Weg-Wort vom 30. Juni 2011
Ich packe meinen Koffer und lege hinein
Was am Ende wirklich zählt
Für jede längere Reise braucht es Kleider, Waschzeug und weitere persönliche
Utensilien. Koffer packen ist angesagt.
Die Frage ist, was tue ich hinein oder allenfalls auch, was muss wieder raus
aus dem Koffer, damit er zugeht? Oder nehme ich noch einen zweiten Koffer?
Oder den ganz grossen?
Wahrscheinlich hat jeder und jede von uns eine ganz eigene "Packstrategie".
Kennen Sie das Spiel "Ich packe meinen Koffer und tue hinein "? In einem
Sitzkreis nennt die erste Person etwas, das sie in den Koffer legt. Die
nächste wiederholt das Gesagte und fügt ihrerseits einen Gegenstand dazu. So
kommen immer mehr Dinge zusammen, der virtuelle Koffer füllt sich. Je länger
die Liste wird, desto öfter passiert es, dass jemand ein Teil zu wiederholen
vergisst. Vielleicht aber unterscheidet unser Gehirn
ganz automatisch zwischen 'muss unbedingt mit' und 'ist nicht so wichtig'?
Wenn Sie vor der Aufgabe stünden, alles Lebensnotwendige in einem einzigen
Koffer unterzubringen, was würden Sie hinein tun? Was wäre für Sie wichtig?
Worauf könnten oder wollten Sie nicht verzichten? Würden Sie die
Entscheidung allenfalls davon abhängig machen, wohin die Reise geht? Und
wenn Sie es gar nicht wüssten?
Stellen Sie sich vor, es wäre Ihre Lebensreise. Wäre es da nicht gut, für
möglichst viele Lebenslagen etwas dabei zu haben?
Ich denke, der Inhalt meines Koffers könnte in etwa so aussehen: Wenig
Wäsche. Einige Bücher. Fotos meiner Lieben. Adressen, Telefonnummern und
Handy. Schreibzeug. Eine Taschenausgabe der Bibel. Schokolade. Von
den nicht materiellen Dingen möchte ich mitnehmen: Lebensfreude und Neugier.
Schöne Erinnerungen. Gottvertrauen, Offenheit und Nächstenliebe. Tatkraft
und Ausdauer. Zuversicht und Gelassenheit.
Was wäre in Ihrem Lebensreise Koffer?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 29. Juni 2011
Als Tandem sicher unterwegs
Die moderne Technik eröffnet uns enorm viele Möglichkeiten auf fast allen
Gebieten des Lebens. Wir sind digitalisiert, rund um die Uhr und um den
Globus vernetzt. Geschäftliches lässt sich online abwickeln, privat
kommunizieren wir über Skype. Die Welt ist zusammengerückt, sie ist ein
globales
Dorf geworden.
Dabei ist der Mensch und das ist paradox - auf sich selbst zurückgeworfen
und so allein wie kaum je zuvor. Die eigene Persönlichkeit zu entwickeln ist
wichtig. Aber der Preis der fortschreitenden Individualisierung ist hoch. Es
macht einsam, nur noch an sich selber zu glauben. Denn das hiesse, unseren
Lebensinn selbst zu entwerfen.
Hat denn nicht Gott allem Sein (s)einen Sinn gegeben?
Ich glaube daran. Ich glaube an eine alles ordnende Macht, an etwas, das
grösser ist als alles, was wir zu denken vermögen. Für mich ist das
Göttliche die Urkraft, die der Welt ihre Gestalt und Struktur gegeben hat.
Wenn ich mit meinen beschränkten Kräften darin wirke, so tue ich das mit dem
Vertrauen, dass Gottes Geistkraft mitwirkt. Andernfalls käme ich mir vor wie
Sisyphus, der einen riesigen Stein den Berg hochrollen muss, wissend, dass
sich dies endlos wiederholt. Das macht für mich keinen Sinn.
Wenn ich mit dem Velo unterwegs bin und Rückenwind habe, komme ich fast
mühelos voran. Trete ich zusätzlich in die Pedale, geht es noch schneller.
Genauso stelle ich mir Gott an meiner Seite vor. Er lässt mich manches
wagen, das ich mich allein nicht trauen würde. Er ist mein verlässlicher
Begleiter. Deshalb bete ich gern mit den Worten von Arno Pötzsch:
Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns
allen barmherzig ausgespannt.
Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit und werden sein und
leben in Gott in Ewigkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 28. Juni 2011
Religion als Lebenshilfe
Vor wenigen Jahren war unsere alte Freundin noch ein gern gesehener Gast an
unserem Familientisch. Ihr schallendes Lachen war ansteckend. Dann wurde sie
plötzlich vergesslich und war verwirrt. Die niederschmetternde Diagnose
lautete: rasch fortschreitende Alzheimerkrankheit.
Beim Umzug aus ihrer Wohnung ins Pflegeheim war sie nur noch eine verlorene
Zuschauerin. Wenn wir sie im Heim besuchten, war kein eigentliches Gespräch
mehr möglich. Sobald wir ihr aber ihre geliebte orthodoxe Kirchenmusik
auflegten, war sie ganz Ohr. Einmal sang ihr meine Frau ein altbekanntes
Kirchenlied vor. Darauf reagierte unsere Freundin lebhaft und sang fröhlich
mit.
Das bestätigt die Erfahrung von Pflegeexperten, dass religiöse Rituale und
Lieder bei vielen Demenzkranken Erinnerungen an eine erlebte Religion der
Kindheit wecken. Eine Wissenschaftlerin schildert den Fall einer alten Frau,
die nach der Aufnahme in ein Heim solange das Essen verweigerte, bis die
Ärzte schon eine zwangsweise künstliche Ernährung planten. Die Patientin
habe dann im Speisesaal zufällig ein Tischgebet gehört und daraufhin sofort
mit dem Essen begonnen.
Pflegeexperten und Theologen fordern darum mehr Rücksicht auf die
Religiosität demenzkranker Menschen. Zwar gebe es auch Fälle, in denen
Ängste auf religiöse Weise verstärkt würden. Bei solchen Patienten sei ein
besonders sensibler seelsorgerlicher Umgang erforderlich.
Menschen mit Demenz mögen viel verloren haben, aber ihre Religiosität
anzuerkennen, ist in jedem Fall ein Gewinn. Wenn wir als Pflegende,
Angehörige und Seelsorger das berücksichtigen, haben wir damit nicht die
Lösung für alle wahrlich nicht leichten Alltagsprobleme gefunden, wir
könnten aber in jedem Fall eine intensivere Beziehung zu den Patienten
aufbauen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 27. Juni 2011
Sommerzeit
1951 trällerte die kleine Conny Froboess in der Peter Frankenfeld-Show zum
ersten Mal das Lied "Pack die Badehose ein, nimm dein klein Schwesterlein".
Ihr Vater hatte es eigentlich für die Schöneberger Sängerknaben geschrieben.
Aber die fanden es zu vulgär. Also liess er es seine Tochter im Stil einer
"Berliner Göre" singen.
Ich bin damit aufgewachsen. Ich kann mich noch gut an die alte
Polydor-Schallplatte erinnern, die meinen Eltern gehörte, und auf der dieses
Lied war. Und jetzt, immer wenn es warm ist, die Sonne scheint, unsere
Gewässer zum Baden einladen, kommt es mir in den Sinn: "Pack die Badehose
ein ...".
Vielleicht haben Sie sie auch eingepackt und gehen heute über Mittag oder am
Abend baden - in die Limmat, in den See, in ein Freibad. Das tut gut! Das
reinigt Seele und Geist - also bei weitem nicht nur den Körper. Die Sonne
auf der Haut zu spüren, dann das kühlende Wasser, sich von ihm sicher
umgeben und getragen wissen - das ist Seelennahrung.
Licht, Wasser und Bewegung, heute sagen wir gerne "Wellness" dazu, können
tolle seelsorgerliche Wirkung haben. Sie sind Ausgleich zu Stress und Druck.
Wenn wir uns für sie Zeit nehmen, bekommen wir neue Kraft, neue Ideen, neue
Mut.
Die Sommerzeit, die mit ihrer Wärme, manchmal Hitze, alles ein wenig
verändert, ist für uns eine Chance, ein wenig langsamer, sorgsamer mit uns
selbst zu werden. Sie ist die Zeit, die uns an das Arbeiten an unserer
Balance erinnert - und es auch ermöglicht.
Also: "Pack die Badehose ein ..."!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 24. Juni 2011
Wie wird das Wetter?
Der Sommer hat begonnen, doch schon werden die Tage wieder kürzer. Dabei
sind doch die langen, warmen, schönen Abende der Inbegriff von Sommer. Der
Garten steht in Blüte, das Gemüse wächst und im Moment darf man einfach nur
geniessen. Jeder Regentag ist schon fast zu viel. Da fällt mir eine kurze
Geschichte von Anthony de Mello in die Hände:
"Ein Wanderer: Wie wird das Wetter heute? Der Schäfer: So, wie ich es
gerne habe. Woher wisst Ihr, dass das Wetter so sein wird, wie Ihr es
liebt?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich nicht immer das bekommen kann, was
ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich
bekomme. Deshalb bin ich ganz sicher: Das Wetter wird heute so sein, wie ich
es mag.
Und wirklich, ich erinnere mich an den ersten Regen im Frühsommer nach der
langen Trockenperiode mit dem vielen Giessen und Spritzkannentragen am
Morgen genauso wie am Abend, und immer schienen alle Töpfe und Pflanztröge
ausgetrocknet zu sein. Und wie die ersten Tropfen warm und weich auf die
Haut fielen, der Boden dämpfte und so unvergleichlich nach Sommer und Regen
roch. Ich hatte es fast schade gefunden, ins Haus und ins Trockene zu gehen!
Es könnte also so einfach sein, das zu mögen, was man bekommt. Aber diese
Zufriedenheit und diese Bescheidenheit muss wohl über viele Jahre eingeübt
werden, besonders jetzt in unserer Zeit.
Meine Gnade ist genug für dich, verspricht Gott dem Apostel Paulus, dann
wird meine Kraft in deiner Schwachheit wirken.
Dort, wo ich mir mein Glück nicht selber erarbeiten kann, dort, wo ich
darauf angewiesen bin, dass ich bekomme, was ich gern habe, dort und erst
dort, werde ich erkennen lernen, dass ich nicht wirklich meines Glückes
Schmid bin. Wenn wir diesen Zuspruch ernst nehmen und nachsprechen lernen,
dann öffnet sich vielleicht für uns ein ganz neuer Blick auf das, was wir
haben. Und auch ein ganz neuer Blick auf Gott wird möglich.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 23. Juni 2011
"Christentum ist Brandstiftung"
Als ehemaliger Feuerwehrmann reagiere ich im ersten Moment sehr heftig.
Nein, Brand-stiftung, dieses zerstörerische, nichtsnutzige Handeln, brauche
ich jetzt wirklich nicht. Bei Sören Kierkegaard gehts auch nicht darum, was
mich zum näher Hinschauen einlädt. Es geht ums Feuer der Begeisterung, um
das Feuer von Pfingsten, das verloren zu gehen droht. Er will verhindern,
dass aus dieser Glut des Glaubens eine wohlige Wärme wird: Er meinte damals:
"Ihr macht da was Warmes, Gemütliches draus und regelt das Feuer, das von
Jesus ausgeht, auf Zimmertemperatur herunter, macht dann eure traditionellen
Feste und Traditionen, wo niemals was Ansteckendes draus folgt, wo folgenlos
über Liebe und Licht gelabert wird. - Keine religiöse Fussbodenheizung,
aber auch nicht ein schwärmerischer Mähdreschereinsatz, sondern ein Feuer,
das brennt, nicht ausbrennt, eine Flamme, die begeistert, aber nicht hirnlos
macht - Eben Pfingsten. - Um das zu erläutern schreibt er:
Ein Haufen schnatternder Gänse wohnt auf einem wunderbaren Hof. Sie
veranstalten alle sieben Tage eine herrliche Parade. Das stattliche
Federvieh wandert im Gänsemarsch zum Zaun, wo der beredtste Gänserich mit
ergreifenden Worten schnatternd die Herrlichkeit der Gänse dartut.
Immer wieder kommt er darauf zu sprechen, wie in Vorzeiten die Gänse mit
ihrem mächtigen Gespann die Meere und Kontinente beflogen haben. Er vergaß
nicht dabei das Lob an Gottes Schöpfermacht zu betonen. Schließlich hat er
den Gänsen ihre kräftigen Flügel und ihren unglaublichen Richtungssinn
gegeben, dank deren die Gänse die Erdkugel überflogen.
Die Gänse sind tief beeindruckt. Sie senken andächtig ihre Köpfe und drücken
ihre Flügel fest an den wohlgenährten Körper, der noch nie den Boden
verlassen hat.
Sie watscheln auseinander, voll Lobes für die gute Predigt und den beredten
Gänserich. Aber das ist auch alles. Fliegen tun sie nicht. Sie machen nicht
einmal den Versuch. Sie kommen gar nicht auf den Gedanken. Sie fliegen
nicht, denn das Korn ist gut, der Hof ist sicher, und ihr Leben bequem.
Möge ihr Herz entflammen zu einem vollen Leben.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 20. Juni 2011
Beherzt
Ich bin von Natur aus nicht besonders ängstlich. Ich habe keine Angst vor
dem Wasser. Aber ich bin auch nicht besonders mutig. Vor allem dann, wenn es
darum geht, offen meine Meinung zu sagen oder spontan einzugreifen, wenn
jemand Hilfe braucht oder ungerecht behandelt wird.
Damit bin ich offenbar nicht allein. Warum geschehen denn manche Verbrechen
auf offener Straße und alle sehen weg? Ein Sprichwort sagt: Das Böse lebt
von der Feigheit des Guten. Wo die Guten nichts tun, gedeiht das Böse.
Nach dem 11. September 2001 schickte der Benediktinermönch und
Friedensaktivist David Steindl-Rast einen bewegenden Aufruf in die Welt.
Darin machte er deutlich, dass es die Furcht im Herzen des Menschen ist,
welche die Gewalt hervorbringt: Es ist mein eigenes Herz, in dem ich Angst,
Unruhe, Kälte, Abneigung und Regungen von blinder Wut erkennen muss. Hier in
meinem Herzen kann ich Furcht in mutiges Vertrauen, Unruhe und Verwirrung in
Stille, Abgetrenntheit in ein Gefühl der Zugehörigkeit, Abneigung in Liebe
verwandeln. Um dies einzuüben, rät Bruder David zu fünf Schritten für das
tägliche Leben:
- Mobilisiere den Mut deines Herzens.
- Sag heute ein Wort, das einer ängstlichen Person Mut gibt.
- Wende dich aus der Stille deines Herzens nach aussen, halte jemandes
Hand und verbreite Ruhe.
- Blicke einem Fremden in die Augen, und erkenne, dass es keine Fremden
gibt.
- Schenke heute jemandem ein unerwartetes Lächeln, und trage so deinen
Teil zum Frieden auf Erden bei.
Der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli rief seinen Zeitgenossen einmal zu:
Tut um Gottes Willen etwas Tapferes! Vielleicht haben wir gerade heute
Gelegenheit dazu.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
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