Weg-Wort vom 30. Juli 2009
Schwerter zu Pflugscharen
Im Park des Uno-Hauptquartiers in New York steht eine wuchtige Bronzefigur -
ein Geschenk der damaligen Sowjetunion. Sie stellt einen athletischen jungen
Mann dar, der mit weit ausholendem Hammerschlag einem Schwert eine andere
Form gibt. Er schmiedet das Kriegsgerät um in ein landwirtschaftliches
Produktionsmittel. Das kraftvolle Mahnmal erinnert an eine Friedensvision
des biblischen Propheten Jesaja:
Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spiesse zu
Rebmessern.
Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den
Krieg nicht mehr lernen. (Jesaja 2,4)
Diese Zeilen entwerfen einen alten Menschheitstraum, die Vision einer
friedlichen Zukunft, die sich noch nicht erfüllt hat, die uns aber bis heute
beschäftigt.
Frieden wird nicht von selbst. Er erfordert kraftvollen Einsatz, Engagement
und Kreativität. Schwerter sind umzuschmieden in Pflugscharen. Das fängt in
den Köpfen an. Die Idee, Frieden sei durch Krieg zu gewinnen, sollte endlich
als Ur-Irrtum entlarvt werden.
Aber Frieden ist nicht bloss mit positiven Gedanken zu erreichen. Man muss
auch etwas für ihn tun. Die Maschinerie der Zerstörung ist zu stoppen. Es
sind Projekte zu fördern, die der Gesundheit, der Bildung und der
Chancengleichheit der Menschen dienen. Wer mithilft, ein besseres Leben in
Freiheit für alle anzustreben, arbeitet für den Frieden. Den Friedenstraum
gilt es nicht nur zu träumen, es gilt auch, etwas für seine Verwirklichung
zu tun. (Walter Achermann)
Selig die Frieden stiften, heisst es in der Bergpredigt (Matthäus 5,9). Wo
kann ich selber Friedensstifter / Friedensstifterin sein, indem ich mich in
meinem eigenen Lebenskreis aktiv für den Frieden engagiere, Konflikte
ausräume und Versöhnung herbeiführe?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 29. Juli 2009
Sich selber annehmen
Das biblische Gebot der Nächstenliebe geht von der Voraussetzung einer
gesunden naturhaften Eigenliebe aus: Liebe deinen Nächsten wie dich
selbst. Wer sich selbst nicht mag und respektiert, hat meist auch Mühe,
andere zu lieben und zu achten.
Eigenliebe ist nicht mit Selbstverliebtheit und Eitelkeit zu verwechseln.
Eigenliebe heisst: Ich nehme mich bedingungslos an mit meinen Stärken und
Schwächen. Ich bin im Frieden mit mir selbst. Ich feiere an guten Tagen
meine Freude und tröste oder verwöhne mich an schlechten Tagen. Ich bin gut
zu mir selbst. Ich verzeihe auch mir einen Fehler.
Darüber hat der Tiefenpsychologe C. G. Jung geschrieben: Das Einfachste ist
immer das Schwierigste. So ist das Sich-Selber-Annehmen der Inbegriff des
moralischen Problems. Dass ich den Bettler bewirte, dass ich dem Beleidiger
vergebe, dass ich den Feind sogar liebe im Namen Christi, ist unzweifelhaft
hohe Tugend. Was ich dem Geringsten unter den Brüdern tue, das habe ich
Christo getan. Wenn ich nun aber entdecken sollte, dass der Geringste von
allen, der Ärmste aller Bettler, der Frechste aller Beleidiger, ja der Feind
selber in MIR ist, ja, dass ich selber des Almosens meiner Güte bedarf, dass
ich mir selber der zu liebende Feind bin, was dann? Dann dreht sich in der
Regel die ganze christliche Wahrheit um, dann gibt es keine Liebe und Geduld
mehr.
Christus hat sich des Sünders angenommen und ihn nicht verdammt. Die Wahre
Nachfolge Christi wird dasselbe tun, und da man dem anderen nichts tun
sollte, was man sich selber nicht täte, so wird man sich auch des Sünders
annehmen, welcher man selber ist.
Durch Liebe bessert man, durch Hass verschlechtert man - auch sich selber.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 28. Juli 2009
Kritik als Liebesdienst
Wenn dein Bruder oder deine Schwester gesündigt hat, dann geh und weise sie
unter vier Augen zurecht (Mt 18,15).
Wir alle wissen, wie schwer eine solche Zurechtweisung ist. Selbst bei
unseren Angehörigen und Freunden wagen wir sie kaum. Und ganz ehrlich
gesagt wir selber ertragen ein offenes Wort der Kritik nur ungern.
Mit der Freundin, dem Nachbarn, dem Arbeitskollegen hingegen lässt es sich
herrlich über einen lieben Mitmenschen losziehen. Aber den Betreffenden
selber zur Rede stellen, ihn zu einem klärenden Gespräch einladen, dazu
braucht es ein gehöriges Stück Zivilcourage. Wir wissen ja, wie oft ein
solches Gespräch abgelehnt wird und mit einer Abfuhr endet. Und wie oft
missglückt ein solches Gespräch in der eigenen Familie!
Aber müssten wir ein solches Gespräch nicht wenigstens versuchen? Dabei
sollten wir dem anderen allerdings die Wahrheit nicht wie einen kalten
Waschlappen ins Gesicht schleudern, sondern ihm die Wahrheit wie einen
warmen Mantel hinhalten, in den er hineinschlüpfen kann.
Der einstige Uno-Generalsekretär Dag Hammarskjöld berichtet in seinem
Tagebuch von einem Mitarbeiter, der zwar tüchtig, aber so unbeherrscht und
stur war, dass er mit jedem seiner Kollegen Streit bekam. Und wie es für
einen solchen Charakter typisch ist, sah er die Schuld nie bei sich selber,
sondern immer beim anderen.
Die Situation wurde schliesslich so unerträglich, dass Hammarskjöld ihn
eines Tages zur Rede stellte und ihm im Gespräch Schritt für Schritt klar
machte, wo die wirkliche Ursache des Unfriedens lag. Und als dieser Mann
gegen Ende des Gesprächs zum ersten Mal seine eigene Schuld erkannte, brach
er zusammen und sagte: Warum hat mir denn in all den Jahren niemand etwas
gesagt? Warum hat mir keiner geholfen. Keiner hat mich je gelobt und keiner
hat mich je getadelt.
Jeder Mensch hat das Recht, kritisiert zu werden aus Liebe.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 23. Juli 2009
Stille
Denn so spricht der Herr, der Heilige Israels: Nur in Umkehr und Ruhe
liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft. (Jes
30,15)
Ich sehne mich nach der Ruhe. In mir jagen sich die Stimmen und Gedanken.
Ständig meine ich mich und andere beschützen zu müssen und so renne ich
gegen alles an. Ich rede ständig, und keiner scheint mich zu hören. Ich
fühle mich ohnmächtig und wertlos.
Die Sehnsucht der Frau nach Stille ist gross, in ihr lärmt es. Still zu
werden wäre für sie Erlösung, das weiss sie.
Mystiker sagen, dass die Stille viel Ähnlichkeit mit Gott habe. Aller Klang
gehe aus ihr hervor und verhalle wieder in ihr. So wie alles von Gott kommt
und wieder zu ihm zurückkehrt.
In der Musik wechseln Klang und Stille geordnet. Ohne Pausen in der
Tonfolge gäbe es keine Melodie. Darum brauchen auch wir Momente der Stille.
Nur so können wir inneren Lärm zur Musik ordnen
Still werden ist am Anfang schwer. Man kann damit beginnen, indem man auf
die Töne hört, die einem gerade umgeben. Das kann der eigene Atem sein,
eine Klimaanlage, Strassenlärm, spielende Kinder, Wind, das Rascheln der
Blätter an den Bäumen usw. Die ungewollte Gedankenflut lässt sich bremsen,
wenn man die Sinne auf etwas richtet. Damit drängen wir den ständigen
Gedankenkram etwas zurück. Wir schaffen Raum für die Stille. Die Ruhe die
sich dann in uns ausbreiten kann, macht heiter. Mit ihr zieht die
Fröhlichkeit wieder ins Herz ein; die Lust am Leben ist wieder da.
Gelingt es den unkontrollierten Gedankenfluss zu unterbrechen, mit den
ersehnten Momenten der Stille, beruhigt sich die Seele. Ihre Oberfläche wird
glatt, wie bei einem stillen Teich. Sie wird zum Spiegel über den Gottes
Licht in die Welt strahlen kann. Von ihm fliesst uns wieder Vertrauen und
neue Lebenskraft zu.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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