Weg-Wort vom 4. September 2009
Wegerfahrungen
Es ist wieder Wanderzeit. Die sonnigen Septembertage locken die Menschen
hinaus ins Freie. Man wandert wieder. Mit Wanderbüchern und Wanderkarten,
mit Wanderschuhen auf Wanderpfaden, entlang neuer Wanderwege oder alter
Pilgerstrassen.
Gehen und Wandern an der frischen Luft in freier Natur ist für mich die
beste Art der Erholung für Körper und Geist. Wandern ist für mich auch eine
bevorzugte Weise der Meditation, eine Möglichkeit, etwas über den Sinn und
das Ziel meines Lebens und Glaubens zu erfahren.
Beim Wandern ist mir in diesen Tagen wieder neu bewusst geworden, dass unser
christlicher Glaube ein Weg ist, also nicht ein Zustand, nicht ein sicherer
Besitz von ewigen Wahrheiten. Unser Glaube ist nicht einfach da, sondern er
entwickelt sich erst in dem Masse, wie wir unseren Lebensweg gehen.
Wenn unser Glaube ein Weg ist, dann sind die unterschiedlichen
Weg-erfahrungen, die wir machen, ebenso viele Glaubenserfahrungen. Dann
gehört zum Glauben auch die Erfahrung der Müdigkeit. Oder es tauchen Zweifel
auf, ob der eingeschlagene Weg auch der richtige sei. Wer von uns hat nicht
schon einmal das Gefühl gehabt, er sei trotz gutem Willen in eine Sackgasse
geraten? Alle diese Erfahrungen gehören mit zum Glauben. Sie sind nicht
Zeichen mangelnden Glaubens, sondern verschiedene Stationen des Glaubens.
Mangelnder Glaube wäre es nur, wenn wir stehenbleiben würden. Glauben
heisst, einen Weg gehen und darum wissen, dass wir geführt werden.
Jesus sagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6), d.h.
ich bin der wahre Lebensweg. Ich zeige und eröffne euch einen gangbaren
Lebensweg, der jetzt schon sinnvoll ist und über den Tod hinaus führt. Er
ist diesen Weg vorausgegangen. Im Anschluss an ihn können wir unseren
eigenen Lebens- und Glaubensweg gehen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 3. September 2009
Herr weise mir den Weg und mache mich willig, ihn zu gehen.
(aus dem Gebet der Heiligen Brigitta)
Zweimal begegnete mir die heilige Brigitta innert kurzer Zeit. Ein
Kugelschreiber mit ihrem Gebet und eine Ansichtskarte fanden über
verschiedene Wege auf meinen Tisch. Dies nehme ich als Anregung mich mit ihr
zu beschäftigen.
Das Mädchen Brigitta wurde in eine fromme schwedische Adelsfamilie geboren.
Sie wünschte früh einem Orden beizutreten. Die Sehnsucht nach Gott sei bei
ihr sehr ausgeprägt gewesen. Vielleicht war dies der Grund, dass man sie
bereits mit dreizehn Jahren aus der behüteten Kindheit entlassen und
verheiratet hat.
Ihrem Mann hat sie acht Kinder geboren. Als dieser auf der gemeinsamen
Pilgerreise nach Santiago verstarb, gründete sie einen neuen Orden zur
Armenpflege. Seit langem hatte Brigitta Visionen. Als Witwe war sie frei
ihrem göttlichen Auftrag zu folgen. Sie wollte Frieden im 100- jährigen
Krieg stiften. Dazu versuchte sie den Papst zu bewegen von Avignon nach Rom
zurück zukehren. So übergab sie die Leitung des Ordens ihrer Tochter und
übersiedelte nach Rom, um als Frau im Rom des 14. Jahrhunderts
internationale Politik zu machen.
Wohl nicht alle Aufgaben, die ihr das Leben stellte, sind Brigitta leicht
gefallen. Sie übernahm sie, weil sie darin ihren Lebensauftrag erkannte. Sie
nutzte dazu ihre Fähigkeiten und Verbindungen, ihr Geld. In Rom gründete sie
ein Hospiz für Arme in dem sie selber auch diente. Wenn sie dabei war zu
verzagen, dann half ihr ihre Ausdauer im Gebet weiter.
Der Essenz ihres Gebetes entnehmen wir, dass auch Brigitta immer wieder mit
sich gerungen
hat. Dabei hat sie gewusst, dass ihr nichts anderes bleibt als weiter den
Weg mit Gott zu gehen.
Sie tat es mit Entschlossenheit und Zuversicht. Ihr Glaube hielt sie in
Bewegung. Mit neunundsechzig Jahren pilgerte sie von Rom nach Jerusalem.
Danach lebte sie in Rom. Herr weise mir den Weg und mache mich willig, ihn
zu gehen!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 31. August 2009
Wertschätzung
Ich werde total übergangen. Meine Leistung wird nicht anerkannt. Die
anderen machen mit mir, was sie wollen. Meine Grenzen werden überhaupt nicht
respektiert, solche und ähnliche Klagen begegnen uns jeden Tag.
Wir können alles haben, ein tolles Auto, eine schöne Wohnung, einen gut
bezahlten Job - wenn wir keine Wertschätzung spüren, verdursten und
verkümmern wir innerlich wie eine Pflanze ohne Wasser. Wertschätzung ist ein
menschliches Grundbedürfnis. Je grösser das Defizit an erfahrener
Wertschätzung ist, desto schlechter fühlt sich ein Mensch.
Wertschätzung heisst das Zauberwort im sozialen Umgang miteinander. Die
wertschätzende Haltung betrifft eine Person als Ganzes, ihr Wesen. Sie ist
verbunden mit Respekt, Achtung, Wohlwollen und Anerkennung. Sie ist wichtig
in allen Bereichen des Lebens: im Umgang von Eltern und Kindern, Lehrern und
Schülern, Mitarbeitenden, Vorgesetzten und Untergebenen.
Bedingungslose positive Wertschätzung, mit der jemand dem ratsuchenden oder
leidenden Klienten begegnet, ist eine Grundhaltung der Psychotherapie,
Beratung und Seelsorge. Einen Menschen vorurteilslos annehmen, gerade auch
mit seinen Besonderheiten und Schwierigkeiten, ist eine Voraussetzung dafür,
dass ich ihm helfen kann.
Wertschätzung öffnet verschlossene Türen. Eine wertgeschätzte Person
spiegelt zurück und beschenkt andere. Oft sind wir uns gar nicht bewusst,
wie wertvoll die Menschen sind, mit denen wir täglich zusammen sind. Das
Lächeln im Gesicht des anderen, wenn ich ihm echte Wertschätzung entgegen
bringe, ist ein wunderbarer Anblick.
Diese Haltung setzt Selbstachtung voraus. Wenn ich mich selber nicht
akzeptieren und ausstehen kann, wie soll ich dann meine Mitmenschen
wertschätzen? Wenn ich mich selber achte und liebe, so wie ich bin, wer und
was immer ich bin, dann wird mir dies auch den anderen gegenüber gelingen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 27. August 2009-08-27
Paradies
Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von
Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen
mit ihrem Samen darin. So geschah es.
Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen
tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin.
Gott sah, dass es gut war. (Gen 1, 11-12)
Die Töpfchen standen auf dem Fensterbrett, dann wieder auf dem Parkett. Wann
immer die matte Februarsonne durchs Fenster schien, rückte mein Kollege sie
ins Licht. Von der Ernte des vergangenen Sommers hatte er ein paar
Tomatenkerne aufgehoben. Diese steckten nun in der feuchten Erde. Für die
Zuversicht, dass seine Mühe und Geduld sich lohnen werde, bewunderte ich
ihn. Selber hatte ich nie die Geduld dafür aufgebracht. Die Kerne keimten,
aus den ersten winzigen Blättchen wurden Pflänzchen. An einem warmen Tag im
Mai, überreichte mein Kollege mir drei Setzlinge für meinen Garten.
Sie gediehen, blühten und bald bildeten sich an den Rispen Früchte. Meine
Freude war gross, als der erste Paradiesapfel sich rötete. In nur sechs
Monaten ist aus dem trockenen Kern eine duftende Tomate gewachsen.
So ist es mit allem Grünzeug, warum also die Aufregung?
Es war mir geschenkt das bewusst mit zu erleben. Soviel Lebenskraft zu
beobachten begeistert, denn sie weist auf den Schöpfer hin, der alles so
wunderbar eingerichtet hat.
Im Garten ist man dem Paradies wohl zur Erntezeit am nächsten. Beeren
reifen, Kürbisse glühen und an den Bäumen glänzen die Äpfel. Man fühlt, der
Schöpfer ist nah. Er beschert einem diese Fülle. Zur Erntezeit fühlt man
sich reich. Den Überfluss andern weiterzugeben verstärkt dieses Gefühl. Mit
den Tomaten und Äpfeln wird auch die Freude und Dankbarkeit über eine
gesegnete Ernte geteilt. Dabei weiss man sehr wohl, wie wenig man selber
dazu beigetragen hat.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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