Weg-Wort vom 6. Dezember 2010
O Heiland, reiss die Himmel auf
Als Friedrich Spee dieses Lied schrieb, wütete der Dreissigjährige Krieg.
Die Not der Menschen war unbeschreiblich. Die Worte für den Liedtext fand
Spee beim Propheten Jesaja.
O Heiland reiss die Himmel auf, herab, herab vom
Himmel lauf. Reiss ab vom Himmel Tür und Tor,
reiss ab, wo Schloss und Riegel vor.
Ich finde diese Sprache gewaltig! Es sind ungestüme und drängende Worte,
nicht bloss ein frommer Wunsch, sondern eine ganz massive
Forderung: Nun mach schon, Gott, beeil dich und komm endlich! Da klagt der
Prophet und schreit nach Gerechtigkeit und Frieden für sein Volk.
Klage macht dann Sinn, wenn sie nicht zu Resignation oder gar Depression
führt, sondern das ganze Elend hinausschreit. Wer nichts mehr zu verlieren
hat, kann nur noch gewinnen. So wird die grösste Krise oft zu einem Impuls
für neue Hoffnung und zu einem entscheidenden Wendepunkt im Leben.
Gott, ich brauche deine Hilfe. Meine Situation sieht schlecht aus. Ich habe
keine Arbeit, keinen Beruf, und ich bin bekümmert. Ausserdem habe ich Angst
und habe wenig Antrieb. Bitte hilf mir heraus und zeige mir eine Lösung.
Die Person, die das sagte, gab trotz ihrer schlimmen Lage nicht auf. Die
Hoffnung half ihr zu vertrauen, dass Gott da ist, dass er ihr Kraft gibt zum
Durchhalten.
Reiss doch die Himmel auf und steig herab! Da geht es nicht um ein paar
heimelige Adventstunden, sondern darum, wie wir unser Leben ausrichten.
Nichts gegen gemütliche Adventsstunden, aber sie sind nicht dazu da, dass
wir vor der Realität flüchten. Sie sind dazu da, uns weiter zu bringen,
Weihnachten entgegen, und damit näher zum Frieden und zur Freude.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 2. Dezember 2010
Adventskalender einmal anders
Letzthin - noch fast Mitte November - ging ich wie gewohnt zur Post und
staunte nicht schlecht:
Ein Adventskalender war hinter den Frauen und Männern am Schalter aufgehängt
- riesig. Für ein Unternehmen, das sich je länger je mehr auf Kommerz
einstellt, doch etwas spät, dachte ich.
In verschiedensten Einkaufstempeln des Landes gingen die Vorbereitungen auf
Weihnachten schon Ende September los. Dafür ist Mitte November doch sehr
moderat. Als ich genauer hinschaute, entdeckte ich zu meiner Beruhigung,
dass die Türchen zum Öffnen nicht auf den 24. Dezember ausgerichtet waren,
sondern für den ganzen Monat reichten. Es waren die dicken, fetten
Millionenlose, die da wie ein Adventskalender aufgehängt worden sind. Sie
sollten an Weihnachten erinnern, an die Geburt des Kindes. An die
Verheissungen der Engel. Aber es ist nur Geld als Einsatz und nur Geld als
möglicher Gewinn. Nur Geld kein Friede auf Erden. Ich dachte schon hier
bei der ehemaligen PTT würde noch so etwas vom service public
durchschimmern.
Aber beruhigt konnte ich feststellen: Kommerz, du hast auch dieses Kind fest
in deinen Händen.
Wohin geht da die Reise? Je mehr wir haben, desto schwerer lastet die Leere
auf uns und wir bewegen uns je länger je mehr ins Nichts. Die Sehnsucht nach
Sinn und Inhalt wird stärker und stärker, dass das Licht Christi wirklich
leuchtet und wir in dieser Zeit vermehrt zur Besinnung kommen. Wann sonst
wird der Kontrast und die Spannung zwischen kommerziell aufgeblasener
innerer Leere und der Fülle an Wärme und Geborgenheit in armseliger Umgebung
deutlich. Wohin geht die Reise? Zu den Millionen oder zur bescheidenen Ruhe
an der Krippe? Ich wünsche Ihnen und mir eine gute Entscheidung und eine
gesegnete Adventszeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 26. November 2010
Adventszeit Zeit, zur Besinnung zu kommen
Es war vor ein paar Jahren in der Adventszeit. Ein Berufskollege schrieb
mir, jetzt sei sie wieder da, die besinnliche Zeit, in der wir besinnliche
Anlässe anbieten bis zur eigenen Besinnungslosigkeit. Der Satz hatte mich
damals so sehr aufgeschreckt und ins Nachdenken gebracht, dass er mir
pünktlich zum Beginn des Advents alle Jahre wieder in den Sinn kommt.
Nein, so weit will ich es nicht kommen lassen. Eher
umgekehrt: Ich möchte zur Besinnung kommen, mich darauf besinnen, was es auf
sich hat mit dem Advent, mit diesen Wochen vor Weihnachten.
Eine befreundete Pfarrerin schenkt mir jedes Jahr einen Adventskalender von
mission 21, dem evangelischen Missionswerk Basel. Der Kalender führt mich
Tag für Tag zum Weihnachtsfest hin. Hinter den Türchen verbergen sich keine
Schoggitäfelchen, sondern jeweils kurze Gedanken einer bekannten Person.
Dieses Jahr finde ich im ersten Fenster Worte von Ricarda Huch:
Liebe ist das einzige, das nicht weniger wird, wenn wir es verschwenden.
Aus diesem Satz lässt sich ein Tagesvorsatz machen, mit dem ich der Hoffnung
und Sehnsucht nach einer helleren und heileren Welt ein Stück näher kommen
kann.
Was also will ich mir heute vornehmen, für diesen überschaubaren Zeitraum?
Geduldiger werden und warten können. Aber nicht einfach abwarten und Tee
trinken, sondern etwas in Bewegung bringen, indem ich mich hinbewege auf
Menschen, die darauf warten, dass jemand ihnen freundlich begegnet, ganz Ohr
ist, mit wachen Sinnen für sie da ist, so dass sie spüren, wie wertvoll sie
sind.
Das ist für mich Advent. Bereit sein, mich von Gott mich führen zu lassen,
die Welt mit neuen Augen sehen und in jedem Menschen erkennen, dass Gott
nahe ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 25. November 2010
Zwischen Ewigkeitssonntag und erstem Advent
Es ist die Woche zwischendrin die Woche
zwischen Abschied und Neuanfang,
zwischen Rückschau und Ausschau,
zwischen Erfahrung und Erwartung. Zwischendrin ist eigentlich emotionales
Niemandsland.
Es redet von einem Weder Noch oder einem Sowohl Als auch.
Unklar ist, wohin uns unser Weg führt.
Nach vorn oder in die Vergangenheit?
Es könnte auch sein, dass wir ganz die Orientierung verlieren, weil alles so
gleich ist und wir uns je länger je mehr im Kreise bewegen.
Das Licht der Sonne führt nicht mehr, es blendet und alles, was wir als
sicher glaubten entwischt als Fata Morgana.
Es ist eine Zeit zwischen den Zeiten, wie die zwischen den Jahren.
Alles beginnt neu, auch dann, wenn Altes noch gar nicht abgeschlossen ist:
Die Ankunft der Advent erwartet uns. Bald zählen wir die Tage, bis
Christus erneut in unser Leben geboren wird und das Licht seiner Ankunft
unser Leben neu ausleuchtet. Neues Licht auf alte Erfahrung.
Wenn ich meine Vergangenheit im Lichte Christi anschauen lerne hell
beleuchtet und mit versöhntem Blick, kann sich da nicht Einiges klären, darf
sich da nicht Einiges klären? Vor allem das darf sich klären, was noch in
meinem Schatten liegt und ich selber so schlecht sehen kann und sehen mag.
Klärt sich das, ist viel gewonnen und keine emotionale Fata Morgana
verhindert den Blick nach vorn. Bin ich mit mir und meiner Vergangenheit im
Reinen, darf ich getrost Zukünftiges erwarten und mich selber im Licht
Gottes, der auf mich zukommt, sehen und erfahren.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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