Weg-Wort vom 26. November 2010
Adventszeit Zeit, zur Besinnung zu kommen
Es war vor ein paar Jahren in der Adventszeit. Ein Berufskollege schrieb
mir, jetzt sei sie wieder da, die besinnliche Zeit, in der wir besinnliche
Anlässe anbieten bis zur eigenen Besinnungslosigkeit. Der Satz hatte mich
damals so sehr aufgeschreckt und ins Nachdenken gebracht, dass er mir
pünktlich zum Beginn des Advents alle Jahre wieder in den Sinn kommt.
Nein, so weit will ich es nicht kommen lassen. Eher
umgekehrt: Ich möchte zur Besinnung kommen, mich darauf besinnen, was es auf
sich hat mit dem Advent, mit diesen Wochen vor Weihnachten.
Eine befreundete Pfarrerin schenkt mir jedes Jahr einen Adventskalender von
mission 21, dem evangelischen Missionswerk Basel. Der Kalender führt mich
Tag für Tag zum Weihnachtsfest hin. Hinter den Türchen verbergen sich keine
Schoggitäfelchen, sondern jeweils kurze Gedanken einer bekannten Person.
Dieses Jahr finde ich im ersten Fenster Worte von Ricarda Huch:
Liebe ist das einzige, das nicht weniger wird, wenn wir es verschwenden.
Aus diesem Satz lässt sich ein Tagesvorsatz machen, mit dem ich der Hoffnung
und Sehnsucht nach einer helleren und heileren Welt ein Stück näher kommen
kann.
Was also will ich mir heute vornehmen, für diesen überschaubaren Zeitraum?
Geduldiger werden und warten können. Aber nicht einfach abwarten und Tee
trinken, sondern etwas in Bewegung bringen, indem ich mich hinbewege auf
Menschen, die darauf warten, dass jemand ihnen freundlich begegnet, ganz Ohr
ist, mit wachen Sinnen für sie da ist, so dass sie spüren, wie wertvoll sie
sind.
Das ist für mich Advent. Bereit sein, mich von Gott mich führen zu lassen,
die Welt mit neuen Augen sehen und in jedem Menschen erkennen, dass Gott
nahe ist.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 25. November 2010
Zwischen Ewigkeitssonntag und erstem Advent
Es ist die Woche zwischendrin die Woche
zwischen Abschied und Neuanfang,
zwischen Rückschau und Ausschau,
zwischen Erfahrung und Erwartung. Zwischendrin ist eigentlich emotionales
Niemandsland.
Es redet von einem Weder Noch oder einem Sowohl Als auch.
Unklar ist, wohin uns unser Weg führt.
Nach vorn oder in die Vergangenheit?
Es könnte auch sein, dass wir ganz die Orientierung verlieren, weil alles so
gleich ist und wir uns je länger je mehr im Kreise bewegen.
Das Licht der Sonne führt nicht mehr, es blendet und alles, was wir als
sicher glaubten entwischt als Fata Morgana.
Es ist eine Zeit zwischen den Zeiten, wie die zwischen den Jahren.
Alles beginnt neu, auch dann, wenn Altes noch gar nicht abgeschlossen ist:
Die Ankunft der Advent erwartet uns. Bald zählen wir die Tage, bis
Christus erneut in unser Leben geboren wird und das Licht seiner Ankunft
unser Leben neu ausleuchtet. Neues Licht auf alte Erfahrung.
Wenn ich meine Vergangenheit im Lichte Christi anschauen lerne hell
beleuchtet und mit versöhntem Blick, kann sich da nicht Einiges klären, darf
sich da nicht Einiges klären? Vor allem das darf sich klären, was noch in
meinem Schatten liegt und ich selber so schlecht sehen kann und sehen mag.
Klärt sich das, ist viel gewonnen und keine emotionale Fata Morgana
verhindert den Blick nach vorn. Bin ich mit mir und meiner Vergangenheit im
Reinen, darf ich getrost Zukünftiges erwarten und mich selber im Licht
Gottes, der auf mich zukommt, sehen und erfahren.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 18. November 2010
Herr, wie gewaltig ist dein Name
In den vergangenen Tagen zeigte sich der November von seiner nasskalten und
düsteren Seite. Dass sein Ruf als grauer Nebelmonat aber nicht immer
berechtigt ist, durften wir am vergangenen Wochenende erleben. Dank Föhn gab
es frühlingshafte Temperaturen, und der Himmel war fantastisch blau. Ich
verbrachte zwei Tage in den Bergen.
Auf dem Gornergrat war ich überwältigt beim Anblick der Gletscher und der
schneebedeckten Berge. Das Panorama mit 29 Viertausendern ist einfach
atemberaubend. Ehrfürchtiges Staunen allein reicht da nicht mehr. Ein Gefühl
von tiefer Dankbarkeit, von Glück und von Demut erfüllte mich angesichts
dieser gewaltigen Grösse und Schönheit.
In Psalm 8 singt David ein Lob- und Danklied auf die Herrlichkeit des
Schöpfers und die Würde des Menschen:
"Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde;
über den Himmel breitest du deine Hoheit aus.
Seh ich den Himmel, das Werk deiner Finger,
Mond und Sterne, die du befestigst:
Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind,
dass du dich seiner annimmst?
Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott,
hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.
Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände,
hast ihm alles zu Füssen gelegt."
Gott lässt uns teilhaben an seiner Schöpfung. Jeder Schneekristall und jeder
Stein zeugt davon. Mit jeder Handvoll Erde und mit jedem Schluck Wasser
sollte es uns bewusst werden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 17. November 2010
Der Brückenbauer
Letzthin fragte mich eine Freundin, ob ich ihr einen Text oder ein Gedicht
schicken könnte. Eine noch junge Arbeitskollegin sei gestorben. Es gäbe kein
christliches Begräbnis. Sie wolle aber am Arbeitsort zusammen mit anderen
der verstorbenen Frau gedenken und Abschied nehmen.
Ich schickte ihr eine kleine Auswahl an Texten. Nach einer Woche kam ein
Dankes - Mail. Die Freundin schrieb mir zudem, sie sei mit Angehörigen der
Verstorbenen zu einer Brücke gegangen, von wo die Asche in den Fluss gekippt
wurde. Das habe sie sehr ernüchtert.
Weisst du, fuhr sie fort, in diesem Moment habe ich gedacht, dass wir als
Christen mit unserer Art, Abschied zu nehmen, doch etwas ganz anderes
anzubieten haben. Nicht billigen Trost, sondern etwas Tröstliches, weil wir
hoffen dürfen, dass etwas anderes, Neues kommt. Dass wir verbunden bleiben
über den Tod hinaus. Auch wenn es schwer ist, sich das vorzustellen.
Gott baut eine Brücke für uns. Wenn tragende Pfeiler unter uns einstürzen,
dann überbrückt er selbst den Abgrund von Leiden, Sterben und Tod. Jesus hat
gesagt: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. ( Joh 14,2) Wir wissen
nicht wie sie aussehen, und ich weiss nicht, wie ich mir das vorzustellen
habe. Aber es gibt mir das Gefühl: Alles wird gut sein.
Mein Glaube ist nur ein brüchiger Steg über Abgründen;
der nächste Windstoss schon kann ihn spurlos mit sich hinweg reissen.
Vertrauen ist nicht ein Wort meiner Muttersprache.
Noch heute reisse ich mir die Hände daran wund.
Du aber, Herr, hast mir Brücken gebaut über den Tiefen.
Deine Hand führt mich sicher zu dir. Du überwindest mein Ur-Misstrauen.
Ich fürchte nicht mehr mein Unvermögen. Ich freue mich an deiner Kraft.
(Ulrich Schaffer)
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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