Weg-Wort vom 22. April 2010
Aufrecht gehen sollt ihr
Dort, wo ich aufgewachsen bin, hat meine Grossmutter ihren Garten gehabt.
Sie war eine Bauernfrau, die einfach gartnen musste. Für sie bedeutete dies
Leben. Gebückt ging sie jeweils ihren Weg, und wenn es nötig war, tat sie
ihre Gartenarbeit auf den Knien. Durch ihren gekrümmten Rücken wurde sie
immer kleiner, fast so klein, wie ihr Gartennachbar, der am Stock ging und
den Oberkörper nur noch waagrecht halten konnte, so dass er seinen Kopf
jeweils fest nach links drehen musste, um mir, dem Jugendlichen, beim
Grüssen in die Augen schauen zu können. Beides waren eifrige Gärtner. Wenn
ich an Sie zurückdenke, an ihre faltigen Gesichter, an die abgearbeiteten
Hände und an die feinen Erdbeeren, die ich als Lohn ihrer Arbeit geniessen
durfte, dann wirds mir warm. Ich denke an sie als Menschen, die aufrecht
und aufrichtig sich durchs Leben arbeiteten, nicht verschont von Not, von
harter Arbeit, von Entbehrung. Der Zuspruch Gottes, die Seligpreisungen,
galt sicher auch ihnen, den Gebeugten:
Leute, rief er, Gott will den aufrechten Gang
Aufrecht gehen sollt ihr, wenn ihr bettelt nach dem lebendigen Geist, der
heiligen Phantasie Gottes. Euch gehört die höchste Würde.
Aufrecht gehen sollt Ihr, wenn Ihr von Angst niedergedrückt seid.
Ihr werdet aufgerichtet.
Aufrecht gehen sollt ihr, wenn ihr Gewalt ablehnt.
Euch gehört die Erde.
Aufrecht gehen sollt ihr, wenn ihr hungert und dürstet nach Gerechtigkeit in
dieser Welt.
Euch ist ein Festmahl bereitet.
Aufrecht gehen sollt ihr, wenn ihr das Leiden der Menschen nicht aushaltet
und euch dagegen wehrt.
Euch gehört die Zuwendung aller.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 16. April 2010
Aufstehen und nicht liegen bleiben
Die Schwalbe, nicht den Vogel, kennen viele vom Fussballfeld: Wenn einer
sich gekonnt in den Strafraum des Gegners fallen lässt, um einen Penalty
heraus zu schinden und vielleicht dem Gegner noch zu einer gelben Karte zu
verhelfen. Solche Spieler bleiben liegen und halten sich dieses oder jenes
Gelenk und leiden lautstark dass es noch Eindruck macht, aber nicht als
das wahrgenommen wird, was es ist: Reines Theater Fallen und liegenbleiben
sei schon ein integraler Bestandteil des Fussballspiels, denke ich manchmal,
und fast habe ich das Gefühl, es werde auch trainiert.
Das macht mich stutzig. Dient diese Form des theatralischen Auftritts dem
Spiel, oder nur dem Gewinn? Gehört es zur fussballerischen
Gewinn-Maximierung, wenn nicht nur legale oder legitime Mittel eingesetzt
werden, sondern auch solche, die den Grenzbereich streifen und nicht so ganz
koscher sind? Zudem ist das nicht nur im Fussball so, in diesem
Kampfsport, dass es dabei auf allen Seiten und überall nur Unschuldige
gibt: Die, die fällen geben sich ebenso unschuldig, wie die, die fallen.
Täter sein, Opfer sein, Unschuldig sein das sind nicht mehr eindeutig
feststellbare Zustände, sondern werden je länger, je mehr zu inszenierten
Verhaltensmustern: Angelernt, weil es einfacher ist?
Aber, was ist einfacher als aufzustehen, wenn das noch möglich ist
aufzustehen und weiterzuspielen? Ist das Spiel wichtig, die gemeinsame
Freude daran? Oder ist nur der Sieg, der Gewinn, das Geld wichtig?
Wenn das Spiel wichtig ist und bleibt, dann ist Aufstehen im Leben, wenn man
gefallen ist, das einzig Richtige nicht Opfer bleiben oder Opfer spielen.
Und wer das kann, sollte seine Gelegenheit dazu nicht verpassen: Auf-
stehen, nicht liegenbleiben, aufstehen und weiterspielen. Aufstehen immer
wieder und sich aufrichten und damit widerständig sein im Spiel des Lebens.
Das gibt Kraft. Wenn wir nur schon die Bewegung nachvollziehen und
aufstehen, uns aufrichten, und dann aufrecht gehen: Ein gutes Gefühl,
aufrecht zu sein und aufrichtig.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 15. April 2010
Auferstehung mit dem Tod vor Augen
Gerne habe ich die Frau zum Gottesdienst von Zuhause abgeholt. Das Gehen
macht ihr Mühe, immer wieder auf fremde Hilfe angewiesen zu sein auch. Sie
wird älter und die Kräfte lassen nach. Das geht allen so, nur können jüngere
es leichter von sich weisen. - Und dann im Gottesdienst im Pflegeheim das
Thema Auferstehung. Wie predigt man Menschen Auferstehung, die klarer als
andere den Tod vor Augen haben. Und nicht nur sie wüssten gerne, wies
nachher weiterginge so konkret und deutlich wie wir uns das Gegenteil
des ewigen Lebens, also Verdammnis und Hölle, ausmalen können, geht es
nicht. Gehts deshalb nicht, weil wir in Dimensionen geraten, die nicht
einfach nur ein Fortschreiben dessen, was wir kennen, erlauben? Ist es das
ganz Andere, das auch die Grenzen unserer Fantasie transzendiert? Paulus
vergleicht dieses Neue mit dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt,
sterben muss, damit Neues, nämlich Halm, Ähre und Frucht entstehen. Tod
ist so nicht einfach nur als Ende beschrieben, sondern als ein Prozess
grundsätzlicher Veränderung: Aus dem Gestorbenen entsteht etwas ganz Neues.
Die Jünger und Jüngerinnen damals machten mit Jesus diese Erfahrung
vertraut und doch ganz fremd, ganz fremd und doch vertraut.
Unser Weg führt durch den Tod hindurch. Es gibt keinen Ausweg, Ich muss
alles loslassen, was ich habe. Das ist ein Prozess, dem wir uns alle stellen
müssen, und je älter wir werden, desto radikaler wird es. Loslassen, alles
verlieren, den Tod erfahren in seiner härtesten Form. Unausweichlich
Aber so meint Paulus, das ist nicht alles: Dieses Ende zu sehen ist eines,
das, was von Gottes Seite her kommt, zu erwarten, das ist die andere Seite
der Medaille. Sich ganz in Gottes Hand fallen zu lassen jetzt und dann,
das ist wohl die Kunst. Nicht ganz einfach aber es lohnt sich. Im
Korintherbrief (Kap. 15) schreibt er: So verhält es sich mit der
Auferstehung: Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in
Unvergänglichkeit. Gesät wird in Niedrigkeit, auferweckt wird in
Herrlichkeit. Gesät wird in Schwachheit, auferweckt wird in Kraft.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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