Weg-Wort vom 25. März 2010
Passion
Pflanzen haben mitunter eigenartige Namen. Die
Passionsblume zum Beispiel. So kurz vor Ostern frage ich mich, wie sie
wohl zu ihrem Namen gekommen ist. Die vierzig Tage dauernde
Vorbereitungszeit auf Ostern, die Fasten- und Busszeit, heisst ja auch
Passionszeit.
Und mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche. Das alt-hochdeutsche Wort
Kar bedeutet Gram, Leid, Schmerz, und meint das Leiden Christi.
Die Blume ist in der Tat nach der Passion Christi benannt.
Die Einzelteile der radförmig strahlenden Blüten deutet man als
Sinnbilder der Marterwerkzeuge Christi, den Fransenkranz als Dornenkrone.
Die Staubgefässe als Kreuznägel und den dreigriffeligen Stempel als Geissel.
Wie man wohl zu dieser Deutung gekommen ist? Ich kann nur mutmassen.
Leben kommt und geht, wird und stirbt und wird in einem ewigen Kreislauf.
Bis aber aus einem Samen ein Spross treibt, sich entfaltet und zu voller
Schönheit erblüht, ist es ein langer und schmerzvoller Weg. Der Durchbruch
aus dem Dunkel ans Licht kostet Kraft. Ohne Leiden geht das nicht.
Jesus hat sich mit seiner ganzen Kraft für das Leben eingesetzt; er hat sein
Leben dafür gegeben, weil er als Liebhaber des Lebens die Menschen und
damit das Leben selbst leidenschaftlich liebte.
Es gibt Dinge, die tun wir mehr als nur gern. Sie sind unsere Passion,
unsere Lieb-haberei. Dafür sind wir bereit, Opfer zu bringen. Eventuell
müssen wir um dieser Passion willen auf manches verzichten. Aber das ist uns
unsere Leidenschaft wert. Wir lassen sie uns etwas kosten. Der Lohn
entschädigt für die Mühe.
Welcher Lohn erwartet uns für den Einsatz unzähliger Stunden an Freizeit und
Energie? Das kann die Freude am blühenden Garten sein, das Ankommen auf dem
Berggipfel nach einem mühevollen Aufstieg, Erfüllung erfahren bei der
Freiwilligenarbeit.
Zwar kommen wir sicher immer wieder an den Punkt, wo wir uns fragen: Warum
mache ich das alles? Denn eine Leidenschaft schafft oftmals Leiden. Trotzdem
nehmen wir die Mühen auf uns. Weil wir ein lohnendes Ziel vor Augen sehen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 24. März 2010
Freude und Trauer
Glück und Leid liegen nahe beieinander. Das erleben wir alle immer wieder.
Es gibt nicht das uneinge-schränkte Glück, genauso wenig aber gibt es das
alleinige Leid. Zwar mögen wir Momente purer Freude als auch purer Trauer
empfinden; immer schwingt jedoch schon, kaum spürbar, etwas von dem anderen
Pol mit. Wie geht das zusammen?
Wenn wir die Redewendung benützen: von himmelhochjauchzend bis zu Tode
betrübt, dann meinen wir damit nicht einfach eine Stimmungsschwankung oder
gar eine Laune. Vielmehr ist dies eine treffende Bezeichnung für die ganze
Spannbreite an Möglichkeiten, wie es in unserem Innern aussehen kann.
Anschaulich wird das, wenn ich den Dichter Khalil Gibran mit einer
Geschichte zu Wort kommen lasse:
Zum Propheten sagte eine Frau: Sprich zu uns von Freude und Trauer. Er
antwortete: Eure Freude ist eure Trauer ohne Maske. Und der Brunnen, aus dem
euer Lachen kommt, war oft mit euren Tränen gefüllt wie kann es anders
sein?
Je tiefer die Trauer sich in euer Leben eingräbt, desto mehr Freude könnt
ihr aufnehmen Wenn ihr voller Freude seid, seht tief in euer Herz und ihr
werdet entdecken, dass nur, was euch vorher trauern liess, euch jetzt Freude
gibt. Wenn ihr betrübt seid, seht wieder in euer Herz und ihr werdet
entdecken, dass ihr in Wirklichkeit über das weint, was euch früher Freude
machte.
Manche von euch sagen: Freude ist grösser als Trauer, und andere sagen:
Nein, Trauer ist grösser als eure Freude. Aber ich sage euch, dass die
beiden nicht zu trennen sind. Sie treten zusammen auf, und wenn eine an
eurem Tisch sitzt, so liegt die andere schlafend in eurem Bett.
Wahrlich, ihr schwebt zwischen eurem Leid und eurer Freude wie die zwei
Schalen einer Waage. Nur wenn ihr leer seid, steht ihr still und seid
ausgeglichen. Wenn der Schatzhüter euch emporhebt, um sein Gold und Silber
zu wiegen, dann wird eure Freude und eure Trauer zwangsläufig steigen oder
fallen.
So gegensätzlich sie auch sind, sie gehören doch untrennbar zusammen, wie
Licht und Schatten, Tag und Nacht. Das eine gibt es nicht ohne das andere,
so schmerzlich es auch für uns ist. Glück und Leid, Freude und Trauer, Wonne
und Schmerz. Das ist Leben in Fülle. Leben mit all seinen Facetten und in
seiner ganzen Intensität, dem nichts fremd ist und das alle Möglichkeiten in
sich trägt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 19. März 2010
Frühlingsputz
Endlich ist das Wetter so, wie wir es seit Wochen sehnlichst erwartet haben.
Temperaturen im zweistelligen Bereich. (Originalton der Wetterfeen von
Meteo)
Ich habe mich nach dem langen und kalten Winter zum Shopping verleiten
lassen und ein paar leichte Kleidungsstücke gekauft. Raus aus den dicken
Jacken und Pullovern, rein in luftige Shirts, um die Wärme der Sonne auf der
Haut zu spüren!
Gleichzeitig habe ich grosse Lust, die ganze Wohnung auf den Kopf zu
stellen. Entrümpeln, ausmisten, putzen, alles auf Hochglanz bringen.
Da kommt mir meine Kinderzeit in den Sinn. Jedes Jahr vor Ostern wurden die
Matratzen auf den Balkon geschleppt, Teppiche gar zum Wäscheplatz hinterm
Haus, wo mitunter noch Schnee lag. Vorhänge wurden gewaschen, alle Fenster
geputzt, Spinnweben aus den hintersten Ecken entfernt.
Gleichzeitig erinnerte unsere Mutter uns immer wieder daran, dass die
Fasten- und Busszeit als Vorbereitung aufs Osterfest dazu da sei, auch an
den inneren Frühjahrsputz zu denken.
Sich nach dem Grossputz in der Badewanne den Staub und Schmutz von Haut und
Haaren zu waschen, verschaffte einem ein gutes und wohliges Gefühl. Doch das
betraf eben nur die äussere Hülle. Worauf es aber vielmehr ankam und das
war es, was unsere Mutter uns nahe legte -, war die Aktion, welche das
Innere anging. Nämlich die Seele von Ballast frei schaufeln, also auch hier
entrümpeln, ausmisten, putzen. Anhand eines persönlichen Beichtspiegels
das Gewissen durchforsten. Sich von Einstellungen und Denkmustern
verabschieden, die das Leben behindern.
Aussen und Innen sollen einander entsprechen, Körperpflege und Seelenpflege.
Wenn ich in meinem Innern sortiert und ausgemistet habe, bekommt auch meine
Seele wieder genug Raum. Dann kann ich den neuen Frühling, das bereinigte
Leben, erst wieder so richtig spüren, durch alle Poren hindurch, und mich
daran freuen. Luft, Licht und Sonne streifen dann nämlich nicht nur flüchtig
die neuen Kleider, sondern das Leben geht mir total unter die Haut.
Lebensfreude pur!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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Weg-Wort vom 18. März 2010
Ein zu grosser Bissen bleibt in der Kehle stecken
Das geschieht nicht nur beim Wettessen, bei dem für hundert Franken
Preisgeld ein Monster-Hamburger von 2,7 Kg vertilgt werden muss. Dass dabei
ein zu grosser Brocken in der Kehle stecken bleibt, kann nicht nur dann
passieren; auch sonst, wenn wir den Mund zu voll nehmen. Es schadet uns,
wenn wir nicht darauf achten, was wir essen, sondern unser Essen
fastfoodmässig in uns hineinstopfen. Ich bin nämlich mehr von dem
ausgegangen, was Jesus in den Evangelien formulierte: Nichts, was von
aussen in den Menschen hineingeht, kann ihn unrein machen, sondern was aus
dem Menschen herauskommt, das ist es, was den Menschen unrein macht.
(Markus 7, 15) Damals ging es um spezielle Essensgebote und um die
Reinheit der Speisen, aber nicht nur: Das Essen geht durch den Magen, was
aber aus dem Herzen komme, das sei das Gefährliche, das verunreinige: Da
wird von Unzucht, Diebstahl, Mord und noch viel mehr gesprochen. Wenn wir
dem nachgeben, verunreinigen wir uns.
Demnach wäre es egal, was und wie, wie viel und wann ich esse. Das ist es
eben nicht: Der Mensch ist, was er isst. Wovon erzählt also ein 2,7kg
schwerer Hamburger, der in einer Stunde vertilgt sein muss? Erzählt er von
der Gier des Menschen, vom inhaltslosen Leben, vom Leben, das sich nicht um
andere schert, von dem ungestillten Hunger nach Leben und vom inneren
Wissen, dass kein noch so grosser Hamburger ihn stillen kann?
In jedem Fall wird unsere Geschichte erzählt: Die Geschichte vom immer mehr
und mehr und es nützt alles nichts. Ausser dass uns die eigenen Brocken im
Hals stecken bleiben und wir halb erstickt realisieren, dass kein noch so
grosser Brocken an Essen, an Einkommen, an Glanz und Glamour uns das an
Lebendigkeit schenken kann, was wir letztlich suchen: Nicht Masse, sondern
Inhalt. Und da gibts schon Verunreinigung wenn wir uns stopfen wie eine
Mastgans. Mitten in der Passionszeit soll ich also lernen bescheidener zu
werden. Es erhöht den Genuss und ist auch deshalb zu empfehlen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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