Weg-Wort vom 25. Mai 2010
Pfingsten - Welcher Geist bewegt mich?
Pfingsten ist Pfingsten. Es ist der Tag, an dem Gott durch seinen Geist
kirchliche Gemeinschaft begründet. Er ist Boden und Antrieb für ein
Miteinander, das sich immer wieder neu an ihm auszurichten hat.
In den Nachrichten habe ich mir den aus-gelassenen Jubel in Basel über den
Meistertitel seines FC angeschaut. Ich habe vorher Stockers Tor mit dem
linken Fuss und das Kopftor von Chipperfield gesehen, aber auch gehört, dass
die SBB jedes Jahr ca 3 Millionen Franken ausgeben, um Fanschäden in den
Zügen zu beheben. Nein, so sehr ich ein gutes Fussballspiel geniesse, das
ist nicht der Geist, der Pfingsten ausmacht. Ich traue dieser Begeisterung
nicht, weil ich, seit Palmsonntag und Karfreitag weiss, wie schnell diese
Art von Begeisterung in ihr Gegenteil umschlagen kann. Ich traue auch ihrer
religiösen Form nicht. Denn auch sie kann unvermittelt in brutalen
Fanatismus kippen, der alles niedermäht, was nicht den eigenen
Glaubensinhalten und Glaubensformen entspricht.
Welcher Geist hat also die Jünger erfüllt? Einer, der die Zuhörer irritiert
hat. Und was hat irritiert? Ungebildete galiläische Fischer konnten auf
einmal so sprechen, dass alle sie verstanden haben als würde heute einer,
der die Attest-Lehre absolviert hat, so reden, dass ihn Amerikaner und
Chinesen, Inder und Brasilianer, Inuit und Aborigines verstehen könnten: Von
einem Geist erfüllt, dass Gesagtes verstanden wird. Eine Werberegel besagt:
Nicht das, was Du sagst, ist entscheidend, sondern das, was die andern
hören. Da spricht einer ganz und gar nicht die Sprache der Andern und sie
verstehen ihn. Bei uns ist es in der Regel umgekehrt. Und deshalb ist es
schon ein Wunder des Heiligen Geistes, wenn es geschieht, dass das, was
gesagt wird, auch gehört und verstanden wird.
Die Begeisterung durch den Heiligen Geist fällt also nüchterner aus. Es ist
nicht die ausgelassene Stimmung, von der ich, angesteckt, fortgeschwemmt
werde, zu lallen beginne, Unverständliches Zeugs schwatze und dann
vielleicht mit einem Kater aufwache. Das ist es nicht. Aber der Geisteinfall
ist es, der mich ernüchtert und verstehend macht der mich begreifen lässt,
was andere mir sagen, der mich unterscheiden lehrt, der mich verstehen
lässt, was wichtig ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 20. Mai 2010
Sicher kennen Sie das Sprichwort. Immer wieder machen wir diese Erfahrung.
Da entscheiden und handeln wir nach bestem Wissen und Gewissen, und am Ende
kommt nichts ausser Kritik. Das passiert am Arbeitsplatz, aber auch mit der
besten Freundin und mit dem guten Kollegen oder sogar mit dem Partner, der
Partnerin. Ich kann es einfach nicht immer allen recht machen, auch wenn ich
mich noch so sehr bemühe. Es gibt eben nicht nur immer richtig oder falsch,
gut oder schlecht. Hören wir auf jeden Kritiker und befolgen jeden
Ratschlag, haftet uns bald das Image an, keine eigene Meinung zu haben oder
uns einzuschmeicheln, indem wir jedem nach dem Mund reden. Wohin das führen
kann, zeigt eine Geschichte des Lehrers, Theologen und Dichters Johann Peter
Hebel, dessen 250. Geburtstag ihn wieder in unsere Erinnerung bringt:
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Hause und lässt seinen Buben zu Fuss
nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: Das ist nicht recht, dass Ihr
reitet und lasst Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder. Da stieg der
Vater vom Esel und liess den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wanderer und
sagt: Das ist nicht recht, Junge, dass du reitest und lässt deinen Vater zu
Fuss gehen; du hast jüngere Beine. Da sassen beide auf und ritten eine
Strecke. Kommt ein Dritter und sagt: Was ist das für ein Unverstand: zwei
Kerle auf einem schwachen Tier; sollte man nicht einen Stock nehmen und euch
beide herunter jagen? Da stiegen beide ab und gingen alle drei zu Fuss.
Rechts und links Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. Kommt ein
vierter Wanderer und sagt: Ihr seid drei komische Gestalten. Ists nicht
genug, wenn zwei von euch zu Fuss gehen? Gehts nicht leichter, wenn einer
von euch reitet? Da banden Vater und Sohn dem Esel die Vorder- und
Hinterbeine zusammen, zogen einen starken Baumpfahl durch und trugen den
Esel auf den Schultern heim.
So weit kann es kommen, wenn man es allen immer recht machen will.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 19. Mai 2010
Würze braucht es im Leben, aber nicht zu
Ich erinnere mich gut an den Weg, den ich mit mei-nem Vater gegangen bin
hinauf zum Hönggerberg, als Jugendliche ihm Chilischoten zum Essen
ange-boten haben. Er ist auf ihr Angebot eingegangen und die Freude war
auf beiden Seiten gross, als er diese scharfe Delikatesse genossen hat. Die
Schweiss-tropfen auf seiner Stirn haben die Jungs mehr gefreut, als die
ruhige Art des Genusses trotz allem. Die Liebe zu scharfen Gewürzen habe ich
nicht gestohlen. Curry, Peperoncini, Chili haben es mir angetan. Und dadurch
habe ich natürlich auch das Zuviel an Würze kennengelernt, das Zuviel an
Schärfe, als weder Brot noch Bananen, weder Wasser noch Bier etwas genützt
haben.
Der Unterschied zwischen Genuss und Qual, zwischen Freud und Leid ist nicht
gross. Es braucht ja auch nur zwei Buchstaben ihn zu umschreiben, diesen
Unterschied, der so viel, ja oft alles ausmacht. Zwei Buchstaben, und da
wird deutlich, wie wenig es braucht, um Grenzen zu überschreiten, um andere
zu überfahren, um aus einer freundschaftlichen Geste einen Übergriff werden
zu lassen. Im Schweizerdeutschen braucht es nicht einmal das ganze ZU, ein
Z mit Apostroph reicht. Zuviel Alkohol am Steuer, zu nahe, zu viel Salz
in der Suppe, zu hastig.
Suchen Sie diese ZUs in Ihrem Leben. Sie werden sicher fündig und erklären
Sie sie für überflüssig, verabschieden Sie so ein Zu nach dem andern aus
ihrem Leben, sorgfältig und bestimmt, aber nicht zu schnell: So können
scharfe Speisen wieder genossen werden, ohne dass sie zu scharf sind. So
kann eine Beziehung angegangen werden einfach nicht zu ....?
Sie erinnern sich an Jesu Salzwort (Mt 5, 13): Er sagt uns da, dass wir das
Salz der Erde seien, und als solches nicht fade werden sollen. Denn Salz,
das nicht mehr salzt, hat sein Bestimmung verloren und ist unbrauchbar. Aber
als Salz der Erde müssen wir achtsam sein, dass wir nicht zu viel salzen.
Salzloses Brot ist nicht gut, versalzenes jedoch ungeniessbar. Einen gut
gewürzten Tag wünsche Ich Ihnen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 18. Mai 2010
Ausdauer braucht das Leben, aber nicht nur
Heute feiern sie ihren Hochzeitstag, nicht mehr einstellig, das silberne
schon hinter sich, und noch viel Zeit vor sich, sie zu füllen und zu
gestalten. Und alle, die das erleben, können von den Auf und Abs erzählen,
von den Durst-strecken, von den Höhenflügen, die über den siebten Himmel
hinausreichten, vom Alltag Grau in Grau und von den farbigen Zeiten, von
Wolkendecken, undurchdringlich und vom wär-menden Sonnenstrahl, der
Unmögliches fertiggebracht und das Dunkle aufgerissen hat.
Heute feiern sie ihren Hochzeitstag. Das tut doch gut, wenn man für sich
sagen kann: Es ist schön, dass wir es soweit geschafft haben. Letzten Endes
macht es auch dankbar, denn nicht jedem Ehepaar ist es geschenkt, 30, 35
und noch mehr Jahre gemeinsam zu verbringen und dann auch noch sagen zu
können: Es sind gute Jahre gewesen, nicht immer leichte, aber gute. Und aus
dieser Erfahrung kann Freude und Hoffnung auf eine weitere, erfüllte Zeit
wachsen.
Wenn ich junge Paare traue, dann wollen sie als sichtbares Zeichen ihren
Ring tauschen und ihn sich gegenseitig an den Finger stecken. Er steht für
das Versprechen sich für diese Beziehung einzusetzen. Die Ringe sind neu,
glänzen. Ein Strahlen, das sich in den Augen des jungen Paares wiederfindet.
Ich schaue in solchen Momenten oft meinen Ring an, abgeschliffen ist er, er
trägt Spuren des Lebens an sich, er ist nicht frisch, aber ich möchte ihn
nie und nimmer missen. So soll es doch auch mit der Liebe sein. Sie soll
sich verändern, sie wird gebraucht, die Gefahr ist gross, dass sie
verbraucht wird, aber wie der Ring soll sie kreisrund bleiben ohne
Anfang und ohne Ende.
Das wünsche ich allen Paaren, die sich auf den Marathon eines gemeinsamen
Ehelebens begeben oder mittendrin sind oder mitten in der Krise und allen,
die sich auf Beziehungen einlassen dass sie dranbleiben und nicht
vergessen: Unser Leben braucht Ausdauer und sorgsamen Umgang mit sich und
dem Nächsten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 14. Mai 2010
Der erfahrbare Himmel
In der modernen Astrophysik gibt es kein Oben und Unten des Universums. Für
das Weltbild der Antike dagegen war über dem Firmament der göttliche Bereich
mit dem Thron Gottes. Von dort war Jesus auf die Erde gekommen, und zu
diesem seinem Ursprungsort kehrte er nach seiner Auferstehung zurück,
nämlich zur Rechten des Vaters.
Damit ist gemeint am Herz des Vaters. Und das heisst, nicht in weiter
Ferne, irgendwo im Weltall draussen, sondern im Zentrum der Welt.
Mit dem Tod von Jesus hat die Zeit begonnen, wo er durch uns weiterleben
möchte. Das Fest Christi Himmelfahrt ist deshalb ganz wesentlich mit dem
Auftrag verbunden, Gottes Wort in die Welt zu tragen. Und was wäre dieses
Wort anderes als seine Liebe und somit ein Stück Himmel auf Erden?
Im Englischen gibt es für Himmel zwei Wörter: Sky und heaven.
Sky bezeichnet den sichtbaren Himmel über uns mit Wolken und Sternen. Heaven
hingegen einen nicht sichtbaren, aber dennoch erfahrbaren Ort.
Die nachfolgende kleine Begebenheit bringt uns diesen Himmel nahe:
Beat hatte von seinen Eltern gehört, wie schön es im Himmel sei. Aber
niemand konnte ihm erklären, wie es dort in Wirklichkeit ist. So nahm er
eine Leiter und stieg die Sprossen hoch. Aber je höher er stieg, umso mehr
merkte er, dass der Himmel weit weg war. Er nahm eine längere Leiter. Doch
der Himmel blieb immer noch weit weg unerreichbar für Beat. Die Eltern
hatten ihm zugeschaut und gefragt, was er denn vorhabe. Beat erzählte ihnen
von seinem Wunsch zu sehen, wie der Himmel wirklich sei. Der Vater sagte:
Leg die Leiter auf den Boden. Beat machte es, sah vor sich die lange
Leiter und fing an, von Sprosse zu Sprosse zu gehen. Am Ende der Leiter
standen seine Eltern. Mutter und Vater öffneten ihre Arme und drückten ihr
Kind an sich. Sie mussten nichts sagen. Beat wusste nun, wie es im Himmel
ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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