Weg-Wort vom 31. August 2009
Wertschätzung
Ich werde total übergangen. Meine Leistung wird nicht anerkannt. Die
anderen machen mit mir, was sie wollen. Meine Grenzen werden überhaupt nicht
respektiert, solche und ähnliche Klagen begegnen uns jeden Tag.
Wir können alles haben, ein tolles Auto, eine schöne Wohnung, einen gut
bezahlten Job - wenn wir keine Wertschätzung spüren, verdursten und
verkümmern wir innerlich wie eine Pflanze ohne Wasser. Wertschätzung ist ein
menschliches Grundbedürfnis. Je grösser das Defizit an erfahrener
Wertschätzung ist, desto schlechter fühlt sich ein Mensch.
Wertschätzung heisst das Zauberwort im sozialen Umgang miteinander. Die
wertschätzende Haltung betrifft eine Person als Ganzes, ihr Wesen. Sie ist
verbunden mit Respekt, Achtung, Wohlwollen und Anerkennung. Sie ist wichtig
in allen Bereichen des Lebens: im Umgang von Eltern und Kindern, Lehrern und
Schülern, Mitarbeitenden, Vorgesetzten und Untergebenen.
Bedingungslose positive Wertschätzung, mit der jemand dem ratsuchenden oder
leidenden Klienten begegnet, ist eine Grundhaltung der Psychotherapie,
Beratung und Seelsorge. Einen Menschen vorurteilslos annehmen, gerade auch
mit seinen Besonderheiten und Schwierigkeiten, ist eine Voraussetzung dafür,
dass ich ihm helfen kann.
Wertschätzung öffnet verschlossene Türen. Eine wertgeschätzte Person
spiegelt zurück und beschenkt andere. Oft sind wir uns gar nicht bewusst,
wie wertvoll die Menschen sind, mit denen wir täglich zusammen sind. Das
Lächeln im Gesicht des anderen, wenn ich ihm echte Wertschätzung entgegen
bringe, ist ein wunderbarer Anblick.
Diese Haltung setzt Selbstachtung voraus. Wenn ich mich selber nicht
akzeptieren und ausstehen kann, wie soll ich dann meine Mitmenschen
wertschätzen? Wenn ich mich selber achte und liebe, so wie ich bin, wer und
was immer ich bin, dann wird mir dies auch den anderen gegenüber gelingen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 27. August 2009-08-27
Paradies
Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von
Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen
mit ihrem Samen darin. So geschah es.
Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen, die Samen
tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihrem Samen darin.
Gott sah, dass es gut war. (Gen 1, 11-12)
Die Töpfchen standen auf dem Fensterbrett, dann wieder auf dem Parkett. Wann
immer die matte Februarsonne durchs Fenster schien, rückte mein Kollege sie
ins Licht. Von der Ernte des vergangenen Sommers hatte er ein paar
Tomatenkerne aufgehoben. Diese steckten nun in der feuchten Erde. Für die
Zuversicht, dass seine Mühe und Geduld sich lohnen werde, bewunderte ich
ihn. Selber hatte ich nie die Geduld dafür aufgebracht. Die Kerne keimten,
aus den ersten winzigen Blättchen wurden Pflänzchen. An einem warmen Tag im
Mai, überreichte mein Kollege mir drei Setzlinge für meinen Garten.
Sie gediehen, blühten und bald bildeten sich an den Rispen Früchte. Meine
Freude war gross, als der erste Paradiesapfel sich rötete. In nur sechs
Monaten ist aus dem trockenen Kern eine duftende Tomate gewachsen.
So ist es mit allem Grünzeug, warum also die Aufregung?
Es war mir geschenkt das bewusst mit zu erleben. Soviel Lebenskraft zu
beobachten begeistert, denn sie weist auf den Schöpfer hin, der alles so
wunderbar eingerichtet hat.
Im Garten ist man dem Paradies wohl zur Erntezeit am nächsten. Beeren
reifen, Kürbisse glühen und an den Bäumen glänzen die Äpfel. Man fühlt, der
Schöpfer ist nah. Er beschert einem diese Fülle. Zur Erntezeit fühlt man
sich reich. Den Überfluss andern weiterzugeben verstärkt dieses Gefühl. Mit
den Tomaten und Äpfeln wird auch die Freude und Dankbarkeit über eine
gesegnete Ernte geteilt. Dabei weiss man sehr wohl, wie wenig man selber
dazu beigetragen hat.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 20. August 2009
Petrus heilt
Als der gelähmte Bettler nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel
gehen wollten, bat er sie um ein Almosen.
Petrus aber sah ihm in die Augen, und mit Johannes zusammen sagte er: Schau
uns an!
Er sah sie an in der Erwartung, etwas von ihnen zu erhalten.
Petrus aber sagte: Silber und Gold besitze ich nicht; was ich aber habe, das
gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi des Nazareners, steh auf und zeig, dass
du gehen kannst! (Apg, 3)
Die Apostel Petrus und Johannes hatten dem Mann weit mehr zu geben, als
der sich erhofften konnte. Petrus forderte den Bettler auf ihm in die Augen
zu schauen. Das weckte beim Bettler Erwartungen. Er war bereit zu empfangen.
Petrus heilte ihn im Namen des Christus. Er reichte dem Mann die Hand und
befahl ihm aufzustehen. Dieser spürte wie seine Füsse erstarkten und ihn
trugen. Begeistert folgte der geheilte Mann Petrus und Johannes in den
Tempel. Er begann zu hüpfen und zu tanzen und Gott zu preisen. Die
Anwesenden staunten, da sie den Mann kannten, erzählt die Geschichte weiter.
Jesus möchte alle Menschen von ihren Lähmungen befreit und heil sehen. Mit
Heil sein meint er sämtliche Aspekte unseres Menschseins. Doch solange wir
uns in Abhängigkeiten schicken, mangelnde Bildung hinnehmen, von Geldsorgen
einschränken lassen und uns deshalb grämen, bleibt das Heil fern. Diese
Sorgen verhindern, dass wir uns als ganze Menschen entfalten.
Drücken wir uns davor, Lebensaufgaben zu lösen oder lassen wir Begabungen
brach liegen, dann lähmen sie uns. Das macht unzufrieden mit sich selbst
und dem was ist, denn man begnügt sich mit den Almosen des Lebens. Obwohl
man an der Situation leidet, nimmt man sie hin:Es ist halt so.
Damit verzichtet man darauf mehr von Gott und dem Leben zu erhoffen und nach
einem heileren Sein zu streben. Ungenutzte Begabungen wirken dabei wie
Stachel in der Seele. Die Wunde entzündet sich, beginnt zu eitern und macht
uns krank.
Immer wieder begegnet man Menschen, die versuchen einem mit Wort und Tat
aufzurichten. Sie hätten viel zu geben, weit mehr als man sich ausdenken
kann. Nur ist man bereit zu hören und ihnen erwartungsvoll in die Augen zu
schauen? Man ahnt es, das Heil werden ist meist ein mühsamer und langer
Prozess. Ist es möglich, dass man die Veränderung scheut und lieber im
vertrauten Leiden verharrt?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 19. August 2009
Christ sein
Das hat mich ein Mann in der Seelsorge gefragt: An was misst meinen einen
Christen? Gute Frage! Wie hätte ihre Antwort gelautet?
Ich habe dem Mann gesagt: Ein Christ wird heute nicht daran gemessen, was er
sagt, sondern an dem, was er tut. Wenn er sich zum Frieden bekennt, wird er
mit diesem Mass gemessen: Kann er Frieden stiften? Wenn er die eine Kirche
bekennt und an den Gott glaubt, der aller Menschen Gott ist, wird das daran
gemessen, ob er mit denen zusammenleben kann, die zwar den gleichen Gott,
aber eine ganz andere Art haben als er.
Ertragt einander in Liebe, bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren
durch das Band des Friedens! (Eph 4.2f) Wir können aus den Ermahnungen
dieser Worte den Schluss ziehen, dass es auch in alten Zeiten nicht leicht
war, ins Leben umzusetzen, was die Christen glaubten und bekannten.
Christ zu sein ist eine Übungssache. Wer ein Musikinstrument spielt, muss
üben, auch wenn er musikalisch hoch begabt ist. Der Lehrer wird immer und
immer wieder die gleichen Anweisungen geben, bis dem Schüler der Umgang mit
dem Instrument zur zweiten Natur geworden ist. Bestimmt wird er seufzen über
die langweiligen Tonleitern und die vertrackten Übungsstücke. Aber nur wenn
er die Ausdauer hat, dies durchzustehen, lernt er sein Instrument wirklich
spielen.
Das Christsein ist nicht die erste Natur des Menschen, sondern seine
zweite Natur. Damit uns das Christsein zur zweiten Natur wird, werden uns
Übungshinweise gegeben. Es wird uns von Gott zugetraut, dass wir mit Liebe
und in Frieden leben können. Zutrauen ist die stärkste Kraft zu erreichen,
was in uns angelegt ist. Christ zu sein ist nicht leicht, aber es wird uns
zugetraut. Daran werden wir erinnert. Was wir heute noch nicht sind, können
wir immer noch werden: glaubwürdige Nachfolger in den Spuren Jesu Christi.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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