Weg-Wort vom 8. April 2010
Der siebte Himmel
Meiner Tochter gehts im Moment so richtig gut. Sie hat jede Menge Power.
Das Studium macht ihr Freude, und auch bei ihren Nebenjobs hat sie immer
wieder Glück, etwas Passendes zu finden.
Das allein ist es aber nicht. Sie hat Frühlingsgefühle. Das liegt nicht nur
am Wetter, an der Sonne und an den Blumen, die überall aus dem Boden
spriessen und die Welt in die schönsten Farben tauchen.
Sie ist neu verliebt. In ihren Freund. In das Leben. Und sie ist
überglücklich. Sie ist im siebten Himmel.
Sicher haben Sie in einem Glücksmoment auch schon gedacht: Ich könnte vor
lauter Freude an die Decke springen! Ist der siebte Himmel über den
Wolken? Dort, wo die Freiheit wohl grenzenlos sein muss, wie Reinhard Mey
einmal in einem Lied gesungen hat?
Das Reden vom siebten Himmel beschäftigt mich. Schliesslich begegnet uns die
Zahl 7 immer wieder. In verschiedenen Religionen steht sie für Ganzheit,
Fülle und Vollkommenheit. In der jüdischen Ueberlieferung kennt man die
Vorstellung von den sieben Himmeln. Sechs davon sind mit allerlei
Himmelsbewohnern bevölkert. Im siebten jedoch, im höchsten, wohnt allein
Gott. In 2Kor 12,2 heisst es: Ich kenne jemand der vor vierzehn Jahren bis
in den dritten Himmel entrückt wurde . Bis in den dritten!
Das kann nur heissen, dass im siebten Himmel sein ein absoluter
Glückszustand ist, das grösstmögliche Glück, das wir uns vorstellen können.
Gleichsam ein Schwebezustand. Die Zeit scheint stehenzubleiben. In einem
solchen Zustand ist es, als ob die Schwerkraft aufgehoben ist. Wir heben ab
und schweben auf einer Glückswolke. Ein Gefühl voller Seligkeit ist das. Da
kommt etwas Göttliches ins Spiel. Solche Momente können wir nicht
festhalten. Aber wir können den Augenblick geniessen, im Hier und Jetzt.
Ich wünsche Ihnen hin und wieder solche Momente voller Seligkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 7. April 2010
Spiel des Lebens
Eile mit Weile war früher das Spiel der Spiele. In jeder Familie wurde es
gespielt.
Heute erfreuen sich neben Bibliotheken und Videotheken Ludotheken grosser
Beliebtheit. Wir haben die Spiele und damit das Spielen wieder entdeckt. Da
gibt es Gesellschaftsspiele, Strategiespiele, Geschicklichkeitsspiele,
Ausdauerspiele, Wettspiele, Denkspiele, Glücksspiele.
Mit dem Glück im Spiel ist das allerdings so eine Sache. Als Kind wollte ich
immer gewinnen. Ich wollte das Glück zwingen, mit Tricks und kleinen
Mogeleien. Wenn ich dabei war, die letzte Spielfigur ins Ziel zu bringen,
passierte es mir aber garantiert, dass ich rausflog und wieder ganz von vorn
anfangen musste. Das machte mich oft wütend, und ich hatte keine Lust mehr
weiter zu spielen. Ich war eine Spielverderberin.
Unsere deutschen Nachbarn spielen Eile mit Weile unter dem Namen Mensch
ärgere dich nicht. Gerade weil es uns nämlich ärgert zu verlieren, weil es
uns schwer fällt zu akzeptieren, wenn wir nicht immer auf der Gewinnerseite
stehen.
Dabei ist Spiel jede Tätigkeit, die lediglich aus Freude an ihr selbst
geschieht. Das Spiel des Kindes beginnt mit der Beschäftigung mit sich
selbst und führt zum Spiel mit Gegenständen und schliesslich mit anderen
Menschen.
Was aber für das Spiel gilt, das gilt erst recht für das Leben selbst.
Spiel, Satz und Sieg heisst es beim Tennis. Wie aber gehen wir mit
Niederlagen um? Nehmen wir sie sportlich? Das würde bedeuten, dass wir
anderen den Sieg, den Erfolg gönnen und uns von Misserfolg nicht enttäuschen
und entmutigen lassen.
Ich habe Ostern vor Augen, diesen Triumph des Lebens. Vorausgegangen sind
ihm aber trotz vollem Einsatz Versagen, Enttäuschung, Angst, Hadern. Nichts
von Leidverschonung.
Mein Nachbar hat Krebs. Chemotherapie. Ein anderer Nachbar wurde letzte
Woche beerdigt. Sein Enkel war dabei, 20 Jahre jung. Nach der
Hirntumoroperation im vergangenen Jahr geht er mühsam an Krücken. Er lebt,
er kämpft, ist mutlos und dann wieder voller Hoffnung. Spiel des Lebens.
Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg? Trotz Niederlage wieder
aufstehen. Gott richtet uns auf, die Lebenden und die Toten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom Karfreitag, 2. April 2010
Schrei gegen Leiden und Tod
Als Christus auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen
Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und
er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. (Hebr. 5,7)
Das soll Jesus sein? Er hat laut geschrien, Gott angefleht. Wahrlich alles
andere als ein würdevolles Gebaren. Vielmehr ist es ein grosser Aufschrei
gegen Leiden und Tod, gegen ein Ende, bevor alles wirklich vollendet ist.
Jesu Worte Es ist vollbracht könnten zynisch wirken, denn seine Mission
ist ja gescheitert, nichts ist vollbracht.
Er wurde aufs Kreuz gelegt und festgenagelt. Man wollte seine unbequeme
Stimme zum Schweigen bringen. Aber ausgerechnet da passiert etwas, womit
niemand gerechnet hatte. Der Schandpfahl Kreuz wird zum Kreuz der Trauer und
des Protestes und zum Zeichen neuer Hoffnung.
Christus als Ur-Schrei der Menschheit so könnte man das Kreuz benennen.
Aber nur, wenn wir im Gekreuzigten unseren Schrei nach Erlösung und
Befreiung erblicken, begreifen wir, was wir feiern: Gott, der nicht das
Leiden will, sondern das Leben; Gott, der auf unserer Seite ist und mit uns
nach Erlösung schreit. Anders gesagt: Das Kreuz ist die grösstmögliche
Kritik an unserem eigenen Leben, an unseren christlichen Gemeinschaften, an
unserer Kirche. Das Kreuz ist eine Perspektive, durch die die ganze Welt in
den Blick kommt und mit der ich die Welt als Ganzes und den Menschen im
Einzelnen anschaue.(Anton Rotzetter)
Karfreitag steht für Leid, Tod, Hoffnungslosigkeit. Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen? Aber als zweiter Teil der Trilogie
Gründonnerstag-Karfreitag-Ostern ist mit dem Karfreitag nicht alles aus.
Jesu Tod ist der Aufruf, sich einzusetzen gegen das Leiden und für Recht und
Gerechtigkeit. Dann wird Gottes Reich Wirklichkeit. Das sind hoffnungsvolle
Momente, die einem zuteil werden im Alltag einer ungerechten Welt. Das ist
Auferstehung mitten am Tag.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 1. April 2010
Kein Scherz es ist Gründonnerstag
Es ist heute der 1. April, aber auch Gründonnerstag, der Tag also, an dem
Jesus von Nazareth mit seinen Jüngern gegessen hat und kurz darauf von
einem von ihnen verraten wurde. Es ist der Tag, an dem seine vertrautesten
Jünger anstatt zu wachen, eingeschlafen sind, und sie ihren Meister allein
mit seiner Angst gelassen haben. Es ist der Tag, an dem er gefangen wurde
und einer von ihnen sich mutig und mit Gewalt für ihn wehren wollte: Der
gleiche, der ihn kurze Zeit später nicht mehr kannte und verleugnete. Kein
Scherz es ist auch heute noch so: Wir reden dann von Gottes Bodenpersonal,
mit dem wir Mühe haben, mit der Kirche, an der wir verzweifeln könnten, weil
sie so gar nicht mehr nach dem aussieht, was mit Nachfolge Christi
bezeichnet werden könnte.
Da herrscht Masslosigkeit, Vertuschung, Machtgier. Und die Frage sei
erlaubt: Worum geht es denn eigentlich? Geht es darum, das eigene Scherflein
ins Trockene zu bringen? Geht es darum die eigene Haut zu retten? Geht es
darum ohne Rücksicht auf Verlust, die Veränderung der Welt nach eigenem
Gusto durchzuziehen? Wir haben in den Aposteln wunderbare Vorbilder und
das ist wirklich kein Scherz: Sie sind immer noch wirksam. Und Jesus
Christus hat es bei diesen Menschen ausgehalten bei den Menschen, von
denen er wusste: Sie sind es, die ihn verraten und verleugnen. Und im Jahr
2010 sind wir keinen Schritt weiter ich wünschte, das wäre ein
Aprilscherz.
Es müsste zum Heulen sein, wenn da nicht dieser kleine Stachel im Fleisch
wäre, dass Jesu Zuwendung sich nicht davon leiten liess und leiten lässt,
wie wir handeln, sondern vielmehr davon, dass er nicht aufgeben wollte und
nicht aufgeben will, sich für uns einzusetzen, ob wir es verdient haben oder
nicht. Er hört nicht auf und dass das kein Scherz ist, tut gut. Er hört
wirklich nicht auf.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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