Weg-Wort vom 30. August 2010
Ich fange nie mehr was an einem Montag an
Dass Monica Morell damals nicht vom Montag sang, das ist mir sehr wohl
bewusst, denn der Sonntag war es, der ihr den Liebsten nahm und damit allen
Glauben. Eingehüllt wurde dieser Tag der Freude, an dem sie ihre Liebe
kennenlernte, in das Dunkel des Schmerzes um den Verlust des geliebten
Menschen. Liegt ein Sinn darin, ich werd es nie verstehn. Denn das Leben
wird immer weitergehn., singt sie im Versuch zu bewältigen, anzunehmen. Wir
fragen: Warum ist dieses oder jenes geschehen, warum dieses oder jenes Leid
uns zugefügt? Was wir oft nicht fragen, ist: Warum ist uns dieses oder jenes
Glück geschenkt worden? Warum?
Leben ist ein Geschenk, Leben ist ein Geheimnis: Sein Warum und Wie? Müssen
wir es enträtseln? Können wir es enträtseln? Sprechen alte Texte darum so,
weil das mit dem Enträtseln so eine Sache ist: Der Herr hats gegeben, der
Herr hats genommen, gelobt sei der Name des Herrn. Forschen darum so viele
Menschen nach dem, was Leben eigentlich ist? Es ist schwierig, an dieser
Grenze zum Geheimnis stehen zu bleiben. Wird deshalb geforscht, um Danke zu
sagen, um es bis ins letzte Detail zu ergründen, um es zu kopieren, zu
klonen, nachzuahmen, um zu heilen?
Wie tief wir auch immer in das Geheimnis des Lebens eindringen wollen, es
bleibt ein Rest Unverfügbarkeit. Es bleibt ein Rest Geheimnis, das den
innersten Charakter unseres Lebens bewahrt und schützt vor zu viel Neugier,
vor zu viel Eindringen: Unser Leben ist und bleibt ein Geschenk.
Und darum fange ich nicht erst am Montag an, sondern schon am Sonntag, dem
Tag der Auferstehung, dieses Geschenk zu schätzen und zu lieben trotz
allem, was dagegen steht. Gott sei Dank für mein Leben.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 27. August 2010
Ein bisschen mehr Farbe ins Spiel bringen
Letzthin habe ich eine Email von einem Freund bekommen, mit dem ich
Konfirmandenlager durchführe: Er meinte, ich solle mein Portrait bei der
Bahnhofkirche durch sein Foto ersetzen. Es würde mehr Farbe ins Spiel
bringen. Das Portrait ersetze ich nicht, aber für ein Wegwort darf es
herhalten. Im Konfirmandenlager unterwegs beim Einkauf in einem riesigen
Zentrum in England. Die Leiter unter sich der Pfarrer und der Polizist.
Farbe ins Spiel bringen macht Spass: Mit Gans und Schwein unter dem Arm
natürlich aus Plüsch.
Ich schreibe diese Zeilen am Tag des wohl farbigsten Festes von Zürich: Die
Street Parade ist angesagt. Das Wetter ist durchzogen, die Schatten von
Duisburg wirken noch nach aber es ist anders hier: Mehr Erfahrung, mehr
Raum, auch wenn die Menschen so dicht gedrängt sind, dass für mich kaum Luft
zum Atmen bliebe, und farbig, voller Fantasie und Freude, voller Kraft und
Leben, laut , dass einem die Ohren weh tun Das ist Farbe ins Spiel bringen
dagegen bleiben für das weisse Gänschen mit blauem Hut und das rot
gekleidete Schweinchen unter meinen Armen nur noch ein Jöööhhh, ist das
herzig übrig. Ein bisschen Farbe. Aber letztlich reicht das: Nicht jeder
Tag kann Street Parade sein, aber jeder Tag braucht seine Farbtupfer, dass
er nicht im Grau des Alltags versinkt.
Farbe ins Spiel bringen das ist Alltagsgeschäft. Da muss nicht mit grosser
Kelle angerichtet werden. Da reicht ein Tupfer, ein Lichtblick, ein
Sonnen-strahl und alles sieht gleich anders aus: heller, lichter. Alles
fühlt sich gleich anders an durch ein Lächeln, ein kleines Kompliment: Du
siehst hübsch aus!, Das hast du gut gemacht., Schön, dich zu sehen!.
Bringen Sie Farbe ins Spiel Ihres Lebens und Sie werden merken, dass auch
das Leben anderer mehr Farbe bekommt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 26. August 2010
Ein gelungener Tag
"Viele suchen ihr Glück, wie sie ihren Hut suchen, den sie auf dem Kopf
tragen."
Sie verliess nie das Haus, ohne vorher eine Hand voll Glassteine in die
Jackentasche einzustecken. Sie nahm sie mit, um die schönen Momente des
Tages und Begegnungen mit Mitmenschen wahrzunehmen und um sie besser in
Erinnerung behalten zu können.
Jede positive Kleinigkeit, die sie tagsüber erlebte, zum Beispiel ein
freundliches Gespräch auf der Strasse, das Lachen eines Kindes, ein gutes
Essen, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, einen rücksichtsvollen
Menschen, ein liebes Wort für alles, was die Sinne erfreute, liess sie
einen Glasstein in die linke Jackentasche wandern. Manchmal waren es gleich
zwei oder drei.
Abends sass sie dann zuhause und zählte die Glassteine aus der linken
Tasche. Sie zelebrierte die Minuten und hörte dabei Musik. So führte sie
sich vor Augen, wie viel Schönes und Gutes ihr an diesem Tag widerfahren war
und freute sich. Sie dankte Gott und schloss all die Eindrücke und
Mitmenschen in ihr Gebet ein. Und sogar an einem Abend, an dem sie bloss
einen Glasstein zählte, war der Tag gelungen hatte es sich zu leben
gelohnt. (Quelle der Geschichte unbekannt)
Es gibt sicher im Leben eines jeden von uns Tage, an denen alles schief zu
laufen scheint. Am Ende eines solchen Tages sind wir in der Gefahr, alles
negativ zu sehen. Nichts, aber auch gar nichts Positives konnten wir dem Tag
abgewinnen.
Wirklich gar nichts? Lassen wir doch einfach mal den Tag in Ruhe Revue
passieren und versuchen dabei, unser Augenmerk nur auf das Schöne und Gute,
das Frohe und Helle zu richten. Wir werden erstaunt feststellen, dass auch
wir mindestens einen Glasstein auf den Tisch legen können. Dieser eine
Glasstein ist Grund genug, Gott zu danken und mit ihm den Tag zu
beschliessen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 25. August 2010
Der Sieben Zeiten Tee
Gestern schrieb ich von der Balance der
verschiedenen Rhythmen im Alltag, nachdem ich mit einer bereichernden
Erfahrung aus meinen Klostertagen heimgekehrt war. Bereits heute merke ich
aber, dass diese Balance gar nicht so einfach zu finden und zu leben ist.
Was könnte mir helfen, damit
die Tage der Einkehr nachhaltig wirken?
Ich nehme die Teemischung zur Hand, welche ich im Klosterladen der
Benediktinerabtei gekauft habe. Es heisst, der Tee wirke belebend, fördere
aber dennoch Ruhe und Gelassenheit. Sieben-Zeiten- Tee steht auf dem
Etikett. Bewährte Heilkräuter der Klostermedizin sollen die sieben
Gebetszeiten der Mönche symbolisieren.
Siebenmal am Tag will ich dir lobsingen heisst es im Psalm 119.
Die Laudes, das feierliche Gotteslob zu Beginn des Tages, wird mit der
Schlüsselblume verbunden, die für den Neubeginn steht und für das Licht.
Die Prim um 6 Uhr wird durch die Rose dargestellt, die das Herz öffnet.
Die Terz um 9 Uhr erinnert an den Geist Gottes, der belebt und stärkt. So
soll der Salbei den Menschen stärken und seine Gesundheit bewahren.
Am Mittag, zur Sext, soll der Hl. Geist das erhitzte Gemüt kühlen und
lindern. Die Krauseminze lockert das Festgefahrene in uns und fördert die
Verdauung
Die None um 15 Uhr ist die Todesstunde Jesu. Melisse und Taubnessel sollen
Zuversicht und Heiterkeit bringen.
Am Abend wird in der Vesper das Abendlob gesungen. Wenn die Sonne
untergeht, soll Christus in unserem Herzen als Licht aufgehen und uns mit
seiner wärmenden Liebe erfüllen. Der Ingwer durchwärmt und fördert die
Lebensenergie. In der Komplet beschliessen die Mönche den Tag und übergeben
ihr Leben in Gottes Hände. Baldrian beruhigt, unterstützt das Loslassen und
fördert die Gelassenheit.
Dieser Tee lädt uns ein zu einer entspannten Teepause - egal ob morgens,
mittags, oder abends getrunken um Ruhe und Kraft aus Gelassenheit zu
schöpfen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 24. August 2010
Einkehren
Vergangene Woche verbrachte ich einige Tage in einem
Benediktinerkloster. Indem ich an den klösterlichen Gebetszeiten teilnahm,
mich einreihte in den Tages-rhythmus der Mönche, folgte ich einer
vorgegebenen Struktur. Nichts brauchte ich zu überlegen oder zu entscheiden.
Einzig der Entscheid, um 5 Uhr in
der Frühe zur Laudes in der grossen Kirche zu sein, kostete mich
Überwindung. Doch ich spürte schnell, wie gut es tat, mich hineinzugeben in
eine Ordnung, die ich nicht erst selbst schaffen musste.
Die Struktur half mir, dass der äussere Rhythmus auch zu meinem inneren
wurde. Ich wurde ruhiger, dachte nicht mehr an die Arbeit und an Probleme.
Die waren nicht verdrängt oder einfach weg. Aber sie wogen nicht mehr schwer
und waren deshalb auch keine grosse Belastung mehr. Ich konnte auf einmal
Vieles neu gewichten.
Wenn die Mönche zum Gebet einzogen und im Chorraum ihren Platz einnahmen zu
Laudes, Konventamt, Mittagsgebet, Vesper und Komplet, dann spürte ich etwas
von diesem befreienden Wirken Gottes und seiner Geistkraft. Ich hatte mich
darauf eingelassen, meinen Alltag durch die Regeln im Kloster zu
unterbrechen. Ich machte die Erfahrung des Einkehrens bei mir selbst, als
ich Gott den Platz in der Mitte überliess. Einkehrtage
steht denn auch auf meinem Zahlungsbeleg, der mir auf dem Sekretariat vor
meiner Heimreise ausgehändigt wurde. Solche Tage lassen sich nicht nur mit
Geld begleichen. Es kostet mitunter auch Überwindung, sich überhaupt dafür
zu entscheiden.
Einkehren in den eigenen Seelenraum und mein Leben nach Gott ausrichten
möchte ich weiterhin, in meinem Alltagsleben, an meinem Platz.
Die Tage so ordnen und gestalten, dass darin Unterbrechungen Platz haben und
die verschiedenen Rhythmen sich die Waage halten: Tun und Geschehen lassen,
Auszug und Einkehr, Öffnung und Rückzug.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 20. August 2010
Gottes Geschöpfe
Vielleicht erinnern Sie sich daran, wie vor ein paar Monaten in den Medien
ein Bild um die Welt ging. Eine Affenmutter trug ihr totes Baby tagelang mit
sich herum und betrauerte es. Mich hat dieses Bild der Affenliebe sehr
berührt.
Als ich dann später das Foto mit den beiden Orang-Utans gesehen habe, bin
ich beinahe ausgeflippt. Ich weiss zwar, dass Menschenaffen sehr intelligent
sind. Dass sie imstande sind, selber einfache Werkzeuge herzustellen, um
beispielsweise die harte Schale einer Kokosnuss aufzubrechen. Aber das Bild,
wie die beiden Affen zärtlich die Rose halten und beschnuppern, ist für mich
einzigartig. Es beinhaltet all das, was für mich die göttliche Schöpferkraft
ausmacht: In jedem Lebewesen findet sich etwas von der Grösse der Weisheit,
der liebenden Fürsorge und ganz besonders von der Güte Gottes.
Die Evolutionstheorie von Darwin entschlüsselte viele Fragen der Entstehung
und der Entwicklung der Arten. Seither hat die Forschung weitere
Entdeckungen gemacht. Und doch bleibt das Leben ein einziges grosses Wunder,
über das ich voll Ehrfurcht nur staunen kann. Darwin meinte: Es hat etwas
Erhabenes, dass der Schöpfer die Vielfalt des Lebens ursprünglich nur einer
oder wenigen Wesen eingehaucht hat. Und dass, während dieser Planet nach den
unveränderlichen Gesetzen der Schwerkraft seine Bahn zog, aus einem so
schlichten Anfang unendlich viele der schönsten und wunderbarsten Wesen
entstanden sind und weiterhin entstehen.
Oder, wie Thomas von Kempen, Augustinermönch im 15. Jahrhundert, sagte:
Es ist kein Geschöpf so klein und unbedeutend, dass es nicht eine Spur der
Güte Gottes an sich trägt. Von diesem Bewusstsein will ich mich leiten
lassen bei allem, was ich tue.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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Weg-Wort vom 19.August 2010
Drei Männer im Zug
Die Zeit steht still. Im Betrieb läuft nichts. Es ist möglich, ihn ein paar
Minuten eher zu verlassen. Eine halbe Stunde früher zuhause als sonst, das
wäre was. Alles klappt, der Weg zum Perron ist kürzer als sonst ein Blick
auf die Uhr, aufs Gleis Zeit stimmt , Gleis stimmt, also rein in den Zug.
Ein vertrautes Gesicht. Alles ist in Ordnung. Ein Nickerchen bis zum
Umsteigen. Beim Aufwachen die Durchsage der Stationen. Was ist los? Ich
sitze im falschen Zug. So sehr habe ich mich beeilt, dass ich früher zuhause
bin und jetzt das. Und was macht der Bekannte hier? Er konnte
ausnahmsweise pünktlich das Geschäft verlassen und beeilte sich sehr, damit
er noch den früheren Zug erreichen konnte. Es hat alles gepasst, bis er zu
spät bemerkte, dass er den falschen genommen hatte.
Als wir uns bereit machten umzusteigen, um nicht allzu verspätet nach Hause
zu kommen, waren wir auf einmal zu dritt. Alle hatten sich beeilt, um früher
zuhause zu sein, bei allen stimmte die Zeit, das Perron und alle waren sich
sicher im richtigen Zug zu sitzen.
Der Rest war Lachen.
So beeilst du dich in deinem Leben, machst alles richtig und gut, und es
nützt überhaupt nichts. Es ist ja schön, wenn in solchen Sachen ein Esel dem
andern Langohr sagen kann und das gemeinsame Lachen den aufkommenden Ärger
wegspült.
Was nützt die Eile, wenn du sie nicht mit Weile angehst? Also: Mach es nicht
wie die Gehetzten dieser Welt, dass du schon beim letzten Schluck Kaffee
aufstehst und noch mit der Zahnpaste im Mund Schuhe und Mantel anziehst.
Mach es nicht wie die Gehetzten dieser Welt, dass Du der Liebsten einen
Abschiedskuss gibst und mit den Gedanken schon im Geschäft bist. Sei weg,
wenn du weg bist, aber wenn du da bist, sei auch da.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
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