Weg-Wort vom 7. Juli 2011
Sonnenblumen
Jetzt leuchten sie wieder, die Sonnenblumen. Schon eine einzelne voll
erblühte Sonnenblume ist ein prachtvoller Anblick. Ein ganzes Feld ist eine
wahre Augenweide. Ein paar Kerne, im April oder Mai in den Boden gesteckt,
ergeben im Sommer und Herbst ein schmuckes Blumenbeet. Ich finde sie einfach
faszinierend, diese einjährige Riesenblume, die ursprünglich aus dem
tropischen Amerika stammt.
Ihre weltweite Verbreitung hat die Sonnenblume nicht nur als Zierpflanze,
sondern als eigentliche Nutzpflanze erhalten. Die fetthaltigen Kerne liefern
ein gutes Speiseöl, die Pflanze dient als nahrhaftes Viehfutter, die Kerne
sind eine Zugabe zu Salaten und auch Vogelnahrung. Eine perfekte Pflanze:
eine prächtige Blume, eine nützliche Nahrungslieferantin!
Noch etwas fasziniert mich an der Sonnenblume: Sie wendet sich immer dem
Sonnenlicht zu. An sonnigen Tagen verfolgen ihre Blätter und Knospen die
Sonne auf ihrer Reise entlang des Himmels von Ost nach West, um dann nachts
oder in der Morgendämmerung auf ihre nach Osten gerichtete Position
zurückzukehren. Die reifen Fruchtstände weisen in der Regel nach Osten
dorthin, wo die Sonne aufgeht.
Warum machen wir es nicht auch so: Statt dauernd ins Dunkle, Unerfreuliche,
Hässliche zu schauen (und darunter zu leiden und darüber zu schimpfen)
könnten wir unseren Blick dem Hellen, Schönen, Erfreulichen zuwenden. Dann
könnte sich unser Gesicht aufhellen, und wir würden mehr einer Sonnenblume
als einer Sauerampfer gleichen. Dann würden wir für unsere Mitmenschen
vielleicht auch eine Augenweide.
Machen wir es doch wie die Sonnenblumen!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 30. Juni 2011
Ich packe meinen Koffer und lege hinein
Was am Ende wirklich zählt
Für jede längere Reise braucht es Kleider, Waschzeug und weitere persönliche
Utensilien. Koffer packen ist angesagt.
Die Frage ist, was tue ich hinein oder allenfalls auch, was muss wieder raus
aus dem Koffer, damit er zugeht? Oder nehme ich noch einen zweiten Koffer?
Oder den ganz grossen?
Wahrscheinlich hat jeder und jede von uns eine ganz eigene "Packstrategie".
Kennen Sie das Spiel "Ich packe meinen Koffer und tue hinein "? In einem
Sitzkreis nennt die erste Person etwas, das sie in den Koffer legt. Die
nächste wiederholt das Gesagte und fügt ihrerseits einen Gegenstand dazu. So
kommen immer mehr Dinge zusammen, der virtuelle Koffer füllt sich. Je länger
die Liste wird, desto öfter passiert es, dass jemand ein Teil zu wiederholen
vergisst. Vielleicht aber unterscheidet unser Gehirn
ganz automatisch zwischen 'muss unbedingt mit' und 'ist nicht so wichtig'?
Wenn Sie vor der Aufgabe stünden, alles Lebensnotwendige in einem einzigen
Koffer unterzubringen, was würden Sie hinein tun? Was wäre für Sie wichtig?
Worauf könnten oder wollten Sie nicht verzichten? Würden Sie die
Entscheidung allenfalls davon abhängig machen, wohin die Reise geht? Und
wenn Sie es gar nicht wüssten?
Stellen Sie sich vor, es wäre Ihre Lebensreise. Wäre es da nicht gut, für
möglichst viele Lebenslagen etwas dabei zu haben?
Ich denke, der Inhalt meines Koffers könnte in etwa so aussehen: Wenig
Wäsche. Einige Bücher. Fotos meiner Lieben. Adressen, Telefonnummern und
Handy. Schreibzeug. Eine Taschenausgabe der Bibel. Schokolade. Von
den nicht materiellen Dingen möchte ich mitnehmen: Lebensfreude und Neugier.
Schöne Erinnerungen. Gottvertrauen, Offenheit und Nächstenliebe. Tatkraft
und Ausdauer. Zuversicht und Gelassenheit.
Was wäre in Ihrem Lebensreise Koffer?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 29. Juni 2011
Als Tandem sicher unterwegs
Die moderne Technik eröffnet uns enorm viele Möglichkeiten auf fast allen
Gebieten des Lebens. Wir sind digitalisiert, rund um die Uhr und um den
Globus vernetzt. Geschäftliches lässt sich online abwickeln, privat
kommunizieren wir über Skype. Die Welt ist zusammengerückt, sie ist ein
globales
Dorf geworden.
Dabei ist der Mensch und das ist paradox - auf sich selbst zurückgeworfen
und so allein wie kaum je zuvor. Die eigene Persönlichkeit zu entwickeln ist
wichtig. Aber der Preis der fortschreitenden Individualisierung ist hoch. Es
macht einsam, nur noch an sich selber zu glauben. Denn das hiesse, unseren
Lebensinn selbst zu entwerfen.
Hat denn nicht Gott allem Sein (s)einen Sinn gegeben?
Ich glaube daran. Ich glaube an eine alles ordnende Macht, an etwas, das
grösser ist als alles, was wir zu denken vermögen. Für mich ist das
Göttliche die Urkraft, die der Welt ihre Gestalt und Struktur gegeben hat.
Wenn ich mit meinen beschränkten Kräften darin wirke, so tue ich das mit dem
Vertrauen, dass Gottes Geistkraft mitwirkt. Andernfalls käme ich mir vor wie
Sisyphus, der einen riesigen Stein den Berg hochrollen muss, wissend, dass
sich dies endlos wiederholt. Das macht für mich keinen Sinn.
Wenn ich mit dem Velo unterwegs bin und Rückenwind habe, komme ich fast
mühelos voran. Trete ich zusätzlich in die Pedale, geht es noch schneller.
Genauso stelle ich mir Gott an meiner Seite vor. Er lässt mich manches
wagen, das ich mich allein nicht trauen würde. Er ist mein verlässlicher
Begleiter. Deshalb bete ich gern mit den Worten von Arno Pötzsch:
Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns
allen barmherzig ausgespannt.
Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit und werden sein und
leben in Gott in Ewigkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 28. Juni 2011
Religion als Lebenshilfe
Vor wenigen Jahren war unsere alte Freundin noch ein gern gesehener Gast an
unserem Familientisch. Ihr schallendes Lachen war ansteckend. Dann wurde sie
plötzlich vergesslich und war verwirrt. Die niederschmetternde Diagnose
lautete: rasch fortschreitende Alzheimerkrankheit.
Beim Umzug aus ihrer Wohnung ins Pflegeheim war sie nur noch eine verlorene
Zuschauerin. Wenn wir sie im Heim besuchten, war kein eigentliches Gespräch
mehr möglich. Sobald wir ihr aber ihre geliebte orthodoxe Kirchenmusik
auflegten, war sie ganz Ohr. Einmal sang ihr meine Frau ein altbekanntes
Kirchenlied vor. Darauf reagierte unsere Freundin lebhaft und sang fröhlich
mit.
Das bestätigt die Erfahrung von Pflegeexperten, dass religiöse Rituale und
Lieder bei vielen Demenzkranken Erinnerungen an eine erlebte Religion der
Kindheit wecken. Eine Wissenschaftlerin schildert den Fall einer alten Frau,
die nach der Aufnahme in ein Heim solange das Essen verweigerte, bis die
Ärzte schon eine zwangsweise künstliche Ernährung planten. Die Patientin
habe dann im Speisesaal zufällig ein Tischgebet gehört und daraufhin sofort
mit dem Essen begonnen.
Pflegeexperten und Theologen fordern darum mehr Rücksicht auf die
Religiosität demenzkranker Menschen. Zwar gebe es auch Fälle, in denen
Ängste auf religiöse Weise verstärkt würden. Bei solchen Patienten sei ein
besonders sensibler seelsorgerlicher Umgang erforderlich.
Menschen mit Demenz mögen viel verloren haben, aber ihre Religiosität
anzuerkennen, ist in jedem Fall ein Gewinn. Wenn wir als Pflegende,
Angehörige und Seelsorger das berücksichtigen, haben wir damit nicht die
Lösung für alle wahrlich nicht leichten Alltagsprobleme gefunden, wir
könnten aber in jedem Fall eine intensivere Beziehung zu den Patienten
aufbauen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch