass
dieser Supermarkt auch Religion führt. Früher ... gehörte sie nicht zum
Angebot ... Heute ist sie einsortiert, in diesen Genussregalen in einer
eigenen Nische, zwischen Süssigkeiten und Alkohol. Es gibt sie in den
unterschiedlichsten Qualitäten und Preisklassen, wie alles. Manche
Markenhersteller wünschen sich eine andere Einsortierung: Gehört für sie
Religion doch zu den Grundnahrungsmitteln, also zu Brot und Fleisch (?).
Andere wiederum möchten sie bei den Zeitschriften sehen oder (in
Touristenorten) in den Ständen der Stadtpläne und Führer, als
Orientierungsmaterial. Einige Feinkostläden und kleinere Fachgeschäfte
richten sich auch nach diesen Herstellerwünschen. Sie bedienen eine
spezielle Kundschaft, die für Religion noch eine Menge auszugeben bereit
ist. Aber im Mainstream liegt das nicht. Religion gilt als Zusatz zu
Freizeit und Wochenende, wie Theater und Museen. Es ist durchaus Prestige
fördernd, wenn man selbst welche im Keller hat. Aber wenn sie zu sehr in den
Mittelpunkt rückt, wenn sich alles um sie zu drehen beginnt, wirkt das bald
peinlich, wie Alkoholismus."
Gregor Taxacher, Ausweglose Geschichte - Ausgang: Religion? Vom Trauma, das
fliehen lehrt, in: Evangelische Theologie Heft 3 2007, S. 186.