Liebe Filmfreundinnen und Filmfreunde
Die morgendlichen Nebelschleier und die beginnende Färbung der Blätter
zeigen an, dass der Herbst langsam aber sicher da ist. Irgendwie
romantisch, wenn die Tautropfen des Morgens in den Spinnennetzen
glitzern, aber der Herbst hat stets auch etwas Melancholisches,
irgendwie Abgründiges an sich.
Unser Film des Monats Oktober passt insofern bestens in den Herbst.
«Grace à Dieu» von François Ozon ist einerseits die unfassbar tragische
Chronologie der Ereignisse, die in Frankreich dazu geführt haben, dass
ein übergriffiger Priester im Juli 2019 endlich in den Laienstand
versetzt wurde und der Kardinal Lyons im März für das aktive Vertuschen
der Missbrauchshandlungen erstinstanzlich verurteilt wurde. Andererseits
zeigt der Film mit äusserster Sorgfalt und Würde auf, wie sich die
ehemaligen Opfer aus dieser Rolle befreien konnten, indem sie den Mut
fanden, über die Missbräuche zu sprechen. Durch all die Tragik scheint
zumindest ein feiner Hoffnungsschimmer - für die Opfer, aber auch die
Kirche. Um es mit den Worten Ozons zu sagen: «Es ist keine Film gegen
die kathoische Kirche, sondern eine Chance für sie!» Hoffen wir
inständig, sie weiss sie zu packen!
Einen einordnenden Beitrag zum Film finden Sie zusätzlich auf:
https://www.kath.ch/newsd/wenn-ein-gebet-nicht-mehr-genuegt/
Mit den besten Grüssen
Eva Meienberg und Natalie Fritz
FILM DES MONATS OKTOBER
Oktober 2019
GRACE À DIEU
FRANÇOIS OZON ZEIGT IN «GRACE À DIEU» EINDRINGLICH AUF, WIE HEILSAM DAS
REDEN ÜBER MISSBRAUCH SEIN KANN UND ENTLARVT DIEJENIGEN, DIE WISSENTLICH
SCHWEIGEN ALS ÜBELTÄTER AN IHREN MITMENSCHEN UND LETZTLICH AUCH AN DER
KIRCHE
Der streng katholische Familienvater Alexandre kann es kaum glauben:
Père Preynat hatte ihn jahrelang sexuell missbraucht und steht immer
noch als Priester am Altar und erteilt Religionsunterricht. Alexandre
nimmt Kontakt zur Diözese Lyon und Kardinal Barbarin auf. Er will
wissen, weshalb Preynat nicht seines Amtes enthoben wurde, bekommt aber
nur ausweichende Antworten. Letztlich erstattet er Anzeige. Der
ermittelnde Kommissar spürt rasch andere Opfer auf. Unter ihnen auch
François, der den Verein «La parole libérée» gründet. Er möchte
möglichst viele Opfer Preynats zum Reden bringen. Je mehr Fälle
auftauchen, desto grösser wird der Druck auf die kirchlichen
Würdenträger, die Preynat während Jahrzehnten gedeckt hatten.
François Ozon wirft in «Grace à Dieu» einen überaus differenzierten
Blick auf die Machtstrukturen der katholischen Kirche, die Missbräuche
ermöglichen und ihre Offenlegung während einer viel zu langen Zeit durch
eine veritable «Omertà» verhinderten. Aus der Perspektive dreier
Protagonisten nähert sich der Film dem Thema an und zeigt eindringlich
auf, welche lebenslangen Folgen ein Missbrauch nach sich zieht. Dabei
lässt Ozon den persönlichen Glauben neben der offiziellen Lehrmeinung
der Kirche stehen, klagt weder die gesamte Institution an noch wertet
er. Vielmehr gibt der Film jenen eine Stimme, die nicht länger schweigen
wollen und können und entlarvt diejenigen, die zu lange nichts gesagt
haben als wahre Übeltäter - an ihren Mitmenschen und letztlich auch an
der katholischen Kirche.
Natalie Fritz, Religionswissenschaftlerin und Redaktorin Medientipp
«Grace à Dieu», Frankreich 2018, Regie: François Ozo, Besetzung: Melvil
Poupaud, Swann Arlaud, Denis Ménochet; Verleih: Filmcoopi Zürich,
Internet:
www.filmcoopi.ch [1], Filmwebsite:
https://www.filmcoopi.ch/movie/grace-a-dieu
Kinostart: 03. Oktober 2019
https://www.youtube.com/watch?v=TyCuvrxdy0A
https://www.medientipp.ch/events/grace-a-dieu/
Links:
------
[1]
http://www.filmcoopi.ch