Weg-Wort vom 9. Juni 2009-06-29
Wahrhaftigkeit
Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen,
allen, die ihn wahrhaft anrufen. Amen (Psalm 145,18)
Amen, meint: so sei es - so ist es - so habe ich es wahrhaftig erfahren -
das glaube ich. Mit dem Wort Amen bestätigen wir also, dass wir dem
zustimmen, was für uns eine Gewissheit geworden ist.
Die Wahrhaftigkeit ist die kluge Schwester der Wahrheit. Wenn wir etwas als
wahr erkannt haben, dann steht die Wahrhaftigkeit bereit. Aber sie kann uns
erst dann bei der Hand nehmen, wenn wir uns die Erkenntnis zu eigen gemacht
haben und sie Teil unseres Herzens geworden ist.
Die Wahrhaftigkeit ist eine wichtige menschliche Tugend. Ohne sie hat die
Seele im Reich des Göttlichen keinen Erfolg. Wahrhaft sein, besonders mit
sich selber, heisst:
- sich nichts vormachen,
- ertragen wer und was man ist,
- auch dann, wenn wir uns so nicht gefallen.
Dann lässt uns die Wahrhaftigkeit spüren, wo wir Gott finden. Sie zeigt,
welche Eigenschaften wir verfeinern könnten und welche Macken wir ablegen
sollten. Sie ist interessiert an unserem Wohlergehen und unserer
Entwicklung. Sie weiss, was wir brauchen, damit das Leben besser gelingen
kann.
Die Wahrheit allein kann uns nicht befreien; erst der Wille dazu, unser
Leben nach ihr auszurichten, macht uns wahrhaftig. Die Wahrheit muss also
Teil von uns werden, damit wir wahrhaftig sein können. Im Johannesevangelium
sagt Jesus von sich: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Die
Lehre Jesu wird aber erst dann wahr, wenn sie Platz in unserem Herzen hat
und wir wahrhaftig sind.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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Weg-Wort vom 25. Juni 2009
Alles ist eitel, du aber bleibst, und wen du ins Buch des Lebens schreibst.
Du aber bleibst, du aber bleibst; alles ist eitel, du aber bleibst. (Kanon
RKG)
Sobald einem die Frage beschäftigt; was soll ich tun, um beachtet zu werden,
will man sich selber nur noch im besten Licht darstellen. Jugendliche geben
dann ihrer äusseren Erscheinung höchste Beachtung. Dazu orientieren sie sich
an einem Vorbild oder versuchen durch eigenwillige Kleidung aufzufallen.
Die Eitelkeit verführt aber auch Erwachsene, Schuhe zu tragen, die unbequem
sind, oder zu frieren, weil man Figur zeigen will.
Andere Leute weisen solche Dummheiten entschieden von sich - eitel sind sie
nicht. Demonstrativ zeigen sie darum, dass ihnen die Äusserlichkeit nichts
bedeutet. Aber wenn man sich so gibt und sich deshalb gar überlegen fühlt,
erliegt man einer subtileren Form der Eitelkeit. Denn das Lexikon umschreibt
die Eitelkeit als eine übertriebene Sorge um die eigene körperliche
Schönheit oder geistige Vollkommenheit des eigenen Charakters.
Die Eitelkeit kann daher auch fromme Leute verführen. Man betet besser, ist
bescheidener oder toleranter.
Sobald man sich mit andern vergleicht, und wer tut das nicht lassen wir
die Eitelkeit ein. Sie ruft dann den Neid und die Eifersucht herbei. Zu
dritt durchwühlen sie genüsslich unser Herz. Sie bringen das Innere
durcheinander und trennen uns von dem was wir eigentlich sein könnten. Die
Untugenden hindern uns am wahren Dasein.
Um die negativen Gefühle wieder los zu werden, hilft eigentlich nur der
Blick nach oben. Zu wissen, dass Du bleibst, stellt mir die Frage, was
bleibt von mir? Der Gedanke daran, dass es eine höhere Ordnung gibt, als die
der eitlen Welt, kann das verwirrte Herz beruhigen. Er hilft, sich von der
Eitelkeit etwas zu distanzieren. Dies sind dann die befreiten Momente, in
denen man wieder Anteil hat an dem was ist. Glück und Freude am Dasein
stellen sich ein. Mit unserer Dankbarkeit für das was ist, scheiben wir uns
ins Buch des Lebens ein. Leider sind diese Einträge oft sehr kurz.
Betrachten wir sie selbstgefällig, dann hat sie uns wieder - die Eitelkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 24. Juni 2009
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben
verliert um meinetwillen, wird es finden. ( Mt. 16,25)
Diese Worte Jesu finden wir in der Zürcher Bibel im Matthäusevangelium unter
den Titel Nachfolge und Lebensgewinn. Wer lerne, darauf zu verzichten, nur
um sich selber besorgt zu sein, finde in ein erfüllteres Leben, meint unser
Spruch. Jesus wollte die Menschen dazu ermutigen, sich anderen zuzuwenden.
Viele Leute meinten, sie können ihr Leben bewahren, wenn sie nur für sich
sorgen.
Dazu die Geschichte vom Weizenkorn:
Ein Weizenkorn versteckte sich in der Scheune.
Es wollte nicht gesät werden.
Es wollte nicht sterben.
Es wollte sich nicht opfern.
Es wollte sein Leben retten.
Es wurde nie zu Brot.
Es kam nie auf den Tisch.
Es wurde nie gesegnet und ausgeteilt.
Es schenkte nie Leben.
Es schenkte nie Freude.
Eines Tages kam der Bauer.
Mit dem Staub der Scheune fegte er das Weizenkorn weg.
Wie oft vermeinen wir uns selber Gutes zu tun, indem wir etwas beibehalten
und neues ablehnen. Man verweigert sich dies oder jenem und versucht so
Geld oder Kraft zu sparen. Aber geht es einem wirklich besser wenn man sich
aus dem Lebensfluss hält? Wer sich raushält, um sich zu schonen, entfernt
sich auch von der Gemeinschaft der er oder sie. Man läuft so Gefahr, sich
für andere wertlos zu machen.
Alle Menschen machen auch negative Erfahrungen und viele bedauern, was nicht
sein durfte. Aber ist dies eine Rechtfertigung dafür, abzulehnen was sein
könnte? Wer sich vor dem Leben versteckt, muss damit rechnen, dass er es
verliert. Wer sich aber hingibt und in den Dienst Gottes stellt, wird
überrascht sein. Er oder sie beginnt sich zu verändern und zu entwickeln.
Dinge werden möglich, an die man früher gar nicht zu denken wagte. Wofür man
sich vorher mühte, geschieht dann wie von selbst.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 19.Juni 2009
An die Reichen
Ihr sagt, dass ihr nicht geben könnt. Ihr sagt denen, die euch bitten, dass
ihr nicht genug habt, um zu geben. Eure Zunge schwört, dass ihr es nicht tun
könnt, aber eure Hand verrät euch, denn obwohl sie nicht sprechen kann,
erklärt das Funkeln an eurem Finger, dass ihr lügt. Wie viele Leute könnte
dieser eine Ring von euch schuldenfrei machen? Wie viele zerfallende Häuser
könnte er instand stellen? Nur eine eurer Truhen voll Kleider könnte einer
Menge Leuten helfen, die jetzt vor Kälte zittern. (Basilius, 330-379, aus
Predigt 7, An die Reichen)
Basilius lebte in einer Zeit des Umbruchs und der Not. Der Sohn aus
wohlhabender Familie nahm sich der Armen und Hungernden an. Er hielt sich
darüber auf, dass es den Reichen so schwer fiel zu teilen.
Wenn es bedrohlich wird, halten wir Menschen an dem fest, was wir kennen und
haben. Je grösser die Verunsicherung wird, desto mehr versucht man zu
bewahren. Da sind wir uns alle sehr ähnlich.
Trotz der Krise, geht es uns hier gut.
Vor vollen Tellern beklagen wir die schlechten Zeiten. Wir aber werden satt,
wir haben genug. Grosszügig packen wir abgelegte Kleider in Sammelsäcke um
Platz für neue zu machen. Aber ist das teilen?
Die Ahnung von unserm Überfluss zieht Menschen aus armen Ländern in den
Norden. Sie ziehen auf der Hoffnungsspur, überwinden grosse Hindernisse, um
auch Anteil an einem besseren Leben zu haben. Wer kann es ihnen verdenken?
Für viele ist auswandern die einzige Aussicht auf ein besseres Leben. Davon
abhalten werden sie nur die Perspektiven auf ein würdiges Leben in ihrer
Heimat. Hoffnung wäre für sie, fairer Handel, gerechte Preise. Wir hätten
auch eine sicherere Zukunft, wenn wir andern Völkern zugestehen würden, was
wir für uns in Anspruch nehmen! Solange wir Menschen die Hoffnung auf eine
bessere Zukunft in ihrem Land verweigern, werden immer mehr ihr Glück bei
uns suchen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 18. Juni 2009
Ruht euch ein wenig aus!
Eine sympathische Aufforderung, die Jesus an seine Jünger und Jüngerinnen
richtet. Besonders an einem heissen Sommertag sind wir empfänglich für eine
solche Einladung: Kommt jetzt mit, ihr allein! Wir suchen einen ruhigen
Platz, damit ihr euch ausruhen könnt (Mk 6,31).
Ausruhen - das kann ein unverbindlicher Reklametrick sein: Mach mal Pause -
trink Coca Cola! Es kann das natürliche Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf
sein, aber auch die ernste Mahnung des Hausarztes: Sie brauchen unbedingt
Ruhe! Wenn wir das natürliche Gleichgewicht zwischen Arbeit und Ruhe,
zwischen Einsatz und Entspannung nicht einhalten, so kann das auf die Dauer
nicht ohne schwerwiegende Folgen bleiben.
Bei körperlicher Überanstrengung macht sich eines Tages das übermüdete Herz
bemerkbar. Geistige Anspannung führt zu Nervosität und Gereiztheit.
Schliesslich leidet auch die Umgebung unter dem übermüdeten Vater, der
überforderten Mutter und dem ungeniessbaren Nachbarn.
Die Aufforderung zum Ausruhen bildet im Markusevangelium die Fortsetzung der
Aussendung der Jünger: Sie sind ausgezogen, um zu predigen, zu heilen, die
Dämonen, das Böse in der Welt auszutreiben. Jetzt kehren sie zu ihrem
Meister zurück und berichten von ihren Erfahrungen. Ist es nicht ein
menschliches Bedürfnis, am Abend nach der Arbeit, nach einem Einsatz von
seinen Erfahrungen, Erfolgen und Enttäuschungen berichten zu können? Ich
möchte allen gönnen, dass sie in dieser Situation auch bereitwillige und
interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer finden.
Jesus ist kein Manager, der seine Untergebenen rücksichtslos ausnützt. Er
gönnt ihnen die nötige Ruhe, er lädt sie dazu ein. Wie steht es
diesbezüglich mit uns? Haben wir auch Sinn für die Müdigkeit, für die
physische und psychische Leistungsgrenze der anderen, oder überfordern wir
sie: der Chef die Angestellten, der Lehrer die Schüler, die Kinder die
Geduld ihrer Mutter?
Die anderen nicht überfordern, sondern sie zur nötigen Ruhe auffordern,
ihnen die notwendige Erholung und Entspannung ermöglichen, das könnte ein
auch ein Aspekt unserer Jesusnachfolge sein.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 17. Juni 2009-06-17
Sich leicht nehmen
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, sich in ein Tier zu verwandeln, welches
würden Sie wählen? Ich selber muss nicht lange überlegen. Ich möchte gerne
ein Vogel sein, vielleicht eine Amsel, die hinter unserem Wohnblock brütet.
Schon am frühen Morgen schwingt sie sich auf den höchsten Baum und
schmettert ihr Lied in die Luft.
Schon als Kind habe ich mir vorgestellt, wie schön es wäre, ein Vogel zu
sein. Dann könnte ich fliegen! All die Erdenschwere hinter mir lassen und
weit in den Himmel hinein fliegen. Der Traum vom Fliegen ist mir bis heute
geblieben.
Und er ist mir wieder eingefallen, als ich im Evangelium den ziemlich
verrückten Ratschlag Jesu gelesen habe: Sorgt euch nicht dauernd um euer
Leben... Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und
sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Wer
von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine
Zeitspanne verlängern?" (Mt 6,25 27).
Jesus stellt uns die Vögel des Himmels als Beispiel vor Augen: Wir sollen
uns selbst und das Leben so leicht nehmen wie die Vögel. Warum er dies tut,
hat der englische Schriftsteller Chesterton einmal so zu erklären versucht:
Ein Vogel ist beweglich, weil er weich ist. Ein Stein ist hilflos, weil er
hart ist. Der Vogel hat eine Leichtigkeit, eine Schwerelosigkeit, mit der er
sich in der Luft zu halten vermag. Engel können fliegen, weil sie sich
leicht nehmen. Als Petrus für einen Augenblick im Blick auf den Herrn ganz
vertraute, da war er so leicht, dass er über Wasser gehen konnte!
Das gilt heute ebenso wie damals. Die Botschaft Jesu hilft uns, das Schwere
in unserem Leben und Beruf loszulassen und leicht zu nehmen. All das, was
uns belastet und behindert, vor allem die Angst um uns selbst.
"Deine Seele ist ein Vogel!, so lautet auch der Titel eines Gedichts.
Bewahre dir die Leichtigkeit! Jesus lehrt es uns! Nichts ist schwer, wenn
wir uns selber leicht nehmen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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Weg-Wort vom 16. Juni 2009
Alles hat seine Zeit (Kohelet 3,1)
Was kann das für mich heissen? Zunächst vielleicht dies: Ich achte darauf
oder versuche herauszufinden, wofür jetzt Zeit ist: Zeit für ein Miteinander
oder Zeit für Rückzug und Stille? Zeit, um mich anzustrengen oder Zeit zum
Lassen und Loslassen? Zeit zum Warten oder Zeit, um mich zu entscheiden?
Der alttestamentliche Weisheitslehrer Kohelet weist uns darauf hin, dass
alles seine Zeit hat und braucht. Gerade wenn etwas wachsen und reifen oder
wenn etwas heilen soll, so braucht das seine eigene Zeit. Wenn sich etwas
entwickeln soll - ein Lebewesen, eine Beziehung oder auch ein
Lebensabschnitt - lässt sich das nicht erzwingen, es lässt sich nicht
beliebig beschleunigen oder verlangsamen, es braucht seine Zeit.
Auch das Warten, das uns oft als sinnlose Zeitvergeudung vorkommt, muss
nicht Leerlauf bedeuten. Vielleicht ist es die notwendige Vorbereitungszeit
auf eine wichtige Veränderung. Vielleicht muss ich geduldig abwarten.
Vielleicht ist Veränderung gar nicht anders möglich.
Das anzunehmen, heisst: im Jetzt leben. Ich muss nicht der Vergangenheit
nachtrauern oder auf die Zukunft warten, wenn ich den Augenblick, diese
Zeit, als mir von Gott zugeteilte Lebensphase annehme, sie akzeptiere als
wichtigen Bestandteil meines Lebens. Auch die Zeit im Krankenhaus, die Zeit
der Krankheit oder Erholung ist dann keine verlorene Zeit.
Es ist gewiss nicht immer einfach, das anzunehmen, wozu mich der Augenblick
herausfordert. Oft erscheint er zu schwierig oder zu bedeutungslos oder
einfach nur sinnlos. Es braucht oft ein grosses Stück Mut und Vertrauen,
sich der Aufgabe des Jetzt zu stellen.
Helfen kann mir dabei der Glaube, dass Gott mich zu keiner Zeit im Stich
lässt, dass nichts, was geschieht, ohne Gott geschieht. Er ist zu jeder Zeit
mit uns Menschen, in den guten und in den schlechten Zeiten. Meine Zeit
steht in deinen Händen heisst es in einem Psalm.
Wie gehe ich mit meiner Zeit um? Wer bestimmt über meine Zeit? Wer, was
stiehlt mir meine Zeit? Habe ich Zeit für das, was mir wichtig ist? Für wen
oder für was möchte ich heute mehr Zeit haben?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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