Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Ich liebe dich wie...
Die Waisenmädchen vom Nyumba Yanga in Sambia haben mir ab und zu kleine "Liebesbriefe" zugesteckt. Der Anfang oder Schluss war jeweils: "Ich liebe dich wie..." und der Vergleich, der dann kam, war immer derselbe: "...wie ein Tasse Tee mit Milch und Zucker" - in Englisch versteht sich.
Naja, was sollte ich mit dem Vergleich anfangen? Ich bin Kaffeetrinkerin. Tee trinke ich, wenn ich krank bin. Und wenn ich dann doch einen Tee trinke, dann ganz bestimmt ohne Milch und Zucker.
Emeria, einer Frau in einem Armenviertel in Lusaka, habe ich zugeschaut, wie sie am Morgen für die Familie einen Topf Tee zubereitete. Es mangelte an allem. Sie hatte noch ein paar Körner Zucker. Wasser holte die Tochter am Brunnen, dieses wurde erhitzt. Den Zucker gab sie auf einen Teelöffel, hielt ihn ins Feuer, und als der Zucker caramelisiert war, kam der Löffel in den Topf. Der braungebrannte Zucker gab seine Farbe ab, und fertig war der Tee! Das gefärbte Wasser!
In diesem Zusammenhang kann man besser verstehen, was es heisst, Tee (richtigen Tee!) mit Milch und Zucker zu trinken. Für ein Kinderherz und einen Kindergaumen der Inbegriff von süss, aromatisch und genussvoll.
Ich würde vielleicht eher formulieren, ich liebe dich wie den ersten Schluck Kaffee am Morgen.
Das ist wie Lebenselixier.
Oder wie die Sonne im Gesicht und den Wind in den Haaren.
Oder wie das erste Lachen eines Kindes.
Oder wie die erste Erdbeere, die auf der Zunge zergeht im Frühjahr
Oder...
Ich liebe dich wie...? Was würden Sie schreiben? Was ist Ihr Lebenselixier?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bildquelle: pixabay.com
Wegwort mailing list
Wegwort(a)mailman.datenpark.ch<mailto:Wegwort@mailman.datenpark.ch>
http://mailman.datenpark.ch/cgi-bin/listinfo/wegwort
Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 22. Oktober 2020
Hand aufs Herz
Die zweite Woche der Herbstferien war für mich sowohl anstrengend als auch beglückend. Ich studierte mit einer Gruppe von kleinen und grossen Kindern ein Musical ein, das am Samstag aufgeführt wurde.
Kinder vom Kindergartenalter bis zur siebten Klasse sollten gemeinsam singen, Theater spielen und tanzen. Ging ich beim Singen auf die Grossen ein, strapazierte das die Kleinen, ging ich auf die Kindergartenkinder ein, langweilten sich die Grossen. Kostüme wurden anprobiert, Wege auf die Bühne und von der Bühne wurden geprobt, Kulissen geschoben, Plakate gemalt. Die Kindergartenkinder mussten immer unter Aufsicht sein. Es gab Proben mit dem Chor und Proben mit Solisten und Solistinnen. Es war ein rechtes Gewusel.
Als ich mich in einer Pause für einen Moment auf die Seite stellten, durchatmen zu können, kam ein Mädchen im Kindergartenalter auf mich zu. Die Kleine musterte mich. Ich hatte mich an die Wand gelehnt, hielt die Hände über der Brust verschränkt. «Warum hältst Du mit Deiner Hand Dein Herz»? fragte sie. Sie klang ein wenig besorgt und schaute auch so.
Diese Begegnung hat mich glücklich gemacht, weil das kleine Mädchen sich um mich «gekümmert» hat. Sie hat mir vor Augen geführt, wie wir Menschen im besten Fall von klein auf sind: Aufmerksam, mitfühlend, fürsorglich.
Ich war an diesem Probentag nicht nur für die anderen da, sondern auch die anderen für mich. Ich bin mit neuem Schwung in die Probe gegangen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
?Auf Grund einer IT-Umstellung in der Bahnhofkirche erhalten Sie dieses Weg-Wort leider verspätet.
Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 22. Oktober 2020
Gott tun
Im Jahr 1981 veröffentlichte der Berner Dichterpfarrer Kurt Marti einen schmalen Band mit Notizen den er mit dem Titel "Zärtlichkeit und Schmerz" überschrieb. Der allerletzte Eintrag darin fasziniert und beschäftigt mich seit dem ersten Lesen während meines Studiums bis heute. Er ist überschrieben mit "Wunsch" und lautet: "Dass Gott ein Tätigkeitswort werde."
Was für ein eigenartiger Halbsatz! Zuerst hat er mich irritiert, verwirrt, und dann lange Zeit nachdenklich gemacht. Irgendwann begriff ich: Die vier Buchstaben "Gott" sind ein Etikett. Jeder Mensch verwendet es auf seine Weise und klebt es auf die eigenen Vorstellungen. Manche malen ein Zerrbild, versehen es mit diesem Etikett und können es dann nach Belieben ins Lächerliche ziehen. Andere befestigen das Etikett auf Vorstellungen, die sie vor Unsicherheiten bewahren, der eigenen Verantwortung entledigen oder sie ins Recht und andere ins Unrecht setzen sollen.
Wohltuend und herausfordernd zugleich bildet der Gedankensplitter von Kurt Marti gegenüber den Versuchen, Gott zu einem Objekt zu machen, einen Gegenpol. Unter der neuen Betrachtung ereignet sich Gott. Er will getan werden. Dies erscheint mir biblisch und jesuanisch. Auf die Frage nach dem grössten Gebot antwortet Jesus mit der Gleichheit von Gottes- und Nächstenliebe und erzählt die Geschichte vom barmherzigen Samariter. "Gott ist Liebe", betont der erste Johannesbrief. Im Sinne des Dichterpfarrers können wir es nun noch klarer ausdrücken: Gott ist lieben. Stellen Sie sich vor, wie sich die Welt veränderte, wenn die Menschen begännen, aus ganzem Herzen Gott zu tun.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
[cid:image001.jpg@01D6A856.ED9F1D10]
Der barmherzige Samariter fotografiert von falco auf Pixabay