Weg-Wort vom 25. Juli 2008
Der Mangobaum isst seine Früchte auch nicht selbst
Ihm sind die Menschen gleichgültig geworden. Jahrelang habe er anderen
geholfen, aber nur wenig zurückerhalten. Jetzt sei es genug! Er schaue nur
noch für sich selbst.
Beim gemeinsamen näheren Hinsehen wurde dem Mann um die Fünfzig klar, dass
er seine ganz bestimmten Vorstellungen hatte, wie die anderen auf seine
Hilfe reagieren sollten. Als er noch genauer hinschaute, stellte er
überrascht fest, dass eigentlich sehr vieles auf unterschiedliche Weise
zurückgekommen war, nur halt nicht so, wie er es erwartet hatte.
Nur für sich selber schauen, entspricht nicht dem Wesen des Menschseins:
Der Mangobaum isst seine Früchte auch nicht selbst, sagt das Sprichwort.
Der Baum sucht in erster Linie, sich und die ihm gegebenen Möglichkeiten den
Umständen entsprechend zu entfalten. Das ist seine ureigene Aufgabe und
Leistung. Und wer seine Früchte pflückt, wird voraussichtlich alles für den
Baum tun, damit er sich bestmöglichst entwickeln kann.
Die Bibel stellt der Sorge um sich selbst das Engagement für die anderen
gleichwertig gegenüber: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst (Mt 22,39).
Was sich selber lieben bedeuten kann, kommt im Gleichnis vom anvertrauten
Geld (Mt 25,14-30) zum Ausdruck:
Ein Mann, der verreisen wollte, vertraute seinen drei Dienern sein Vermögen
an, jedem unterschiedlich viel. Als er nach längerer Zeit zurückkam und
Rechenschaft verlangte, hatten zwei als treue und zuverlässige Verwalter
ihren Teil verdoppelt. Der dritte gab seinen Teil unversehrt zurück. Er
hatte ihn aus Angst vergraben.
Das heisst für mich: Gott will, dass wir die uns von ihm anvertrauten
Fähigkeiten je unseren Umständen entsprechend zur Entfaltung bringen. Das
ist unsere ureigene Aufgabe und Leistung. Dadurch lieben wir uns selbst,
finden wir Erfüllung.
Unsere Fähigkeiten aber sind uns von Gott geschenkt mit dem Ziel, dass alle
etwas davon haben, dass sie anderen nützen (1Kor 12,7). Je mehr wir sie also
entfalten, desto stärker können sie anderen zugute kommen.
Wir sind in Liebe mit uns selbst und anderen, wenn wir uns gegenseitig Raum
geben und unterstützen, damit jeder das entfalten kann, was in ihm angelegt
ist.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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