Weg-Wort vom 15. April 2011
Wir ziehen vor die Tore der Stadt - Hosanna!
Jedes Jahr seit dem 4. Jh. zieht am Palmsonntag eine grosse Prozession vom
Jerusalemer Ölberg herab in die Stadt. Und jedes Jahr hören Christen
in der Kirche am Palmsonntag das Evangelium vom Einzug Jesu in Jerusalem.
An was wird erinnert? Was geschieht da?
Johannes schreibt im Kapitel 12, Vers 13: Da
nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen und riefen: Hosanna
dem Sohne Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in
der Höhe! (Psalm 118,26)
Mit dem Hosanna - Ruf wurden einst die Festpilger im Tempeltor begrüsst. Die
Palmen waren dabei das Symbol für den Triumph, Zeichen des Sieges über den
Tod.
Der Palmsonntag ist der Beginn der Karwoche, der Woche von Leiden, Tod und
Auferstehung Jesu.
Die katholische Kirche gebraucht an diesem Sonntag in der Liturgie die Farbe
Rot. Weshalb gerade rot? Josef-Anton Willa erklärt, dass es die Farbe des
Blutes ist, welche für Leben und Kraft, aber auch für Verletzlichkeit und
das Bedrohliche des Lebens stehe. Wir verbinden damit Gefühle von Wärme und
Glück, aber auch von Aggression und Zerstörung. In der Farbe Rot stecke die
Trauer über das bevorstehende Leiden Jesu, aber gleichzeitig schon die
Freude über seine kommende Auferstehung. Und Gunda Brüske schreibt: Damit
leuchtet schon ein indirektes Licht vom Ostersonntag hinein in den Torraum
des Palmsonntags.
So werden Erfahrungen von Lebensverlust und Lebensgewinn verbunden.
Der Palmsonntag bereitet uns Christen vor, den Weg von der Passion zum
österlichen Sieg mitzugehen, alles Negative hinter uns zu lassen und
verwandelt aus der Feier der Osternacht herauszugehen.
(Beide Autoren sind am Liturgischen Institut in Fribourg tätig)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 14. April 2011
Lass mich langsamer gehen
Wie schnell ist da oder dort etwas gesagt, getan, das, während man es sagt
oder tut, schon bereut wird, aber leider ist es schon draussen und nicht
mehr zurückzuholen.
Schnell gesagt, schnell bereut, nichts gelernt, denn schon gehts weiter im
gleichen Stil. Und dass es viele Menschen gibt, die erst wissen, was sie
sagen sollten, wenn sie schon gehört haben, was sie gesagt haben, erfährt
man leicht am eignen Leib. Manchmal gehört jeder von uns dazu, wenn der Mund
schneller redet, als der Kopf oder das Herz denken kann. Langsamer sein
hilft, es macht einen auch bedächtiger.
Dazu ein Gebet aus Südafrika von einem unbekannten Verfasser:
Lass mich langsamer gehen, Gott.
Entlaste das eilige Schlagen meines Herzens durch das Stillwerden meiner
Seele.
Lass meine hastigen Schritte stetiger werden mit dem Blick auf die Weite der
Ewigkeit.
Gib mir inmitten der Verwirrung des Tages, die Ruhe der ewigen Berge.
Löse die Anspannung meiner Nerven und Muskeln
durch die sanfte Musik der singenden Wasser,
die in meiner Erinnerung lebendig sind.
Lass mich die Zauberkraft des Schlafes erkennen, die mich erneuert.
Lehre mich die Kunst des freien Augenblicks.
Lass mich langsamer gehen,
um eine Blume zu sehen,
ein paar Worte mit einem Freund zu wechseln,
einen Hund zu streicheln,
ein paar Zeilen in einem Buch zu lesen.
Lass mich langsamer gehen, Gott,
und gib mir den Wunsch,
meine Wurzeln tief in den ewigen Grund zu senken,
damit ich emporwachse zu meiner wahren Bestimmung.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 11. April 2011
Die Prüfungsfrage
Als vor 40 Jahren der Trierer Dom renoviert wurde, malte der Ostschweizer
Künstler Ferdinand Gehr die Fresken Alpha und Omega in die Fensternischen
über den Hauptportalen. Die Mitte des Bildes Omega
stellt Christus als die menschgewordene Gottesliebe
dar. Rings um ihn ist die sichtbare Welt, die er vereint: Wolken, Baum,
Menschen, Tier. Alles ist in einer starken Bewegung, die Menschen mitsamt
allem Geschaffenen. Es ist die reine Freude am Sein, schreibt
Johannes Krämer, Baudirektor des Bistums Mainz.
Alpha und Omega bedeuten Anfang und Ende, Schöpfung und Erlösung.
Der Maler hat Christus in menschlicher Gestalt mitten unter die Menschen
gestellt. Das heisst, die gesamte Menschheit von Anfang an mit Adam und
Eva, die Natur und der Himmel sind in die Erlösung mit einbezogen. Die
Symbole des Bösen (Schlange) und des Todes (Grab) sind an den Rand gerückt.
Ich lese das Bild mit meinen eigenen Worten so: Wir sind zur Freude
berufen. Darum wohnt Gott nicht nur unter Menschen, sondern er möchte in uns
wohnen. Seine Liebe will in uns weiterleben, unser Dasein lebenswert und
froh machen. Somit bedeutet Christsein, aus dieser Freude am Leben Gott und
die Menschen zu lieben und nicht Trübsal zu blasen oder Angst zu verbreiten.
Da muss sogar ein Bischof noch dazu lernen, wie die folgende Geschichte von
Anthony de Mello zeigt:
Ein Bischof wollte sich vergewissern, wie weit eine Gruppe von Kandidaten
geeignet war, getauft zu werden. Woran werden andere erkennen, dass
Ihr Katholiken seid? fragte er. Zunächst kam keine Antwort. Offenbar hatte
niemand diese Frage erwartet. Der Bischof wiederholte sie. Dann machte er
das Kreuzzeichen, um ihnen einen Hinweis auf die richtige Antwort zu geben.
Plötzlich hatte einer der Kandidaten es erfasst. Liebe, sagte er. Der
Bischof war überrascht. Er wollte gerade sagen: Falsch, konnte sich aber
im letzten Moment noch zurückhalten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 7. April 2011
Haben Sie noch ein Handy oder schon ein SmartPhone?
Diese Frage ist eigentlich harmlos, kann sie doch also freundliche Neckerei
verstanden werden: Bin ich noch up to date, oder eher von Gestern, ein
Kommunikationsgrufty?
Weniger harmlos ist die Frage: Klebt Blut an unseren Handys? Ja, was soll
denn das wieder? Die Agenda von Brot für alle und Fastenopfer schreibt zum
gestrigen Tag: Die Massenpro-duktion von Handys, Laptops und Digitalkameras
wäre ohne Rohstoffe aus der DR Kongo undenkbar.
50 Prozent der weltweiten Kobalt- vorkommen befinden sich laut
Photo: Palani Mohan Schätzungen auf dem Gebiet des riesigen Landes.
Wegen seiner einmaligen Eigenschaftskombination von Festigkeit, Korrosions-
und Hitzebeständigkeit sowie Magnetismus gehört Kobalt zu den strategisch
wichtigsten Metallen weltweit. So ist Kobalt ein zentraler Bestandteil von
wieder aufladbaren Batterien, wie sie in jedem Handy oder Laptop vorkommen.
.
Bis heute gibt es keine sozialen und ökologischen Standards für den Abbau
von natürlichen Ressourcen, und die Rohstoffindustrie funktioniert äusserst
undurchsichtig. Markenfirmen wie Dell oder Apple wissen nicht, aus welchen
Minen ihre Metalle stammen. Damit laufen auch wir als westliche
Konsument/innen Gefahr, ungewollt zu Krieg und Armut in Ländern wie der DR
Kongo beizutragen.
Denken wir daran, wenn wir das nächste SMS schreiben oder schnell einmal
telefonieren?
Wir wissen aber auch, dass wir mit unserm Verhalten die Welt verändern
können, lassen Sie sich darauf ein und fragen Sie nach der Herkunft von
Kobalt? Es nützt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 6. April 2011
Alles umsonst
Es war alles umsonst gewesen. Die ganze Arbeit, die Anstrengung, die Mühe.
Nichts hatte es gebracht, nur Enttäuschung und Frust. Null Erfolg, keine
Dankbarkeit, von Lohn ganz zu schweigen. Was blieb, waren Bitterkeit und
Resignation.
Wovon ist die Rede?
Sicher haben Sie schon erleben müssen, dass es sich nicht gelohnt hat, viel
Herzblut in eine Sache zu investieren, von der Sie überzeugt waren.
Es hat ja doch alles keinen Sinn. Was bringts? Ist ja sowieso alles
umsonst.
Schwingt bei unserem Einsatz unterschwellig vielleicht manchmal mit, dass
wir nicht wirklich vom Sinn dessen überzeugt sind, was wir machen? Hält uns
nur die
Aussicht auf Belohnung bei der Stange, im Sinne von ohne Fleiss kein
Preis? Stellen wir damit nicht unser ganzes Mühen infrage, so dass am
Ende von unserer Lebensfreude ein Stück verloren geht?
Es lohnt, sich Gott und die Welt anzuschauen mit seiner ganzen Schöpfung,
zu der wir gehören. Lothar Zenetti erzählt mit einer kleinen Geschichte
wunderschön, wie wir die Alles-umsonst-Falle umgehen und zu einer Haltung
finden können, die uns mit Dankbarkeit und Freude für unser Leben erfüllt.
Einmal wird uns gewiss die Rechnung präsentiert für den Sonnenschein und
das Rauschen der Blätter, die sanften Maiglöckchen und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind, den Vogelflug und das Gras und die
Schmetterlinge, für die Luft, die wir geatmet haben, und den Blick auf die
Sterne und für alle die Tage, die Abende und die Nächte. Einmal wird es
Zeit,
dass wir aufbrechen und bezahlen: Die Rechnung, bitte!
Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht. Ich habe euch eingeladen, sagt
der und lacht, soweit die Erde reicht: Es war mir ein Vergnügen.
Alles haben wir von Gott umsonst bekommen. Es soll nicht umsonst sein.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 5. April 2011
Im Spiegel der Erinnerung
Das Leben muss vorwärts gelebt, kann aber nur in der Rückschau verstanden
werden.
Diesen Spruch schrieb mir einmal ein Freund. Wir kennen uns seit der
Primarschulzeit, als junge Erwachsene verloren wir uns aus den Augen.
Studium, Beruf und Familie führten uns in verschiedene Gegenden. Ein Zufall
brachte uns nach dreissig Jahren wieder in Kontakt.
Wir hatten uns viel zu erzählen. Und da war die Erinnerung an früher:
Weisst du noch, damals? und: Vieles ist ganz anders gekommen, als wir es
uns je hätten träumen lassen! Wir sprachen über
einschneidende Ereignisse, die unser Leben und seinen weiteren Verlauf
beeinflusst hatten.
Am Ende unseres langen Gesprächs kam jeder von uns zu dem Schluss, dass wir
zwar sorgfältig und weitsichtig planen können, dass am Ende das Ergebnis
jedoch nicht von uns allein abhängt.
Wir übernehmen Verantwortung für unser Leben und vielleicht ein Stück weit
für andere. Auch lassen wir uns nicht einfach vom Wind treiben, sondern wir
halten das Ruder in der Hand. Trotzdem haben wir nicht alles fest im Griff.
Und das ist gut. Denn nur so können wir unvorhersehbare Belastungen in
unserem Leben tragen und, im Vertrauen auf Gottes Hilfe, durchstehen.
Wüssten wir hingegen immer schon im Voraus, was auf uns zukommt, wir würden
in Angst oder Panik verfallen.
Ein Liedtext im kath. Kirchengesangbuch ( KG 559) begleitet mich durchs
Leben:
Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns
allen barmherzig ausgespannt.
Es münden alle Pfade, durch Schicksal, Schuld und Tod doch ein in Gottes
Gnade trotz aller unsrer Not.
Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit und werden in ihm leben
und sein in Ewigkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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