Weg-Wort vom 29. April 2011
Neues Leben
Die Ostertage sind vorbei. Vorbei auch die aufwändige Menüplanung, das
Schlange stehen an der Kasse im Supermarkt, der Stress in der Küche und der
Stau am Gotthard in beiden Richtungen. Allenfalls erinnern noch übrig
gebliebene hartgekochte Eier an die Festtage.
Wie war es bei Ihnen? Sind Sie seit Ostern ein anderer Mensch geworden? Hat
sich bei Ihnen etwas nachhaltig verändert?
Wir haben die Auferstehung Jesu gefeiert, den Sieg des Lebens über den Tod.
Unfassbar, dieses Geschehen, es will mir nicht in den Kopf. Das ist auch
nicht verwunderlich, denn mit dem Verstand lässt es sich nicht erklären.
Da ist nichts Fassbares. Da ist nur ein leeres Grab. Es gibt keine Zeugen.
Ich habe mal irgendwo gelesen, Vielleicht muss ich erst den Verstand
verlieren, damit mein Herz eine Chance hat.
Ich habe ziemlich lange gebraucht, bis mir der Sinn des Satzes klar wurde.
Es ist sicher nicht gemeint, wir sollten kopflos werden, das Denken
aus-schalten. Aber erst wenn ich das ständige Hinter-Fragen und Nach-Sinnen
aufgebe, kann ich unvoreingenommen Dinge als wahr erkennen, die für den
Verstand zu gross sind. Dann eröffnet sich mir ein Zugang jenseits von
gesichertem Wissen, aus dem Bauch heraus, wie wir heute sagen würden.
In unseren Herzen tragen wir eine neue Welt hatte jemand mit Farbe auf die
Bretter einer Bauabschrankung geschrieben. Mit dieser Gewissheit im Herzen
wird neues Leben möglich. Es wartet nur darauf, dass wir es ans Licht
bringen, damit es Nahrung bekommt und wachsen kann.
Jesus hat vielen Menschen zum Leben verholfen. Mit dem Ei haben wir mehr als
nur ein Symbol vor Augen. Es zeigt uns, dass wir die schützende Hülle
verlassen müssen, um aufzubrechen in ein Leben im Licht.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 28. April 2011
Narben
Als Schreinersohn bastle und werkle ich in meiner Freizeit gerne. Dabei
geschieht es nicht selten, dass ich mich leicht verletze: Hier ein kleiner
Schnitt durch eine harte Kante, ein blauer Finger vom Hammer, ein
eingezwickte Handfläche durch die Zange. Zum Glück sind die Verletzungen
selten ernsthaft, und meine Wundheilung ist intakt.
Nach Unfällen und schweren Operationen bleiben oft auffällige Narben zurück,
mit denen die Betroffenen dann leben müssen. Die Spuren medizinischer
Eingriffe trägt man am besten mit Fassung. Der Versuch, Narben zwanghaft vor
anderen zu verstecken, schränkt einen oft nicht nur im täglichen Leben ein,
er macht es auch schwerer, mit der erfahrenen Krankheit und den erlittenen
Verletzungen ins Reine zu kommen. Denn hinter körperlichen Narben verbergen
sich oft auch seelische Verletzungen. Und ein schwerer Unfall oder eine
schmerzhafte Operation kann unser Selbst- und Gottvertrauen erschüttern.
Jede und jeder von uns erleidet im Laufe seines Lebens zahlreiche
Verletzungen, wobei die seelischen manchmal noch schmerzhafter
folgenschwerer sind als die körperlichen. Vieles, was geschehen ist, können
wir nicht ungeschehen machen, es bleiben Narben zurück.
Aber was wären wir ohne die überstandenen Verletzungen und bleibenden
Narben? Grosse Narben sind Ehrenzeichen. Sie erzählen von überstandenen
Abenteuern und Gefahren, von Schmerz und Verzweiflung, Hoffnung und Rettung.
Wer sie hat, hat in einen Abgrund geschaut, den andere nicht kennen.
An seinen Wundmalen haben die Apostel den Herrn nach der Auferstehung wieder
erkannt. Im Himmel werden auch wir ihn an seinen verklärten Wunden erkennen.
Und wir dürfen dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn die Wunden
hinhalten, die uns das Leben geschlagen hat. Er wird sie heilen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi, Beat Schlauri
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 21. April 2011
Stunde Null
Manchen bin ich einiges, einigen bin ich vieles schuldig geblieben. Und die
Zeit läuft davon. Wessen Liebe kann das noch gut machen?
Die meine nicht. Nein, die meine nicht.
Könnte dieses Bekenntnis auch für Sie gelten? Mir jedenfalls sprechen die
Worte des Pfarrers
Kurt Marti aus der Seele. Aber wessen Liebe ist es, die all das gut machen
und zu einem guten Ende bringen kann, was ich aus eigener Kraft
nicht schaffe? Mir fällt nur einer ein, dem ich das zutraue, weil er es uns
nämlich mit seinem ganzen Leben gezeigt hat: Jesus.
Am Gründonnerstag scheint im Leben von Jesus nichts mehr im grünen Bereich
zu sein. Er sitzt ein letztes Mal mit seinen Freunden vertraut beim Essen
zusammen, beim Passahmahl. Es wird ein Abschiedsessen.
Sowieso kommt der Name Gründonnerstag eventuell vom mittelhoch-deutschen
Wort gronan, und das bedeutet weinen, klagen.
Einer war nicht stark genug, um ganz zu Jesus zu stehen, obwohl er ihn
liebte. Oder gerade, weil er ihn so sehr liebte? Aber was macht Jesus? Er
wäscht den Freunden die schweissigen, staubbedeckten Füsse. Er lässt sich
herab, geht auf die Knie. Für ihn ist das der Beginn der Stunde Null,
definitiv der Wendepunkt seines ganzen Lebens.
Begreift ihr, was ich euch getan habe?, fragt Jesus (Joh 13,12). Bis heute
ist das die Frage am Abend des Gründonnerstags. Wissen wir also, was wir tun
sollen?
Ubi caritas et amor, ibi deus est, Wo Güte ist und Liebe, da ist Gott,
singen wir in einem Kanon. Wenn wir einander gegenseitig stützen, einander
vergeben und ertragen, bedienen und beherbergen, dann setzt sich der
Liebesdienst von Jesus fort und wird zur Erlösung. Dann werden wir
verwandelt durch Brot und Wein. Dann trägt der Gründonnerstag tatsächlich
schon die Farbe der Hoffnung, der Zuversicht und des neuen Lebens.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 20. April 2011
Wunden und Schmerz
Wenn ich einen grossen Baum betrachte, denke ich meistens: So möchte ich
sein. Fest verwurzelt und geerdet, dem Himmel entgegen wachsen, mit offenen
Armen alles erfassen.
Steht doch der Baum als Symbol für Fülle und für Ganzheit. Er ist Inbegriff
des Lebens.
Der Kreuzesbaum von Jesus holt mich jedoch aus meiner romantisch
träumerischen Vorstellung und stellt mich rasch auf den Boden der Realität.
Im Baum Symbol können, ja müssen wir nämlich die ganze Botschaft Jesu
Christi und unsere ganze menschliche Realität erfahren.
Ich habe zuhause zwei kleine Kreuze. Das eine ist aus verschiedenen
Holzarten gefertigt, im Schnittpunkt hat es drei Blätter. Das andere,
bronzene stellt einen Lebensbaum dar. Beim Anschauen spüre ich immer wieder,
wie sich ein zweites Bild darüber schiebt, nämlich das eines durchbohrten,
geschundenen Körpers.
Sind Fruchtbarkeit und Leben nur aus Schmerz zu haben? Jesus sagte: Wenn
das Weizenkorn stirbt, bringt es viele Frucht. (Joh 12,24)
Bleibt das für uns ein unverständliches Geheimnis, oder erfahren wir nicht
immer wieder am eigenen Leib, wie wahr dieses bildhafte Jesuswort ist?
Wenn ich jemand auf schmerzhaft Erlebtes anspreche, reagiert dieser Mensch
vielleicht heftig, denn ich habe einen wunden Punkt getroffen. Es kostet
Überwindung, die Verletzung genau anzuschauen.
Das aber braucht Zeit. Das habe ich selber auch schon erfahren. Ver-
letzungen sitzen oft tief, sie brennen sich in die Seele ein. Ich kann nicht
einfach mit gutem Willen Menschen, die mir Leid zugefügt haben, verzeihen,
solange mein Herz noch von Groll besetzt ist. Gelingt es mir aber, mich
davon zu befreien, kann die Wunde heilen. Es werden zwar Narben
zurückbleiben, aber sie tun nicht mehr weh.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
Weg-Wort vom 19. April 2011
Wir sind ein Teil der Erde
An Aschermittwoch wird die Auflegung der Asche meistens von den Worten
begleitet: Mensch, bedenke, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.
Leben wir wirklich mit diesem Bewusstsein?
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Die Axt vergisst, der Baum nicht.
Heute wie damals werden wegen wirtschaftlichen Interessen ganze indigene
Gemeinschaften von einem Territorium vertrieben, auf dem sie seit
Jahrhunderten gelebt haben. Dadurch verlieren sie ihre Lebensgrundlage. Die
Bewohner werden zwangsumgesiedelt. Sie müssen gigantischen Projekten -
Stauseen, Stahlwerken oder Flugzeugfabriken - Platz machen.
1855 hielt der Häuptling Seattle eine Rede vor dem Präsidenten der USA und
sagte sinngemäss:
Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen?
Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig. Wir sind ein Teil der Erde,
und die Erde ist ein Teil von uns. Der weisse Mann behandelt seine Mutter,
die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern,
zum Verkaufen, wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde
verschlingen und nichts zurücklassen als die Wüste.
Ich weiss nicht unsere Art ist anders als die eure. Die Luft ist kostbar
für den roten Mann, denn alle Dinge teilen denselben Atem: das Tier, der
Baum, der Mensch. Alle Dinge sind miteinander verbunden.
Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder lehrten: Die Erde ist unsere
Mutter. Wenn die Menschen auf die Erde spucken, bespeien sie sich selbst.
Denn das wissen
wir die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde. Der
Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was
immer ihr dem Gewebe antut, das tut ihr euch selber an.
Der weisse Mann, vorübergehend im Besitz der Macht, glaubt, er sei schon
Gott, dem die Erde gehört. Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen?
Eines wissen wir: Unser Gott ist derselbe Gott. Dieses Land ist ihm
wertvoll. Und die Erde zu verletzen heisst ihren Schöpfer zu verachten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch