Weg-Wort vom 27. Juni 2011
Sommerzeit
1951 trällerte die kleine Conny Froboess in der Peter Frankenfeld-Show zum
ersten Mal das Lied "Pack die Badehose ein, nimm dein klein Schwesterlein".
Ihr Vater hatte es eigentlich für die Schöneberger Sängerknaben geschrieben.
Aber die fanden es zu vulgär. Also liess er es seine Tochter im Stil einer
"Berliner Göre" singen.
Ich bin damit aufgewachsen. Ich kann mich noch gut an die alte
Polydor-Schallplatte erinnern, die meinen Eltern gehörte, und auf der dieses
Lied war. Und jetzt, immer wenn es warm ist, die Sonne scheint, unsere
Gewässer zum Baden einladen, kommt es mir in den Sinn: "Pack die Badehose
ein ...".
Vielleicht haben Sie sie auch eingepackt und gehen heute über Mittag oder am
Abend baden - in die Limmat, in den See, in ein Freibad. Das tut gut! Das
reinigt Seele und Geist - also bei weitem nicht nur den Körper. Die Sonne
auf der Haut zu spüren, dann das kühlende Wasser, sich von ihm sicher
umgeben und getragen wissen - das ist Seelennahrung.
Licht, Wasser und Bewegung, heute sagen wir gerne "Wellness" dazu, können
tolle seelsorgerliche Wirkung haben. Sie sind Ausgleich zu Stress und Druck.
Wenn wir uns für sie Zeit nehmen, bekommen wir neue Kraft, neue Ideen, neue
Mut.
Die Sommerzeit, die mit ihrer Wärme, manchmal Hitze, alles ein wenig
verändert, ist für uns eine Chance, ein wenig langsamer, sorgsamer mit uns
selbst zu werden. Sie ist die Zeit, die uns an das Arbeiten an unserer
Balance erinnert - und es auch ermöglicht.
Also: "Pack die Badehose ein ..."!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 24. Juni 2011
Wie wird das Wetter?
Der Sommer hat begonnen, doch schon werden die Tage wieder kürzer. Dabei
sind doch die langen, warmen, schönen Abende der Inbegriff von Sommer. Der
Garten steht in Blüte, das Gemüse wächst und im Moment darf man einfach nur
geniessen. Jeder Regentag ist schon fast zu viel. Da fällt mir eine kurze
Geschichte von Anthony de Mello in die Hände:
"Ein Wanderer: Wie wird das Wetter heute? Der Schäfer: So, wie ich es
gerne habe. Woher wisst Ihr, dass das Wetter so sein wird, wie Ihr es
liebt?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht immer das bekommen kann, was
ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich
bekomme. Deshalb bin ich ganz sicher: Das Wetter wird heute so sein, wie ich
es mag.
Und wirklich, ich erinnere mich an den ersten Regen im Frühsommer nach der
langen Trockenperiode mit dem vielen Giessen und Spritzkannentragen am
Morgen genauso wie am Abend, und immer schienen alle Töpfe und Pflanztröge
ausgetrocknet zu sein. Und wie die ersten Tropfen warm und weich auf die
Haut fielen, der Boden dämpfte und so unvergleichlich nach Sommer und Regen
roch. Ich hatte es fast schade gefunden, ins Haus und ins Trockene zu gehen!
Es könnte also so einfach sein, das zu mögen, was man bekommt. Aber diese
Zufriedenheit und diese Bescheidenheit muss wohl über viele Jahre eingeübt
werden, besonders jetzt in unserer Zeit.
Meine Gnade ist genug für dich, verspricht Gott dem Apostel Paulus, dann
wird meine Kraft in deiner Schwachheit wirken.
Dort, wo ich mir mein Glück nicht selber erarbeiten kann, dort, wo ich
darauf angewiesen bin, dass ich bekomme, was ich gern habe, dort und erst
dort, werde ich erkennen lernen, dass ich nicht wirklich meines Glückes
Schmid bin. Wenn wir diesen Zuspruch ernst nehmen und nachsprechen lernen,
dann öffnet sich vielleicht für uns ein ganz neuer Blick auf das, was wir
haben. Und auch ein ganz neuer Blick auf Gott wird möglich.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 23. Juni 2011
"Christentum ist Brandstiftung"
Als ehemaliger Feuerwehrmann reagiere ich im ersten Moment sehr heftig.
Nein, Brand-stiftung, dieses zerstörerische, nichtsnutzige Handeln, brauche
ich jetzt wirklich nicht. Bei Sören Kierkegaard gehts auch nicht darum, was
mich zum näher Hinschauen einlädt. Es geht ums Feuer der Begeisterung, um
das Feuer von Pfingsten, das verloren zu gehen droht. Er will verhindern,
dass aus dieser Glut des Glaubens eine wohlige Wärme wird: Er meinte damals:
"Ihr macht da was Warmes, Gemütliches draus und regelt das Feuer, das von
Jesus ausgeht, auf Zimmertemperatur herunter, macht dann eure traditionellen
Feste und Traditionen, wo niemals was Ansteckendes draus folgt, wo folgenlos
über Liebe und Licht gelabert wird. - Keine religiöse Fussbodenheizung,
aber auch nicht ein schwärmerischer Mähdreschereinsatz, sondern ein Feuer,
das brennt, nicht ausbrennt, eine Flamme, die begeistert, aber nicht hirnlos
macht - Eben Pfingsten. - Um das zu erläutern schreibt er:
Ein Haufen schnatternder Gänse wohnt auf einem wunderbaren Hof. Sie
veranstalten alle sieben Tage eine herrliche Parade. Das stattliche
Federvieh wandert im Gänsemarsch zum Zaun, wo der beredtste Gänserich mit
ergreifenden Worten schnatternd die Herrlichkeit der Gänse dartut.
Immer wieder kommt er darauf zu sprechen, wie in Vorzeiten die Gänse mit
ihrem mächtigen Gespann die Meere und Kontinente beflogen haben. Er vergaß
nicht dabei das Lob an Gottes Schöpfermacht zu betonen. Schließlich hat er
den Gänsen ihre kräftigen Flügel und ihren unglaublichen Richtungssinn
gegeben, dank deren die Gänse die Erdkugel überflogen.
Die Gänse sind tief beeindruckt. Sie senken andächtig ihre Köpfe und drücken
ihre Flügel fest an den wohlgenährten Körper, der noch nie den Boden
verlassen hat.
Sie watscheln auseinander, voll Lobes für die gute Predigt und den beredten
Gänserich. Aber das ist auch alles. Fliegen tun sie nicht. Sie machen nicht
einmal den Versuch. Sie kommen gar nicht auf den Gedanken. Sie fliegen
nicht, denn das Korn ist gut, der Hof ist sicher, und ihr Leben bequem.
Möge ihr Herz entflammen zu einem vollen Leben.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 20. Juni 2011
Beherzt
Ich bin von Natur aus nicht besonders ängstlich. Ich habe keine Angst vor
dem Wasser. Aber ich bin auch nicht besonders mutig. Vor allem dann, wenn es
darum geht, offen meine Meinung zu sagen oder spontan einzugreifen, wenn
jemand Hilfe braucht oder ungerecht behandelt wird.
Damit bin ich offenbar nicht allein. Warum geschehen denn manche Verbrechen
auf offener Straße und alle sehen weg? Ein Sprichwort sagt: Das Böse lebt
von der Feigheit des Guten. Wo die Guten nichts tun, gedeiht das Böse.
Nach dem 11. September 2001 schickte der Benediktinermönch und
Friedensaktivist David Steindl-Rast einen bewegenden Aufruf in die Welt.
Darin machte er deutlich, dass es die Furcht im Herzen des Menschen ist,
welche die Gewalt hervorbringt: Es ist mein eigenes Herz, in dem ich Angst,
Unruhe, Kälte, Abneigung und Regungen von blinder Wut erkennen muss. Hier in
meinem Herzen kann ich Furcht in mutiges Vertrauen, Unruhe und Verwirrung in
Stille, Abgetrenntheit in ein Gefühl der Zugehörigkeit, Abneigung in Liebe
verwandeln. Um dies einzuüben, rät Bruder David zu fünf Schritten für das
tägliche Leben:
- Mobilisiere den Mut deines Herzens.
- Sag heute ein Wort, das einer ängstlichen Person Mut gibt.
- Wende dich aus der Stille deines Herzens nach aussen, halte jemandes
Hand und verbreite Ruhe.
- Blicke einem Fremden in die Augen, und erkenne, dass es keine Fremden
gibt.
- Schenke heute jemandem ein unerwartetes Lächeln, und trage so deinen
Teil zum Frieden auf Erden bei.
Der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli rief seinen Zeitgenossen einmal zu:
Tut um Gottes Willen etwas Tapferes! Vielleicht haben wir gerade heute
Gelegenheit dazu.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 16. Juni 2011
Für den Weg in die gemeinsame Vielfalt - ein Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, von dem wir sagen,
er sei wie eine Henne, die ihre Kücken wärmt.
Ich glaube an Gott, von dem wir sagen,
er sei verletzlich und weine manchmal auch mit uns Menschen.
Ich glaube an Gott, von der wir sagen,
sie habe die Welt und Frauen wie Männer wunderbar und schön gemacht.
Ich glaube an den menschgewordenen Gott, von dem wir sagen,
er habe mit uns gelebt und gelitten.
Ich glaube an den Menschen, nicht aber an den Mann Jesus Christus, empfangen
durch Liebe und Lust, geboren zwischen den Schenkeln Marias, gelitten und in
Verwahrung genommen im Namen des Gesetzes unter dem Grölen des Volkes,
geschrien in Verzweiflung, hingerichtet, ermordet und eines grausamen Todes
gestorben am Kreuz.
Ich glaube an die Auferstehung, wie es zuerst Maria aus Magdala und dann
auch Petrus und andere bezeugt haben.
Ich glaube an die Geistkraft, die Verhöhnte stark werden lässt, den Stummen
Sprache verleiht und den Kleingehaltenen Mut.
Ich glaube an die Möglichkeit von Kirche, die lebendig wird und Gemeinschaft
lebt auch ausserhalb von Kirchenmauern, wann immer die Geistkraft es will.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Menschen, nicht nur der Heiligen.
Ich glaube an die Vergebung, die einen Neuanfang ermöglicht,
an die Lebendigkeit trotz Tod,
an Liebe trotz Hass,
an Lebenskräfte trotz Krankheit,
und ich glaube an das ewige Leben. Amen.
(Ruth Egloff (1961-1990), in: Neue Wege 4/1990, S. 101.)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 15. Juni 2011
Verfallsdatum
Auf der ersten Seite einer Zeitung war die Schlagzeile platziert:
Bundesratskandidat mit 60 schon zu alt!
Aufgeschreckt dachte ich daran, dass mich selbst auch nur ein paar Jährchen
von dieser Zahl trennen. Gleich-zeitig erinnerte ich mich an das kurze
Gespräch dreier
Männer im Bus, als ich früh morgens zum Bahnhof fuhr.
"Weisst du, ich bin halt alt, verbraucht und betriebsblind", sagte der eine.
"Dann mach' es doch wie der XY, der hat sich krank gemeldet und ist gar
nicht mehr in die Firma zurückgekehrt. Jetzt bezieht er IV", gibt ihm der
andere zur Antwort. - Was? Nein, das ist nichts für mich. Aber wenn du über
dreissig Jahre immer im selben Betrieb bist, dein ganzes Wissen und deine
Arbeitskraft investiert hast, dann ist es einfach bitter zu hören, dass du
nicht mehr die volle Leistung bringst und vielleicht ausrangiert werden
sollst."
Wir definieren uns zu einem guten Teil über die Arbeit, weil wir dadurch
erfahren, dass wir etwas wert sind. Wird Arbeit nämlich nicht (nur) als
Last, Dauerstress und Druck erlebt, ist sie ein positiver Wert. So heisst es
schon beim Philosophen Immanuel Kant: "Je mehr wir beschäftigt sind, je mehr
fühlen wir, dass wir leben." In der Regel ist unsere Arbeit allerdings
geplant und bestimmt von anderen.
Aber wir sind nicht nur zur Arbeit geschaffen. Wenn die Zeit der
Pensionie-rung kommt oder bei Arbeitslosigkeit, kann dieser Verlust mit
einem Gefühl von Trauer einhergehen. Oder noch krasser, es kommt einem
Schock gleich, wenn alles plötzlich wegfällt, was dem Leben ein Stück Sinn
gegeben hat. Zweifel und Unsicherheit machen sich breit: Bin ich noch
'brauchbar'? Wem nütze ich noch?
Ein Wendepunkt erfordert Abschied nehmen, Perspektivenwechsel und
Neu-orientierung. Darin liegt auch eine Chance, wenn wir fragen: Was kam
bisher zu kurz? Was macht mir Freude? Welche Alternativen gibt es? Was kann
mir
Erfüllung bringen? Womit möchte ich das noch unbeschriebene Blatt 'Zukunft'
füllen? Was soll zuerst einmal bewusst leer bleiben? Und letztlich erweist
sich manches, was im ersten Moment sinnlos erscheint, vielleicht als gute
Fügung Gottes.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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