Weg-Wort vom 9. Dezember 2010
Tröstet, tröstet mein Volk
Was denken Sie, wenn ich Ihnen das Stichwort Rabe zum Assoziieren gebe?
Rabenschwarz, Rabeneltern, Unglücksrabe und so weiter. Denken Sie dabei an
Trost, Zuwendung, Nähe, Mitgefühl? Wohl kaum. Und doch: Raben sind nicht nur
streitlustig und frech, sie trösten einander auch. Kämpfen zwei, dass die
Federn fliegen, gibt einer auf und zieht sich zurück, so folgt ihm ein
Unbeteiligter und streichelt ihn sanft mit seinem Schnabel und tröstet ihn.
Thomas Bugnyar von der Universität Wien hat das festgestellt, dass sich
dritte, nicht am Kampf beteiligte Raben, um den besiegten Vogel kümmern.
Hätten sie gedacht, dass Raben trösten können? Selbst Google reagiert auf
diese Anfrage: Tröstende Raben mit der Bemerkung: Meinten Sie Streitende
Raben?
Und doch gibt es das: Raben können trösten: So erstaunlich ist dieses
Phänomen, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Forscher damit
beschäftigt und dabei entdeckt haben: Nicht nur Raben zeigen Mitgefühl mit
den Verlierern, sondern auch andere Tierarten. Dazu sagt die Wolfsexpertin
Elisabetta Palagi: Dass unterschiedliche Tiere ein derart ähnliches
Konfliktlösungsmuster zeigen, ist erstaunlich und faszinierend.
Was Tiere können, sollte für uns Menschen sicherlich kein Problem sein. Dazu
ruft ein Prophet unter dem Namen Jesaja auf: Tröstet, tröstet mein Volk,
das sich im Exil fern der Heimat befindet, das sich sehnt, nach
Generationen zurückzukehren. Es ist geschlagen und braucht Stütze und Hilfe,
braucht Trost. Aber nicht nur es brauchte Stütze und Halt, auch wir tun es.
Es ist wie ein Aufschrei, der durch die Jahrhunderte zieht: Man könnte
meinen, es sei der Auftrag Gottes an seinen Sohn. Tröste, tröste mein Volk
und noch mehr. Dazu ist uns Christus geboren als Retter, als Stütze und
Hilfe derer, die ihn zu einem guten Leben hin brauchen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 6. Dezember 2010
O Heiland, reiss die Himmel auf
Als Friedrich Spee dieses Lied schrieb, wütete der Dreissigjährige Krieg.
Die Not der Menschen war unbeschreiblich. Die Worte für den Liedtext fand
Spee beim Propheten Jesaja.
O Heiland reiss die Himmel auf, herab, herab vom
Himmel lauf. Reiss ab vom Himmel Tür und Tor,
reiss ab, wo Schloss und Riegel vor.
Ich finde diese Sprache gewaltig! Es sind ungestüme und drängende Worte,
nicht bloss ein frommer Wunsch, sondern eine ganz massive
Forderung: Nun mach schon, Gott, beeil dich und komm endlich! Da klagt der
Prophet und schreit nach Gerechtigkeit und Frieden für sein Volk.
Klage macht dann Sinn, wenn sie nicht zu Resignation oder gar Depression
führt, sondern das ganze Elend hinausschreit. Wer nichts mehr zu verlieren
hat, kann nur noch gewinnen. So wird die grösste Krise oft zu einem Impuls
für neue Hoffnung und zu einem entscheidenden Wendepunkt im Leben.
Gott, ich brauche deine Hilfe. Meine Situation sieht schlecht aus. Ich habe
keine Arbeit, keinen Beruf, und ich bin bekümmert. Ausserdem habe ich Angst
und habe wenig Antrieb. Bitte hilf mir heraus und zeige mir eine Lösung.
Die Person, die das sagte, gab trotz ihrer schlimmen Lage nicht auf. Die
Hoffnung half ihr zu vertrauen, dass Gott da ist, dass er ihr Kraft gibt zum
Durchhalten.
Reiss doch die Himmel auf und steig herab! Da geht es nicht um ein paar
heimelige Adventstunden, sondern darum, wie wir unser Leben ausrichten.
Nichts gegen gemütliche Adventsstunden, aber sie sind nicht dazu da, dass
wir vor der Realität flüchten. Sie sind dazu da, uns weiter zu bringen,
Weihnachten entgegen, und damit näher zum Frieden und zur Freude.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 2. Dezember 2010
Adventskalender einmal anders
Letzthin - noch fast Mitte November - ging ich wie gewohnt zur Post und
staunte nicht schlecht:
Ein Adventskalender war hinter den Frauen und Männern am Schalter aufgehängt
- riesig. Für ein Unternehmen, das sich je länger je mehr auf Kommerz
einstellt, doch etwas spät, dachte ich.
In verschiedensten Einkaufstempeln des Landes gingen die Vorbereitungen auf
Weihnachten schon Ende September los. Dafür ist Mitte November doch sehr
moderat. Als ich genauer hinschaute, entdeckte ich zu meiner Beruhigung,
dass die Türchen zum Öffnen nicht auf den 24. Dezember ausgerichtet waren,
sondern für den ganzen Monat reichten. Es waren die dicken, fetten
Millionenlose, die da wie ein Adventskalender aufgehängt worden sind. Sie
sollten an Weihnachten erinnern, an die Geburt des Kindes. An die
Verheissungen der Engel. Aber es ist nur Geld als Einsatz und nur Geld als
möglicher Gewinn. Nur Geld kein Friede auf Erden. Ich dachte schon hier
bei der ehemaligen PTT würde noch so etwas vom service public
durchschimmern.
Aber beruhigt konnte ich feststellen: Kommerz, du hast auch dieses Kind fest
in deinen Händen.
Wohin geht da die Reise? Je mehr wir haben, desto schwerer lastet die Leere
auf uns und wir bewegen uns je länger je mehr ins Nichts. Die Sehnsucht nach
Sinn und Inhalt wird stärker und stärker, dass das Licht Christi wirklich
leuchtet und wir in dieser Zeit vermehrt zur Besinnung kommen. Wann sonst
wird der Kontrast und die Spannung zwischen kommerziell aufgeblasener
innerer Leere und der Fülle an Wärme und Geborgenheit in armseliger Umgebung
deutlich. Wohin geht die Reise? Zu den Millionen oder zur bescheidenen Ruhe
an der Krippe? Ich wünsche Ihnen und mir eine gute Entscheidung und eine
gesegnete Adventszeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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