Weg-Wort vom 8. Juni 2009
Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen (Mt 5,44)
Der alttestamentliche Rechtsgrundsatz gleich um gleich (Ex 21,24; Lev
24,20) war schon ein Fortschritt, indem er die masslose Blutrache eindämmen
wollte. Jesus aber fordert in der Bergpredigt den völligen Verzicht auf
Vergeltung, weil nur so der Teufelkreis von Gewalt und Gegengewalt
durchbrochen werden kann.
Ist das aber nicht purer Selbstmord? Ist nicht Jesus das beste Beispiel
dafür? Sind nicht alle Vorkämpfer für Gewaltlosigkeit wie Mahatma Gandhi und
Martin Luther King umgebracht worden?
Sicher kann es Situationen geben, in denen auch Christen abwägen müssen, ob
und wie Gewaltanwendung nötig und berechtigt ist. Aber die Grundlinie ist
klar. Und sie entspricht dem, was wir aus den Evangelien von Jesus wissen:
Gewalt, Krieg, bewaffneter Widerstand sind seine Sache nicht. Wohl aber
Feindesliebe und die Mahnung, dass wer zum Schwert greift durch das Schwert
sterben wird.
Die Methoden der Gewalt sind im Laufe der Geschichte auch der
Kirchengeschichte zur Genüge erprobt worden. Und mit welchem Erfolg!
Ist dem gegenüber die Gewaltlosigkeit wirklich so unrealistisch? Der
russische Dichter F. M. Dostojewski war da anderer Meinung: Wenn du dich
ein für allemal dazu entschlossen hast, so wirst du die ganze Welt
bezwingen. Die demütige Liebe ist eine furchtbare Kraft; sie ist die
allergrösste Kraft, und ihresgleichen gibt es nicht.
Menschen, die mir feindlich gesinnt sind, kann ich beim besten Willen nicht
sympathisch finden und lieben, aber ich kann für sie beten, auch für ihre
Bekehrung. Dazu ermutigte der bekannte, 2004 verstorbene Wiener Kardinal
König, selber ein grosser Beter: Wir müssen viel mehr füreinander beten.
Wenn man im Gebet an jemanden denkt, der einem zum Beispiel nicht liegt,
dann lernt man ihn oft mit anderen Augen sehen. So kann das Gebet zu einem
Instrument des Friedens unter den Menschen werden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 4. Juni 2009
Die Goldene Regel
Wenn wir als Buben etwas teilen mussten, einen Apfel oder einen Nussgipfel,
dann achteten wir genau darauf, dass jeder exakt die Hälfte bekam. Auf
keinen Fall durfte der Anteil des anderen grösser sein als der eigene. Für
die heikle Aufgabe des Teilens hatten wir eine unfehlbare Methode: Der eine
durfte den Leckerbissen in zwei Hälften schneiden und der andere konnte
dafür als erster seinen Anteil wegnehmen. So bemühte sich jeder im eigenen
Interesse, dem anderen genau gleichviel zuzuteilen wie sich selber.
Ein ähnlich unfehlbares Rezept gibt Jesus in der Bergpredigt für unser
mitmenschliches Verhalten: Wie ihr von den Menschen behandelt werden wollt,
so sollt auch ihr sie behandeln (Mt 7,12). Man nennt diesen Grundsatz die
Goldene Regel. Sie ist ein verblüffend einfaches Rezept: Um zu wissen, wie
wir uns dem Nächsten gegenüber verhalten sollen, braucht es keine hohe
Bildung, kein Bibelstudium und kein langes Nachdenken. Denn was wir selber
gerne hätten, das wissen wir gewöhnlich recht genau. Wenn wir also erfahren
wollen, wie wir uns verhalten sollen, dann brauchen wir uns nur die
Testfrage zu stellen: Wie möchte ich selber von den anderen in der gleichen
Situation behandelt werden. Dann fällt uns die Antwort nicht mehr schwer.
Oder wenn ich mir nachträglich Gedanken darüber mache, ob ich den anderen
richtig, fair und gerecht behandelt habe, so brauche ich nur rasch die
Nagelprobe zu machen: Wie würde ich selber auf die gleiche Behandlung
reagieren? Positiv? Dann habe ich richtig gehandelt. Wäre ich auch sauer
geworden? Dann habe ich mich falsch benommen.
Die Goldene Regel ist mehr als ein raffiniertes Rezept. Sie enthält das
Grundgesetz des mitmenschlichen Verhaltens, ohne das ein Zusammenleben nicht
denkbar ist. Darum finden wir sie ähnlich formuliert in allen
Weltreligionen. Sie ist für jeden Menschen, auch für ungläubige
einleuchtend.
Es bleibt die Frage, woher wir die Kraft nehmen zu echt menschlichem Denken
und Handeln. Lassen wir sie uns heute von Gott schenken!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 29. Mai 2009
Jeder, der zu mir kommt und meine Worte hört und danach handelt - ich will
euch zeigen, wem er gleich ist.
Er ist einem Menschen gleich, der, als er ein Haus baute, tief aushob und
das Fundament auf Fels legte. Als dann Hochwasser kam, riss die Flut an
jenem Haus, und sie vermochte es nicht zu erschüttern, weil es gut gebaut
war.
Wer die Worte aber hört und nicht danach handelt, ist einem Menschen gleich,
der ein Haus auf den Erdboden baute, ohne Fundament. Als dann die Flut daran
riss, stürzte es sogleich ein; (Mt. 7, 24-27)
Die Kinder befassten sich im Unterricht mit einem Propheten. Für sie war es
klar; die Leute waren dumm, weil sie nicht auf die Ermahnungen des Propheten
gehört haben. Darum hat Gott dann die Leute bestraft.
Jesus lehrte seine Zuhörer mit Gleichnissen, damit sie gelassener leben
können. Er sagte, bau dein Lebenshaus auf festen Grund. Denn es wird auch in
deinem Leben Stürme geben. Ist dein Lebenshaus ohne Fundament erstellt,
fällt es zusammen, bei der nächsten Krise. Jesus meinte damit die moralisch-
ethische Lebensweise eines Menschen, die ihm dann Halt gibt wenn sein Leben
erschüttert wird.
Der Fels, auf den Jesus sein Leben gestellt hatte, war seine Beziehung zu
Gott. Diese Beziehung war ihm sein höchstes Anliegen; weit wichtiger als
Ansehen oder Erfolg. Es gab für Jesus manche Versuchung und grosse
Erschütterungen. Das Fundament aber brachten sie nicht ins Wanken.
Wie fest unser Basis ist, wissen wir nie genau. Darum sollten wir unser
eigenes Lebensfundament immer wieder prüfen und verbessern. Dies ist ganz
besonders dann wichtig, wenn wir dem Lebenshaus noch ein Stockwerk aufsetzen
möchten. Dann, wenn wir Neues im Leben anstreben. Bevor man höher baut, um
nach den Sternen zu greifen, gilt es sich zu vergewissern, ob das eigene
Fundament dem grösseren Druck auch Stand halten wird.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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