Weg-Wort vom 15. Oktober 2009
Zeugnis
Und er, der ins Herz sieht, hat diesen Menschen ein gutes Zeugnis
ausgestellt: Er hat ihnen genauso wie uns den Heiligen Geist geschenkt.
(Apg 15,8)
Die Mitarbeiterin freute sich über das bunte Kreuz, dass ihr eine Bekannte
von einem Wallfahrtsort mitgebracht hat. Sie hängte es sofort um und meinte,
dass sie früher Hemmungen gehabt habe, ein religiöses Zeichen zu tragen.
Jetzt finde sie es wichtig, den eigenen Glauben zu bezeugen, um den
Kopftüchern etwas entgegenzusetzen. Schliesslich seien wir nicht alle
gottlos.
Unter den Nachfolgern Jesu war man sich uneins darüber, ob die Menschen die
nicht Juden waren, in die Christengemeinde aufgenommen werden können. Paulus
verwies die Streitenden auf den Heiligen Geist. Dieser weht unter allen
Völkern, also auch bei denen aus anderer religiöser Tradition.
Die Unterdrückung durch die Römer bestärkte die Nachfolger und
Nachfolgerinnen Jesu in ihrem Glauben und festigte ihren Zusammenhalt. Sie
riskierten viel, wenn sie sich zu ihrem Glauben bekannten. Aber gerade das,
festigte ihre Überzeugung.
Heute scheuen sich Viele über den eigenen Glauben zu sprechen. Nur wenige
wagen es dies ausserhalb geschützter Orte zu tun. Warum ist das so?
Menschen die mit Kleidung oder Schmuck ihrer Weltanschauung Ausdruck geben,
scheinen zu verunsichern. Begegnen uns Frauen, die ihre Haare verdecken und
auf freizügige Kleidung verzichten, dann bezweifeln wir die Freiwilligkeit.
Also, was ist es, das uns an der Kleidung der muslimischen Schwestern oder
chassidischen Brüder so sehr stört? Könnte es sein, sie damit auf etwas
hinweisen, das wir verloren haben? Nämlich auf ein Leben in dem die
Beziehung zu Gott vor die Norm des Zeitgeistes gestellt wird?
Was uns stört oder verunsichert stellt unsere eigene Lebenseinstellung in
Frage. Die zu hinterfragen, kann unbequem werden. Es kann ja sein, dass das
brüchig wird, was wir als Norm hinnehmen. Klug ist, wer es wagt darüber
nachzudenken um seine eigene Haltung zu finden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Iris Daus
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www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 9. Oktober 2009
wenn es sein darf....
Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so viel höher sind meine Wege
als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. (Jes 55,9)
Schön, wäre es - aber woher die dazu nötigen Mittel, wenn düstere Wolken
am Wirtschaftshimmel aufziehen.
Wenn es sein darf wird es gelingen, meinte der Künstler zuversichtlich,
als wir gemeinsam über einen Schmuck für unsere Kirche nachdachten. Er
skizzierte seine Gedanken, damit ich sie den Verantwortlichen erklären
konnte. Noch war die Zeit dafür nicht reif. Die Skizze verschwand im Ordner.
Der Gedankensame aber keimte still in den Herzen der Angesprochenen. Dann
wurde die Kargheit der Kirche zum Thema das diskutiert werden durfte. Nach
Monaten erinnerten sich die Verantwortlichen an ein Vermächtnis, das seit
langer Zeit ungenutzt auf einem Konto liegt. Das könnte man dafür nutzen.
Der Künstler wurde im Atelier besucht. Die Ausgeschickten kehrten begeistert
heim von dem was sie gesehen haben und von dem was sein könnte. Ob ein
Auftrag ausgegeben werden kann, ist noch offen. Auch die Gemeinde hat da
mitzureden. Aber wenn es sein darf, wenn Gott es will, dann wird es dazu
kommen.
Warum uns manches gelingt und anderes trotz hartnäckigem Bemühen nicht
zustande kommen will; vielleicht hat Er da seine Hand im Spiel.
Neue Ideen und Visionen sind da Beispiel. Wenn sie in seinem Sinn sind und
wir nicht auch noch persönliche Absichten mit verfolgen, wirken sie wie die
Hefe im Teig. Sie braucht Zeit und Wärme bis sie die Herzen und Köpfe der
Beteiligten durchsäuert hat. Aber sind einmal mehrere Personen von einer
Idee begeistert, dann vermögen ihre gebündelten Kräfte manches zu bewegen.
Was zuvor unmöglich schien, bekommt plötzlich Form. Wenn es sein darf und
wir gemeinsam in seinem Sinn handeln, dann kann es gelingen. Es wird auch
meist noch besser und schöner, als wir es uns je hätten ausdenken können.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Iris Daus
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Weg-Wort vom 8. Oktober 2009
Gesichter
So früh am Morgen, auf dem Weg zum Bahnhof, ist die Welt um mich herum noch
still und voll der Geheimnisse, welche der erwachende Tag in sich birgt.
Spätestens auf dem Bahnhofplatz ist davon aber nichts mehr zu spüren,
Geschäftigkeit macht sich breit:
Aus dem Backoffice des Bistros trägt der junge Mitarbeiter ein Tablett mit
Sandwiches zum Kiosk. Eine Frau
lehnt an einem der Stehtische, eine Zigarette in der Hand, und schlürft
Kaffee aus einem Plastikbecher.
Als der Zug einfährt, schaut ein junges Mädchen, das gerade die Treppe
hochkommt, erschrocken auf und nimmt nun zwei Stufen aufs Mal.
Ich betrete einen noch schwach besetzten Wagen.
Ein Mann schläft, sein Kopf ist gegen das Fenster gesunken. Der ältere Herr
mir vis-à-vis sitzt mit verschränkten Armen da, hebt ab und zu seinen Blick
ins Leere, dann sinniert er wieder vor sich hin. Der junge Typ in Jackett
und glänzend polierten Lederschuhen ist in die NZZ vertieft.
Mittlerweile hat sich eine Frau zu mir gesetzt und sich sogleich in ihr
dickes Taschenbuch vertieft. Vielleicht ist es ein Liebesroman. Oder ein
Krimi.
Beim nächsten Zughalt schaue ich aus dem Fenster. Ein Wartender blättert im
Stehen in der Gratiszeitung 20 Minuten. Erst jetzt fällt mir eine Frau auf,
die ein paar Meter von mir entfernt sitzt und mit müden Augen meinen Blick
kreuzt. Ist sie heute früh freudlos aus dem Bett gestiegen? Sie wirkt nach-
denklich. Und an wen schickt der hübsche junge Mann schräg gegenüber
wohl seine SMS?
Die Wagen haben sich mittlerweile gefüllt, die Perrons ebenso. Gerade läuft
der RailClean Mitarbeiter zielstrebig zum Abfalleimer und leert mit Routine
den Inhalt in den Müllsack, der am Putzwagen hängt.
Ich frage mich, wer die Menschen hinter all den Gesichtern sind? Welche
Schicksale sich dahinter verbergen? Die Pendler und Arbeiter sind keine
uniforme Masse mehr. Es sind vielmehr einmalige, unverwechselbare Personen
mit ihrer je eigenen Geschichte.
Gott, der uns ins Dasein gerufen hat und der uns voller Liebe anschaut, bei
ihm haben wir ein Ansehen unserer Person. Wir sind geschaffen nach seinem
Bild. Er ist es auch, der uns diesen neuen Tag schenkt. Dir und mir.
Nehmen wir dieses Geschenk an und freuen wir uns daran!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Iris Daus
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Weg-Wort vom 7. Oktober 2009
Der Faden
Im Sommer hatte sich die Spinne an einem Faden vom Baum heruntergelassen.
Sie landete auf einer Weissdornhecke und machte sich daran, ein kunstvolles
Netz zu spinnen. Als sie fertig war, fing sie damit Mücken und Fliegen ein,
von denen sie sich ernährte. Es ging ihr gut. Doch da kam ein feuchter
Herbstmorgen. Die Spinne machte ihren Morgenspaziergang über das Netz. Sie
ging noch einmal überall hin, prüfte Fäden und Knoten. Es war alles in
Ordnung.
Da entdeckte sie auch wieder den Faden nach oben, an dem sie sich im Sommer
heruntergelassen und den sie über ihrer betriebsamen Geschäftigkeit ganz
vergessen hatte. Sie schaute hinauf und überlegte, was das denn für ein
fremder Faden sei, der in die Höhe führte. Sie wusste nicht mehr, wozu er
diente, hielt ihn für überflüssig und biss ihn kurzerhand ab.
Da passierte es: Sofort fiel das Netz über ihr zusammen, wickelte sich um
sie wie ein nasser Lappen und erstickte sie.
Die Spinne, das sind wir. Das Netz ist unser Leben und alles, was wir daraus
machen möchten. Denn wir spinnen ja oft Pläne für unser Glück. Und da ist
noch der Faden, der nach oben geht. Er ist für mich lebenswichtig, mein
ganzes Leben hängt an ihm.
Nein, ich werde nicht wie eine Marionette an diesem Faden bewegt. Der Faden
nach oben, er lässt mir die Freiheit zu spinnen, lässt mich gestalten und
farbige Muster in mein Netz weben.
Das Netz kann freilich zerzaust werden von hereinbrechendem Sturm und
peitschendem Regen, es kann Löcher bekommen und Risse, vielleicht verfange
ich mich sogar darin, zapple, bis ich mich wieder freigestrampelt habe.
Aber es wird nicht in sich zusammenfallen, wenn es verbunden ist mit dem
tragenden Teil meines Lebens, mit Gott, der mich in seiner Liebe hält.
Denn: Ewig denkt er (Gott) an seinen Bund. (1 Chr 16,15)
Darum will ich Sorge tragen dazu, den Faden zu IHM niemals abzuschnei-den.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 5. Oktober 2009
Drei Schiffchen
Deine väterliche Fürsorge aber steuert es. Denn du hast alles so
eingerichtet, daß das Schiff im Meer seinen Weg findet und sicher durch die
Wogen getragen wird. (Weish 14,3)
Was wir an uns nicht mögen, was uns schwerfällt und wir loslassen möchten,
das haben wir dem Papier anvertraut. Der sonnige Herbst hatte die Gruppe aus
dem Schulzimmer an den Lieblingsplatz einer Konfirmandin ans nahe Flussufer
gelockt. So hielten wir den Unterricht auf den warmen Stufen, die ins Wasser
führten. Da sitzend, notierten die jungen Frauen ihre Gedanken über wer sie
sind und was sie sein könnten.
Aus dem Blatt, beschrieben mit dem, was ihnen nicht gefällt und sie
belastet, falteten sie Schiffchen. Zusammen schickten sie diese miteinander
auf den Weg. Was sie bereit waren los zu lassen, sollte der Fluss
forttragen.
Die Strömung zog die drei Schiffchen auf gleicher Bahn gegen das Schilf
weiter unten am Ufer. Dort verfingen sie sich und drehten leise. Das erste
befreite sich selbst, zog in die Flussmitte und tanzte davon. Das zweite
konnten wir gemeinsam mit einem Schilfrohr anstossen. Das dritte Schiffchen
widerstand unsern Bemühungen; es kippte und ging unter. Dort erfasste es
eine tiefere Strömung. Es tauchte noch einmal auf und zog durchnässt und
schwer noch etwas weiter.
Was als leichtes Spiel am Wasser gedacht war, stimmte uns nachdenklich. Die
drei Schifflein waren gleich gross und wurden zusammen aufs Wasser gesetzt.
Alle wurden auf der gleichen Bahn ins Schilf getrieben. Aber ein Schifflein
kam nicht wieder in Fahrt. Vielleicht war es überladen worden und der
grossen Sorgenlast nicht gewachsen.
Manchmal bedrücken uns viele Sorgen und Nöte auf einmal. Diese haben sich
meist über längere Zeit angestaut. Auch wenn wir dies wünschten, wir können
sie nicht alle auf einmal los werden. Bitten wir um Gottes Hilfe und lösen
ein Problem nach dem andern, dann laden wir jedes auf ein eigenes
Schiffchen. So finden dann manche zügig in die Mitte des Lebensflusses und
gleiten rasch davon.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Iris Daus
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